Rickling. Mandeln heißen „Hinnerk“, Pastete „Toni“: Wie die Rethmanns auf einem Bauernhof eine Lebensmittelmanufaktur gründeten.

Bei Agapi und Rado Rethmann kommt nichts in die Tüte. Sondern alles ins Glas. Seien es frisch gebrannte Mandeln oder Erdnüsse, Cashewkerne oder Curry-Creationen, schokolierte Mango- und Nuss-Variationen. Für die Manufaktur mit Bio-Lebensmitteln aus nachhaltigem Anbau ist das Ehepaar von Hamburg weit aufs Dorf mitten in Schleswig-Holstein gezogen. Nach Rickling. Dort ist sonst nicht viel. Nur Wiesen, Wälder und Felder, Schweine, Kühe und Kälber. Und Ruhe.

In dieser tiefen Provinz haben Agapi und Rado Rethmann einen alten Bauernhof mit viel Wiese drumherum entdeckt, gekauft, renoviert und sich selbstständig gemacht. Mit dem Start-up „GutDing“. Was von Leuten, die dort schon immer leben, verwundert beäugt wird.

Sind das vom Großstadtlärm frustrierte Aussteiger, Spinner oder einfach nur clevere Geschäftsleute? Von allem etwas. Aber auf jeden Fall als Ehe- und Firmenpartner ein kreatives Duo, das den mutigen Sprung in die Selbstständigkeit mit Bio-Produkten wagte. Vor allem aber den Sprung in viel Arbeit.

Hinter dem Bauernhof in Rickling liegen die grünen Weiten

„Als wir diesen Hof hier am Ende von Rickling mit den großen Scheunen und Ställen und vor allem mit dem weiten Blick über die Wiesen entdeckt haben, wussten wir, das ist der ideale Ort, die Arbeit, den Beruf ins tägliche Leben zu integrieren und auf einen Nenner zu bringen“, sagen Agapi und Rado Rethmann.

Das Wohnhaus des Bauernhofes liegt direkt an der Dorfstraße, aber hinter den Scheunen und Schuppen öffnet sich in der Tat ein wunderbarer Blick in grüne Weiten voller Ruhe. Einer Ruhe, die das Ehepaar Rethmann zu ungewöhnlichen Ideen für ihr Startup „GutDing“ inspiriert.

In die Gläser kommen Produkte aus dem Bio-Anbau

Ein kleiner Blick ins Sortiment.
Ein kleiner Blick ins Sortiment. © Heike Linde-Lembke | Heike Linde-Lembke

„Es ist nicht nur der Wunsch nach Mehrweg-Verpackungen, wir wollen auch etwas Gutes und Gesundes hineinpacken, leckere Dinge aus dem Bio-Anbau, die wir kreativ weiterentwickeln zu gesunden Snacks und Köstlichkeiten im Glas“, sagt Agapi Rethmann.

Beispielsweise die Cashews, die sie mit unterschiedlichen Würzmischungen umhüllen und dann mehrere Sorten zugleich in ein Mehrwegglas füllen. „Ursprünglich hatten wir dafür wunderschöne Weck-Gläser nach altem Muster, die aber leider als Mehrweggläser zu selten und daher unpraktisch waren, weil sie im Lebensmittelmarkt kaum noch vorkommen“, sagt Rado Rethmann.

Die Produktnamen haben Beziehungen zu real existierenden Personen

Also wählten sie ein Norm-Pfandglas, kamen damit in die Regale von Edeka, famila und Markant, und der Absatz flutschte, weil diese Märkte die Pfandgläser auch wieder zurücknehmen und den Verbrauchern dafür 15 Cent erstatten.

Dabei laden die Gläser wegen der witzig illustrierten Banderolen sogar zum Sammeln ein. Agapi Rethmann ist von Beruf Grafik-Designerin und sorgt für einen lustigen Strich auf den Banderolen. Und für Namen für die einzelnen Glas-Inhalte, die sogar Beziehungen zu real existierenden Personen haben.

Bis zu 4000 Gläser wöchentlich gehen per Lkw in die Supermärkte

„Ohme“ ist beispielsweise der Ehemann einer Freundin. In sein Pfandglas packen die Rethmanns delikate Salzmandeln. „Hinnerk“ sieht aus wie ein alter Seebär und serviert aus seinem Glas gebrannte Mandeln. „Toni“ ist eine Cashews-Pastete mit Tomaten, Auberginen und Basilikum, abgerundet mit feinem Piment d‘Espelette und „Bolle“ eine Zwiebel-Konfitüre für Käsestullen, Ofengemüse und Fleischgerichte.

Oke, Knut und Kalle sind kernige Genuss-Genossen mit gebrannten Mandeln, Cashews und Haselnüssen und schmecken gut in Müslis, Joghurt und als Zutat zum Kuchenbacken. Mittlerweile gehen bis zu 4000 „GutDing“-Gläser wöchentlich von Ricklingen per Lkw auf die Reise in die Lebensmittelmärkte.

Der Koch des Teams, zu dem noch weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehören, ist Rado Rethmann. Er probiert und kreiert die „GutDing“-Leckereien, tüftelt in der hauseigenen Küche an neuen Geschmacks-Richtungen, die kleine Erlebnisse auf Gaumen und Zunge versprechen.

Eine Frauen-Kooperative aus Burkina Faso liefert die Cashewnüsse

In die Pfandgläser kommen auch Kreationen mit CousCous, Getreide, Datteln und Feigen, Mango und Trockenfrüchte. Die Cashews liefert eine Frauen-Kooperative aus Burkina Faso, für die die Rethmanns auch Spenden sammeln, damit die Frauen dort eine eigene Landwirtschaft aufbauen können.

Die Kürbiskerne bestellen sie nebenan, in Österreich, weil es „die besten sind“. Die Mandeln werden aus Spanien geliefert, die Haselnüsse aus der Türkei, der Reis aus Italien und Indien. Nüsse und Mandeln werden nicht nur gebrannt und geröstet, Rado Rethmann kreierte auch eine Variante mit Schokoladen-Überzug als „Happy Happs“, beispielsweise auch schokolierte Fruchtkerne von Datteln, Mango, Mandeln und Erdnüssen.

Rado kocht, Agapi zeichnet und macht die Buchführung

Agapi und Rado Rethmann vor der Manufaktur.
Agapi und Rado Rethmann vor der Manufaktur. © Heike Linde-Lembke | Heike Linde-Lembke

Weit mehr als 50 Produkte, darunter auch Brotaufstriche, bietet die „GutDing“-Palette. Bis jetzt. Denn Rado Rethmann steht gern in der Küche und kreiert neue kulinarische Gaumenreize, während Agapi Rethmann nebenan im Büro sitzt, ihre witzigen Banderolen und Werbemittel zeichnet oder die Buchführung macht.

„Rado ist der Vegetarier unter uns, ich esse gern schon mal ein Stück Leberwurst“, verrät Agapi Rethmann und erzählt, dass er für sie eine vegane Leberwurst-Pastete und ein veganes Mettbrötchen erfunden hat.

„Wir waren zuerst sehr naiv“, sagt Agapi Rethmann

Wie aber wird man nun vom gut verdienenden Mode-Großhändler (Rado) und gut verdienenden Designerin (Agapi) zum selbstständigen Unternehmer-Paar? „Wir waren zuerst sehr naiv“, gibt Agapi Rethmann zu und lacht, „wir haben zuerst Produkte entwickelt, die man kühl halten muss, aber mit der Entwicklung länger haltbarer Produkte haben wir es hinbekommen.“ Viele Kleinigkeiten hätten ihnen zuerst das Start-up versalzen, beispielsweise das Schleppen der schweren Säcke mit Cashews, Mandeln, Nüssen und Co.

Zuerst köchelten sie ihre herzhaften und süßen Snacks nur an den Wochenenden in einer Kita-Großküche, hatten keinen Lagerraum, bis sie 2020 ihr Ricklinger Paradies entdeckten und sich entschieden, dort eine richtige Produktionsstätte für „GutDing“ aufzuziehen. Sie wurden Mitglied im MMP, dem Milch-Mehrweg-Pool.

Wo die Produkte von GutDing gekauft werden können

„Unser erster Transporter war ein VW-Bus, heute fahren 40-Tonner auf unseren Hof“, erinnert sich Rado Rethmann. Die „GutDing“-Produkte gehen hauptsächlich in den Bio-Großhandel, darunter Grell Naturkost Kaltenkirchen, die sie wiederum an Bio-Lebensmittelläden wie auf Gut Wulksfelde in Tangstedt, in Märkte wie Edeka und Famila und in Unverpacktläden weiterliefern. GutDing hat auch einen eigenen Online-Shop: gutding.org.

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„Als wir uns kennenlernten, wollten wir etwas zusammen machen, uns gemeinsam was Neues aufbauen“, sagt Rado Rethmann. „Als wir dann begriffen, dass wir nur etwas verändern können, wenn wir uns verändern, fanden wir die richtige Basis für GutDing, sagt Agapi Rethmann.