Norderstedt. Mobiler Blitzanhänger der Stadt Norderstedt wurde beschädigt – und die Raser-Fallzahlen im Stadtgebiet brechen ein.
Manche in Norderstedt, die Verkehrsüberwachung eher als Abzocke und Gängelung der Autofahrerinnen und Autofahrer empfinden, haben einen regelrechten Hass auf „Susi“. Sie nennen sie in Sozialen Medien eine „Bordsteinschwalbe“ und geben dort laufend ihren Standort durch – etwa die Oadby-and-Wigston-Straße. Und wieder andere greifen „Susi“ sogar an und setzten sie außer Betrieb.
„Susi“ ist eine städtische Mitarbeiterin, ein vollautomatischer „Blitzer-Anhänger“, der an beliebigen Straßenrändern abgestellt werden kann und bei Bedarf 24/7 Fotos von Tempo-Sündern schießt. Seit Oktober 2021 ist „Susi“ in Betrieb.
Mit ihrer Anschaffung änderte das Ordnungsamt seine Taktik bei der Jagd auf Verkehrssünder – weg von den stationären Blitzer-Säulen (an die sich alle gewöhnt hatten und rechtzeitig bremsten) und hin zur mobilen Überwachung mit Überraschungseffekt.
Blitzen: „Susi“ bescherte der Stadt Norderstedt Rekordeinnahmen
Mit Erfolg: „Susi“ trug fleißig dazu bei, dass die Stadt 2022 die höchsten Bußgeldeinnahmen seit Start der Radarüberwachung des Verkehrs in seinen Stadtgrenzen im September 2016 erzielte. Knapp 2,7 Millionen Euro an Bußgeldern.
„Susi“ machte in ihrem ersten vollen Einsatzjahr an der Oadby-and-Wigston-, der Poppenbütteler und Ochsenzoller Straße und an der Tangstedter Landstraße 10.689 Aufnahmen – so viele hatten in den Jahren zuvor die beiden für „Susi“ abgeschafften stationären Radarsäulen an der Oadby-and-Wigston-Straße und der Poppenbütteler Straße noch nicht mal gemeinsam geschafft.
Doch nun sind die Zahlen der erwischten Tempo-Sünder in Norderstedt im ersten Halbjahr 2023 drastisch eingebrochen. Das geht aus dem aktuellen Halbjahresbericht des Ordnungsamt hervor, den Amtsleiter Andreas Finster im Hauptausschuss der Kommunalpolitik vorstellte.
Unbekannte attackierten „Susi“ zweimal und setzen sie außer Gefecht
„Susi“ hat in den ersten sechs Monaten 2023 lediglich 1839 Raser erwischt. Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2022 waren es 6607 Fälle. Wie die Stadt mitteilt, wurde „Susi“ gleich zweimal durch Unbekannte angegriffen und dienstunfähig gemacht.
Der Blitzer-Anhänger wurde dabei derart beschädigt, dass Teile der Überwachungsanlage ausgetauscht werden mussten, andere Teile konnten erst nach eingehender Prüfung wieder eingebaut und wiederverwendet werden. Hinzu kam, dass „Susi“ offenbar durch Baustellen auf der Straßen in ihrem Haupteinsatzgebiet ausgebremst wurde.
Doch nicht nur „Susis“ Probleme sorgen für einen Rückgang der Fallzahlen. Die Stadt hat ja auch noch einen Wagen mit Messeinrichtung zur mobilen Geschwindigkeitsüberwachung im Einsatz. Der muss von qualifizierten Außendienstmitarbeitern bedient werden. Und da litt das Ordnungsamt im ersten Halbjahr offenbar unter einem Engpass.
Mobiles Radarteam: Personalmangel verhindert Einsatz
Lediglich ein Mitarbeiter war greifbar in den ersten Monaten 2023, die übrigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien im Laufe des ersten Halbjahres nachgeschult worden. Jedoch war der Wagen dadurch kaum noch auf der Straße. Gerade mal acht Einsätze sind 2023 dokumentiert, dabei wurden 594 Verkehrssünder geblitzt. Im Halbjahr 2022 waren es noch 25 Einsätze und 1440 Fälle gewesen, 2021 sogar 48 Einsätze und 2451 Fälle.
Auch bei der stationären Blitzerei – mit den verbliebenen Säulen an der Niendorfer Straße und der Schleswig-Holstein-Straße – zeigen sich erhebliche Rückgänge. Beim Rasen auf der Niendorfer Straße erwischte die Blitzsäule nur noch 12.448 Autofahrerinnen und Autofahrer im ersten Halbjahr 2023. Im Jahr davor waren es in den ersten sechs Monaten noch 22.284 Fälle.
Relativ konstant sind die Fallzahlen der Säule auf der Schleswig-Holstein-Straße: Wie in den Halbjahren zuvor, löste der Blitz hier 5371 Mal aus. Im Vergleich zu den Anfangsjahren sind das niedrige Werte. Die Säule an der Schleswig-Holstein-Straße registrierte 2018 zum Beispiel 26.020 Verkehrssünder.
Welche Auswirkungen haben Radarwarn-Apps?
Ob der Rückgang der Fallzahlen generell mit einem Rückgang der Raserei, dem Gewöhnungseffekt beim aufmerksamen Autofahrenden oder den massenhaft verwendeten Radarwarn-Apps auf den Mobiltelefonen der Leute zusammenhängt – darüber lässt sich nur mutmaßen.
Mehr als verdreifacht haben sich die Fallzahlen der Rotlichtverstöße, meldet das Ordnungsamt. Mit den vier stationären Blitzern im Stadtgebiet wurden 1305 Verstöße dokumentiert – im ersten Halbjahr 2022 waren es nur 403 Fälle. Geblitzt wird hier an den Ecken Ohechaussee und Schäferkamp, Schleswig-Holstein-Straße und Poppenbütteler Straße, beziehungsweise Stormarnstraße und an der Segeberger Chaussee.
Stadt senkt Erwartungen bei Bußgeld-Einnahmen
Nach den Rekordeinnahmen 2022 schraubt die Stadt ihre Erwartungen für dieses Jahr entsprechend herunter. Man rechnet nur noch mit etwa 1,7 Millionen Euro an Bußgeldern. Dem stehen 885.300 Euro an Kosten für Personal und Technik gegenüber.
- Überfallserie in Norderstedt: Politik fordert Kameras und Sicherheitsdienst
- Sicherheit Norderstedt: Oberbürgermeisterin kritisiert Sozialdezernentin
- Polizei Norderstedt: Überfall am Busbahnhof - Mann tritt 22-Jährigem ins Gesicht
Dass eben jene eingesetzte Technik nicht ganz exakt die Geschwindigkeit ermittelt und Autofahrer entsprechend die Chance haben, gegen Fahrverbote und Bußgeldbescheide vorzugehen, dieser Eindruck wird von diversen Anwälten im Internet erweckt.
Messergebnisse: Widerspruch eher zwecklos
Die Stadt Norderstedt stellt dazu unmissverständlich klar: „Die Messgeräte der Stadt Norderstedt arbeiten auf der Basis einer Laser-Messtechnik. In jedem einzelnen Fall muss und kann die Stadt nachweisen, dass ein Messgerät korrekt in Betrieb genommen wurde und dies im Zweifel auch vor Gericht belegen können.“
Bei dem eingesetzten standardisierten Messverfahren darf die Stadt „nach den bisherigen Erfahrungen auf die Richtigkeit der Messergebnisse vertrauen“. Tatsächlich liege der Stadt derzeit kein Widerspruchs-Verfahren vor, in dem es um Messtechnik oder Messverfahren ginge. „Unabhängig davon steht es natürlich allen Betroffenen frei, gegen einen Bußgeldbescheid Einspruch einzulegen“, so die Verwaltung.