Henstedt-Ulzburg. Die weitaus meisten Teilnehmer protestierten friedlich gegen den Landesparteitag im Bürgerhaus. Was die Bürgermeisterin sagte.
Die Gemeinde Henstedt-Ulzburg hat am Sonnabend erneut Flagge gegen Rechtsextremismus gezeigt. Mit einer Kundgebung und einem einstündigen Demonstrationszug durch den Ort protestierten am Mittag insgesamt 500 Menschen an mehreren Orten gegen die AfD, die erneut im Bürgerhaus ihren Landesparteitag abhielt.
Bürgermeisterin Ulrike Schmidt stellte klar: „Die AfD ist nicht willkommen in Henstedt-Ulzburg.“ Dem bunten Bündnis der Demonstranten rief sie zu: „Schön, dass ihr alle hier seid – herzlich willkommen!“
Demo gegen AfD: Polizei setzt Pfefferspray ein
Die Polizei spricht von einem ruhigen Einsatz, aber auch von einem Zwischenfall. „Am Ende einer Zwischenkundgebung am Bürgerhaus hätten mehrere Personen versucht, eine Absperrung aus Warnbaken und Bauzaunelementen zu durchbrechen“, sagte Polizeisprecher Lars Brockmann. Einsatzkräfte der Polizei setzten nach Angaben Brockmanns körperliche Gewalt und Pfefferspray ein und verhinderten damit einen Durchbruch der Personen. Ein Streifenwagen sei bei den Auseinandersetzungen beschädigt worden, als ein Bauelement auf das Fahrzeug fiel. Der Schaden hielt sich jedoch in Grenzen; es entstanden Lackkratzer.
Außerdem habe ein Unbekannter versucht haben, einen Polizisten anzugreifen und zu schlagen. Dabei habe er den Beamten gestreift. Die Polizei leitete ein Strafverfahren gegen einen bislang Unbekannten wegen versuchten tätlichen Angriffs auf einen Polizeibeamten ein. „Der Beamte blieb unverletzt“, sagte Brockmann.
Von diesen Zwischenfällen abgesehen blieb es bei dem friedlichen und bunten Protest, den die Organisatoren vom Bündnis für Demokratie und Vielfalt in Henstedt-Ulzburg angekündigt hatten. Seit 2019 nutzt die AfD regelmäßig das Bürgerhaus der Großgemeinde für ihre Partei- oder Wahlveranstaltungen. Und jedes Mal sorgt dies für lautstarke Proteste in der Bevölkerung. Das Bündnis organisiert regelmäßig die Gegendemonstrationen mit jeweils einigen Hundert Menschen.
SPD-Bundestagsabgeordnete Bengt Bergt spricht von einem Mega-Erfolg
Diesmal mit dabei war der SPD-Bundestagsabgeordnete Bengt Bergt aus Norderstedt, der sein Wahlkreisbüro in Henstedt-Ulzburg hat. „Es ist ein Mega-Erfolg, dass der Protest mit einem Umzug durch die ganze Gemeinde getragen wird und nicht versteckt am Bürgerhaus stattfindet“, sagte er.
Die vielen Teilnehmer aus unterschiedlichen Organisationen und Gesellschaftsschichten stellten „ein breites Spektrum gegen den Faschismus“ dar, dessen „Sammelbecken die AfD“ hierzulande sei, sagte Bergt. „Das möchte ich nicht in meinem Hinterhof.“
Die Polizei war mit Hunderten Beamten im Einsatz
Etwa 500 Demonstranten zogen nach Angaben von Bündnissprecherin Britta de Camp-Zang lautstark mit Transparenten und Plakaten vom Rathaus über die Hamburger Straße, durch die Lindenstraße und den Kirchweg vorbei am Gewerbegebiet. Dabei skandierten viele „Nazis raus aus Henstedt-Ulzburg“. Der Rückweg führte von Am Bahnbogen zurück zur Hamburger Straße.
Die Polizei spricht von etwa 350 Teilnehmern. Immer wieder stoppte der Zug für Protestrufe, begleitet von Musik und etwa einem Dutzend Polizeifahrzeugen, die den Verkehr stoppten. Die Polizei war mit mehreren Hundert Einsatzkräften von der Polizeidirektion Segeberg und aus Flensburg vor Ort. Die genaue Zahl wollte Polizeisprecher Lars Brockmann nicht nennen.
Bündnis will AfD aussperren - ein für alle Mal
Bereits am Vormittag trafen nach Polizeiangaben 130 Menschen am Bürgerhaus ein, wo die AfD tagte und das Bündnis für Demokratie und Vielfalt eine Mahnwache mit einem Sarg abhielt. Die Veranstalter sprachen von insgesamt 600 Demonstrationsteilnehmern.
Sie forderten die Gemeindevertreter auf, die AfD ein für alle Mal aus Henstedt-Ulzburg auszusperren. Organisatorin de Camp-Zang sagte, zwar habe das Verwaltungsgericht den AfD-Parteitag in der Gemeinde zugelassen. Aber wenn die Politik sich einig sein würde, könnten zum Beispiel kreis-, landes- und bundespolitische Parteitage im Bürgerhaus untersagt werden.
Bürgermeisterin will Gründung einer AfD-Ortsgruppe verhindern
Doch davon hält Bürgermeisterin Schmidt nicht viel. Sie sei froh, dass die AfD in Henstedt-Ulzburg nicht politisch vertreten sei. Nicht dass diese dann etwa noch eine Ortsgruppe gründen würden. „Es liegt an uns, dass die AfD hier nicht Fuß fassen darf“, sagte Schmidt, während sie den zwei Kilometer langen Protestmarsch mitlief. Allerdings müssten nach ihrer Ansicht auch die Ursachen beseitigt werden, die dazu führten, „dass zurzeit so viele Menschen den Rattenfängern der AfD auf den Leim gehen.“
Unter den Demonstranten waren auch wieder ältere Menschen, die sich dem Bündnis „Omas gegen Rechts“ angeschlossen haben. „Es macht mir Angst, dass eine Nazi-Partei wieder so viele Anhänger hat“, sagte die über 80-Jährige Frauke Ludszeweit. „Ich weiß noch, wie es nach dem Krieg ausgesehen hat und wie es angefangen hat.“ Und die 85 Jahre alte Helga Baltschun sagte: „Damals dachten viele noch, der Spuk ist bald vorbei.“
Ehepaar aus mecklenburger Nazi-Hochburg lief bei der Demo mit
Aus der Nähe von Wismar in Mecklenburg war das Ehepaar Birgit und Horst Lohmeyer zur Anti-AfD-Demo nach Henstedt-Ulzburg gekommen. Die beiden sind vor etwa 20 Jahren von Hamburg-St. Pauli in das 40 Einwohner zählende Dorf Jamel gezogen.
Als sie feststellten, dass dort „90 Prozent der Einwohner Nazis“ seien, hätten sie vor 15 Jahren das Festival „Jamel rockt den Förster“ ins Leben gerufen, das für Demokratie und Toleranz und gegen Rassismus und Ausgrenzung eintrete und jedes Jahr einige Tausend Menschen anzöge, erzählten die beiden.
AfD-Kreisvorsitzender: Henstedt-Ulzburg liegt für uns zentral
Ute Kubath (Grüne), die stellvertretende Bürgervorsteherin von Henstedt-Ulzburg, erinnerte an die Attacke eines jungen AfD-Anhängers am Ende der Kundgebung gegen ein Treffen der Partei im Bürgerhaus im Oktober 2020. Damals waren mehrere Demonstranten vom Auto des Mannes angefahren und zum Teil schwer verletzt worden. Über diese gefährliche Körperverletzung wird zurzeit vor dem Landgericht in Kiel verhandelt.
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Der AfD-Kreisvorsitzende Julian Flak betonte dagegen, dass das Gericht den Parteitag mit 150 Mitgliedern genehmigt habe. „Henstedt-Ulzburg liegt für uns zentral“, sagte er und begründete damit aus Sicht der AfD, warum gerade die Großgemeinde als beliebter Treffpunkt gewählt werde. Dass andere zentral gelegene Orte die AfD regelmäßig schlicht ausgesperrt haben, erwähnte er nicht. „In einer Demokratie muss man unterschiedliche Meinungen gelten lassen“, sagte Flak und verwies auf die 1000 Mitglieder, die die AfD inzwischen in Schleswig-Holstein habe.