Norderstedt. Schulen schränken die Nutzung von Smartphones massiv ein – auch in den Pausen. Warum das selbst bei Eltern für Kritik sorgt.
- Nutzungsverbot für Handys während der Schulzeit
- Schule führt Smartphone-Garagen ein
- Bei Verstößen werden Geräte eingesammelt
Immer mehr Schulen schränken die Nutzung von Handys während der Schulzeit ein. Während die schleswig-holsteinische Kultusministerin und stellvertretende CDU-Chefin Karin Prien im neuen Schuljahr Grundschulen eine Empfehlung zum Umgang mit Handys geben will, verschärfen viele Schulen in Norderstedt schon jetzt die Regeln für Smartphones. Kommt jetzt ein Handyverbot?
Im schleswig-holsteinischen Schulgesetz ist ein generelles Verbot elektronischer Medien zwar nicht vorgesehen. Aber: „Nutzungsverbote sind hingegen rechtlich zulässig“, heißt es in einem Schreiben des Bildungsministeriums in Kiel an alle Schulen. Darin wird empfohlen: „Im Unterricht dürfen digitale Endgeräte zu privaten Zwecken nicht genutzt werden.“ Viele Schulen in Norderstedt setzen das bereits um.
Handys verboten – von 8 bis 13 Uhr! Sinnvoll oder utopisch?
„Wir haben auf der Schulkonferenz beschlossen, dass Smartphones in der Kernzeit von 8 bis 13.10 Uhr nicht genutzt werden dürfen – außer in der Oberstufe in deren Bereichen“, sagt Heike Schlesselmann, Leiterin des Coppernicus-Gmynasiums. Eine Ausnahme gilt für Tablets, die als Arbeitsgeräte genutzt werden und in einem abgetrennten Bereich erlaubt sind.
Auch das Lise-Meitner-Gymnasium zieht ab sofort „eine klare Linie, an die sich alle Schülerinnen und Schüler ab sofort zu halten haben“, heißt es in einem Schreiben des Schulleiters Torben Krüger an alle Eltern. „Ein Smartphone ist kein schulnützliches sondern ein rein privates Endgerät und darf lediglich vor 7.45 Uhr sowie nach Unterrichtsende und in den großen Pausen im Forum oder auf dem Schulhof genutzt werden.“
In der übrigen Zeit müsse das Endgerät ausgeschaltet oder im Flugmodus im Schulrucksack, Schließfach oder in der für alle Klassenräume angeschafften „Smartphone-Garage“ verbleiben. Noch in diesem Schuljahr solle dazu eine neue Hausordnung erarbeitet werden. „Nach der jetzigen Hausordnung gibt es zwar bereits ein Handyverbot, diese Regelung musste im Zuge der Corona-Krise jedoch massiv aufgeweicht werden“, sagt Torben Krüger.
Schule in Norderstedt: Handys sollen in Smartphone-Garagen geparkt werden
Das Dilemma sei groß. Denn auf der einen Seite ermöglichten digitale Unterrichtseinheiten Lerngewinne und die Mediennutzung müsse aufgrund ihrer Alltagspräsenz pädagogisch geschult werden – „aber auf der anderen Seite sinken die Aufmerksamkeitsspanne, Konzentrationsfähigkeit und das soziale Lernen massiv, wenn Smartphones ständig privat genutzt werden“, so die Beobachtung am Lise-Meitner-Gymnasium.
Das Smartphone ist für viele Jugendliche inzwischen ein ständiger Begleiter im Alltag geworden. Laut einer Umfrage im Auftrag des Digitalverbands Bitkom haben sechs von zehn Handynutzern zwischen 10 und 18 Jahren (60 Prozent) haben das Gerät immer bei sich. Bei den Älteren von 16 bis 18 Jahren sind es sogar acht von zehn (81 Prozent) Jugendlichen.
Das Problem: „Wissenschaftliche Untersuchungen sehen in einer übermäßigen Handynutzung eine wesentliche Ursache für Konzentrationsdefizite, und auch die kognitive und motorische Entwicklung wird hierdurch nachweislich beeinträchtigt“, heißt es in dem Brief des Bildungsministeriums. Darin wird geraten: „Die Pausenzeiten dienen der Erholung zum Beispiel durch Bewegung, Essen und Trinken, Spielen oder Ruhe. In den Pausen dürfen digitale Endgeräte nur bei besonderen Anlässen benutzt werden, wenn Lehrkräfte dies ausdrücklich erlauben.“
Daddeln in den Schulpausen: Jugendliche bewegen sich immer weniger
Auch die Schulen beobachten das veränderte Verhalten während der Schulpausen mit Sorge. Denn in den Pausen bewegen sich die Jugendlichen kaum noch, essen nicht mehr und reden kaum noch miteinander – weil sie permanent am Handy hängen. „Werden die Pausen wieder in Bewegung an frischer Luft und mit Essen und Trinken sowie Gesprächen verbracht, können alle besser Lernen und alle sind gelassener im Umgang miteinander“, sagt Torben Krüger und hofft auf die Einsicht der Schülerschaft. „Die Jugendlichen sollen verstehen, warum wir das machen – die Regeln sollen von allen mitgetragen werden.“
Aus diesem Grund will das Lise-Meitner-Gymnasium die Richtlinien der neuen Hausordnung, in der es unter anderem um die Smartphonenutzung gehen wird, auch nicht alleine festlegen – sondern gemeinsam mit der Gemeinschaftsschule Ossenmoorpark – „und unter Beteiligung beider Schülervertretungen sowie Schulelternbeiräte.“
Segen oder Fluch? Diskussionen über Handy-Verbot
Kritik an den Plänen kommt von Seiten der Eltern. „Da wurden die Schüler wegen Corona fast zwei Jahre lang in die digitale Lernwelt ‚It’s Learning‘ geradezu hineingeprügelt, und nun das. Damals konnte man ohne Handy oder einer Webcam am PC nicht am Unterricht teilnehmen, alles ging online, die digitalen Geräte waren der Segen der Menschheit. Und nun ist der Umgang mit dem Handy schlecht?“, so eine Mutter vom Lise-Meitner-Gymnasium.
Ihr Fazit: „Verbot im Unterricht: Ja! In den privaten Pausen: Nein!“ Die Welt sei digital, daran können auch krampfhafte Verbote nichts ändern. Mehr Bewegung und mehr persönliche Kommunikation werde dadurch bei den Schülern nicht geben, das sei Illusionen!
Bei Verstößen werden Handys eingesammelt und nach Schulschluss zurückgegeben
Am Lessing-Gymnasium ist der Umgang mit dem Handy in der Schulordnung ebenfalls eindeutig geregelt: „Im Schulhaus ist das Handy auszuschalten, nach Schulschluss dürfen die Schüler und Schülerinnen es auf dem Gelände außerhalb des Gebäudes nutzen“, so Marika Peters, die neue Schulleiterin des Lessing-Gymnasium. Die Oberstufenschüler dürften zudem ihr Handy im Oberstufenaufenthaltsraum nutzen.
„Ein Bewusstsein über das Verbot ist auf jeden Fall vorhanden, Nachlässigkeiten kommen natürlich vor und werden von den Lehrkräften wahrgenommen“, sagt die Schulleiterin. Bei Verstößen werden die Handys eingesammelt und nach Schulschluss wieder ausgegeben.
„Schulungen zum Umgang und Gebrauch von digitalen Endgeräten erfolgen systematisch durch die Versorgung unserer Schüler und Schülerinnen mit Ipads, daher wäre ein Handygebrauch nur für den privaten Gebrauch notwendig. Diesen wollen wir bewusst unterbinden und Schülern einen Schutzraum bieten, um unseren Bildungsauftrag umsetzen zu können und sie in soziale Interaktion zu bringen“, so Marika Peters.
Ein generelles Verbot sei jedoch nicht möglich. „Schülerinnen und Schüler am Lessing-Gymansium brauchen keine Handys für den Schulalltag, dennoch wäre es realitätsfremd, an einem Gymnasium ein Verbot einzufordern, da Erreichbarkeit und Nutzung von Handys außerhalb der Unterrichtszeiten zu unserer Lebenswelt gehören.“
Handyverbot: „Dafür brauchen wir kein publikumswirksames Verbot der Ministerin.“
„Die Idee des Handyverbotes für die Grundschule ist für mich ein Witz“, sagt Nora Bender, Rektorin an der Grundschule Immenhorst. „Zwar betreiben wir digitale Bildung und machen Kinder mit dem Internet vertraut – und weisen auf die Vorteile und Gefahren in diesem Zusammenhang hin – Handys aber sind und bleiben bei uns im Unterricht und während der Zeit in der Betreuung auf dem Schulgelände verboten. Dazu brauchen wir kein publikumswirksames Verbot der Ministerin.“
Auch wenn die Schule „nicht begeistert sei, dass der Umgang mit dem Smartphone und vor allem mit WhatsApp, Tiktok und ähnlichen Apps selbstverständlich geworden ist – wie bei vielen Themen wie Medienkonsum allgemein, Ernährung, Freizeitverhalten sind wir als Schule nur ein Einflussfaktor von vielen, sagt Nora Bender und fügt hinzu: „Wir sehen uns in dieser schnelllebigen Zeit als Schutzraum für die Kinder, in dem das Leben und Lernen mit allen Sinnen und mit echten Erfahrungen groß geschrieben wird.“
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Nicht ohne mein Handy – Smartphones sind ständige Begleiter von Jugendlichen
Noch problematischer als Handys sind für Ingke Rehfeld, Schulleiterin der Offenen Ganztagsgrundschule (OGGS) Heidberg in Norderstedt, Smartwatches. „Ob ein Handy unzulässigerweise im Unterricht genutzt wird, können wir meistens sehen und untersagen. Viel schwieriger ist es aber bei Smartwatches, mit denen im Unterricht Aufnahmen und Fotos gemacht werden könnten“, so die Schulleiterin.
Bei einer Stichprobe an der Grundschule ist herausgekommen, dass bereits die Hälfte der Viertklässler ein eigenes Smartphone hat. „Wir probieren immer wieder die Eltern auf die Probleme aufmerksam zu machen und für die Gefahren zu sensibilisieren“, sagt Ingke Rehfeld. „Zum letzten Infoabend kamen von etwa 400 Müttern und Vätern aber leider noch nicht einmal 40.“