Norderstedt. Manuel Fritzes Buchhandlung am Rathaus hat Tradition. Nun übernehmen neue Besitzer den Laden. Was sich ändert.
In der Buchhandlung am Rathaus wird umgeräumt. Die Kinderbücher stehen nun unten in den Regalen, die Sachbücher eine Etage höher. Daneben entsteht eine gemütliche Sitzecke zum Lesen. Einige Schränke sind noch leer und müssen wieder mit Leben gefüllt werden. Nach 30 Jahren übergibt Inhaber Manuel Fritze seinen kleinen Laden in Norderstedt-Mitte an neue Besitzer.
„Mit einem großen Lachen und viel Freude sage ich: Ich weiß, dass ich die Buchhandlung in gute Hände gebe. Ich bin für die 30 Jahre sehr dankbar“, so der 58-Jährige. Doch nun sei genug. Er möchte sich mehr seinen Hobbys widmen. Der Norderstedter spielt Theater, singt im Chor und wünscht sich mehr Zeit für Wochenendreisen mit seiner Frau.
Norderstedt: Nach 30 Jahren bekommt Buchhandlung am Rathaus neue Eigentümer
Bedenken, dass er sich langweilen könnte, hat er nicht. „Ich bin froh, die Verantwortung und den ganzen Papierkram abzugeben“, sagt er. „Außerdem höre ich ja nicht ganz auf.“ Zehn Stunden in der Woche arbeitet er als Angestellter weiter. Denn sein 110 Quadratmeter kleines Buchgeschäft am Rathausmarkt komplett aufzugeben, das kann er sich nicht vorstellen.
Im Jahr 1993 hat Manuel Fritze den Laden übernommen. Sein Stiefvater, selbst Buchhändler in Hamburg, hatte ihm dazu geraten. „Die Liebe zu Büchern hat sich hier entwickelt. Ich bin schnell heimisch geworden“, sagt er. Für ihn ist es etwas Besonderes, jeden Tag von Büchern umgeben zu sein. „Der Geruch“, schwärmt er und atmet tief ein. „Man fühlt sich wie in einem kleinen, parallelen Universum. Bei tollen Büchern kommt die Außenwelt schwer gegen an.“
Nicht nur Amazon und Thalia machen es Inhabern schwer
Er selbst hat eine Vorliebe für Romane, in denen Musik eine Rolle spielt. Und für Psychothriller von Sebastian Fitzek. Oft zum Lesen ist er zuletzt aber nicht gekommen. „Lesen ist ein zeitaufwendiges Hobby. Vielleicht habe ich zwei bis drei Bücher im Monat geschafft“, sagt er. Bald dürfte er wieder mehr Zeit dafür haben.
Wie die gesamte Buchbranche hat auch Fritze schwierige Zeiten in seiner Buchhandlung durchgemacht. Nicht nur Online-Händler wie Amazon oder Buchketten wie Thalia machen inhabergeführten Geschäften wie seinem das Leben schwer. „Wir erleben gerade unsichere Zeiten“, sagt der gelernte Buchhändler und spielt auf den Ukraine-Krieg, die Energie-Krise und die Inflation an. „Da gehört Lesen nicht zu den ersten Dingen, die lebenswichtig für die Menschen sind“, sagt er.
Buchbranche: Verkauf geht zurück, immer mehr lesen eBooks
Der Verkauf sei zurückgegangen. Die Stammkundschaft werde älter. Auch das Leseverhalten habe sich verändert, sagt Fritze. „Viele lesen keine Bücher mehr, sondern eBooks. Auf ihren Handys haben sie eine halbe Bibliothek gespeichert. Die Leute legen weniger wert darauf, ein Buch in den Händen zu halten.“
Schweren Herzens beobachtet er zudem eine weitere Entwicklung: In den Läden würden immer weniger Mitarbeiter arbeiten. „Früher zu meiner Kindheit wurde man sofort begrüßt, wenn man eine Buchhandlung betreten hat. Heute schlägt der Personalmangel bei inhabergeführten Geschäften voll zu. Sie können sich die Leute nicht mehr leisten“, sagt Fritze.
Kleine Buchhandlung zeichnet sich durch Persönlichkeit aus
All das hat Yvonne Bull und ihren Mann Mathias nicht davon abgehalten, den Buchladen am Rathaus zu übernehmen. Sie mögen das Persönliche und die Nähe zu den Kunden. Hier gibt es keine Massenabfertigung. „Bei uns liegen nicht einfach nur stapelweise Bestseller. Unsere Mitarbeiter bestellen Bücher, die sie selbst gelesen und die ihnen gefallen haben. Sie können die Kunden viel persönlicher beraten“, sagt Yvonne Bull und erzählt von einer beispielhaften Begegnung: „Neulich ist eine Kundin mit vier Büchern nach Hause gegangen, obwohl sie ursprünglich nur eines kaufen wollte. Sie fand die Empfehlungen der Mitarbeiter so toll. Sie wissen, was die Stammkunden gerne lesen.“
Die 54 Jahre alte Norderstedterin hat zuvor unter Fritze gearbeitet und vorwiegend Verwaltungstätigkeiten übernommen. Nun wird ihr Mann Geschäftsführer und sie leitet als Angestellte den Laden. Das Team verändert sich also nicht – nur die Aufgaben. Seit 1. September gehört die Buchhandlung offiziell ihnen. Finanzielle Unterstützung bekommen sie von einem Investor.
„BücherKompass“ will „Young Adult“-Bereich ausbauen
Die Bulls haben ihr Geschäft neu gegründet. Sie kaufen die bereits vorhandenen Bücher ab, erneuern aber die Software, das Logo und den Namen. Künftig wird der kleine Laden „BücherKompass“ heißen. Am Sonnabend, 2. September, von 10 bis 14 Uhr, feiern sie ihre Neueröffnung.
Das Ehepaar will künftig das immer beliebter werdende Genre „Young Adult“ ausbauen und mehr englischsprachige Bücher anbieten. Die Abteilung mit Reiseführern verkleinert sich. Nur noch für eine Region soll es Reisebücher in sämtlichen Formaten und von verschiedenen Verlagen geben. Sie sollen als Beispiele dienen. Wenn der Kunde sich für eine Art von Führer entschieden hat, kann er ihn für seine Wunschstadt bestellen. Meistens sind die Werke am nächsten Tag abholbereit.
Buchhandlung am Rathaus: Künftig soll es mehr Veranstaltungen geben
Auch plant Yvonne Bull, mehr Veranstaltungen in der Buchhandlung durchzuführen. Eine Mischung aus Lyrik und Musik erwartet die Gäste am Dienstag, 5. September, 19 Uhr, beim Lyrischen Foyer. Für ein neues Format will sie eine Buchvorstellung mit einem Whiskey-Tasting kombinieren.
- Seitenweise Mord: Krimi-Nacht in Norderstedt mit Rechtsmediziner Püschel
- Hamburger Buchtipps: Buchhändlerinnen sagen, was man lesen muss
- Longlist für den Deutschen Buchpreis – viele Newcomer
Die Liebe zu Büchern bleibt beim „BücherKompass“ am Rathaus aber unverändert. Diese teilt die vierfache Mutter mit ihrem Vorgänger Manuel Fritze. „Ich liebe es, ein Buch in den Händen zu halten und in andere Welten einzutauchen“, sagt die Buchhändlerin. „Ein gutes Buch kann man nicht mehr aufhören zu lesen.“ Genau dieses schöne Erlebnis möchte sie auch ihren Kunden ermöglichen.