Norderstedt. Viele Bereiche der Norderstedter Stadtverwaltung haben an diesem Freitag geschlossen. Warum die CDU das nicht gutheißt.

Kitas, Hempels, Rathaus und Wertstoffhof: Norderstedter Einrichtungen wie diese bleiben am Freitag komplett geschlossen. Der Grund: Die Stadt organisiert an diesem Tag einen Betriebsausflug für ihre Mitarbeiter. So etwas ist notwendig für das Betriebsklima, aber muss es einen ganz normalen Öffnungstag betreffen und gleich so viele Verwaltungsbereiche? Es gibt einige kritische Stimmen, unter anderem aus der Politik.

Deutlich positioniert sich Robert Hille, CDU-Kandidat für den Posten des Oberbürgermeisters. „Die Arbeits- Service- und Auskunftsfähigkeit einer Stadtverwaltung muss wochentags durchgehend gewährleistet sein“, sagt er. Zwar sei die „Gemeinschaft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“ ein „hohes Gut“. Aber: aus seiner Sicht seinen solche Ausflüge „beispielsweise bereichsweise zu organisieren“.

Norderstedt: OB-Kandidat Robert Hille kritisiert Betriebsausflug

Bürger, die sich etwa über die Schließungen der Kitas ärgern, könne er verstehen. Werde er am 8. Oktober zum Oberbürgermeister gewählt, wolle er „die Handlungsfähigkeit der Verwaltung sowie die Kommunikation mit den Bürgern in den Mittelpunkt rücken“.

Ähnlich wie Hille sieht es Norderstedts CDU-Fraktionschef Peter Holle. Betriebsausflüge seien gut, aber „meines Erachtens müssen dabei nicht gleich alle Bereiche auf einmal lahmgelegt werden“, so der Politiker.

Wohin der Ausflug führt, teilt das Rathaus nicht mit

Wohin die Mitarbeiter fahren, wird auf Anfrage des Abendblatts nicht mitgeteilt. So verfuhr die Pressestelle auch bei früheren Betriebsausflügen. Dennoch sind folgende Einzelheiten bekannt: Teilnehmer können aus einem Angebot von mehreren Ausflügen wählen und zahlen einen Eigenanteil von 20 bis 30 Euro.

Folgende Touren stehen zur Auswahl: Barkassenrundfahrt, Kaffeemuseum, Windjammer „Peking“, Planetarium und die Hamburger Unterwelten. Die Mitarbeiter starten mit mehreren Bussen und treffen sich gegen 17 Uhr zum gemeinsamen Abend in Sierichs Biergarten am Hamburger Stadtpark.

Dort wird Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder um 18 Uhr das Büffet eröffnen. Angesichts des Eigenanteils ist davon auszugehen, dass die Touren aus dem städtischen Haushalt gesponsert werden.

Norderstedt: Mitarbeiter der Stadt sollen sich nicht öffentlich äußern

Mitarbeiter der Stadt sind angewiesen, auch in dieser Angelegenheit sich nicht öffentlich äußern. Selbst die Ziele eines Betriebsausflugs werden offenbar als dermaßen brisant eingestuft, dass niemand dazu etwas sagen möchte. „Ich komme dann in Teufels Küche“, hieß es.

Dass die Verwaltungen von Städten und Gemeinden Betriebsausflüge machen, ist generell üblich – auch in Henstedt-Ulzburg. „Wir machen einmal im Jahr einen Ausflug mit allen Fachbereichen des Rathauses“, sagt Gemeindesprecherin Katharina Bernhardt. Das Rathaus werde dann auch für einen Tag geschlossen, dieses Jahr war das am 7. Juni.

Allerdings gibt es auch einige Unterschiede zu Norderstedt. Die Mitarbeiter der Kitas machen den Ausflug an einem anderen Tag, außerdem werde für den Rathaus-Ausflug „meistens ein Mittwoch“ ausgesucht, so Katharina Bernhardt. Grund: „Das ist der kurze Öffnungstag“, so gehe den Bürgern weniger verloren.

Ausflug oder nicht? Wie es in der privaten Wirtschaft aussieht

Macht keine offiziellen Betriebsausflüge: Tesa in Norderstedt.
Macht keine offiziellen Betriebsausflüge: Tesa in Norderstedt. © FMG | Claas Greite

Und wie sieht es in der privaten Wirtschaft aus? Auf Abendblatt-Anfrage sagt Tesa-Sprecher Falk Sluga: „Die Tesa SE organisiert keine offiziellen Betriebsausflüge. Stattdessen organisieren sich einzelne Teams und Abteilungen in Eigenregie, um Teamevents oder Offsites durchzuführen.“

Ähnlich sieht es bei Jungheinrich aus. Sprecher Benedikt Nufer sagt dazu: „Es gibt tatsächlich keine Betriebsausflüge bei uns“. Dafür sei das Unternehmen mit rund 1500 Beschäftigten in Norderstedt „einfach zu groß“.

Allerdings gibt es auch hier ein Mitarbeiterfest. Nufer nennt es „das Gegenkonzept zum Ausflug“. Dazu kämen noch Veranstaltungen und Workshops einzelner Abteilungen, die aber in erster Linie der Fortbildung dienen. Zum Ausflug der Stadt werde man sich nicht äußern, „das haben wir nicht zu bewerten“, so Nufer.

Magnus Mineralbrunnen: „Bei uns in der Firma wäre so ein Ausflug undenkbar“

Stefanie Teichmann, die bei Magnus-Mineralbrunnen im Vertrieb arbeitet, sagt: „Wenn man mich persönlich fragt: Man bekommt auch ohnehin schon nur schwer einen Termin bei der Stadt, dann auch noch am Freitag für einen Ausflug zu schließen, finde ich schwierig.“

Teichmann weiter: „Bei uns in der Firma wäre so ein Ausflug ohnehin undenkbar. Wir müssen jeden Tag produzieren, wenn da ein Tag ausfallen würde, wäre das eine mittlere Katastrophe. Wir lassen ab und an mal Freitagmittag einen Foodtruck anrollen oder grillen gemeinsam auf dem Hof, so etwas geht schon.“

Celin Boden, Leiterin des Friseursalons Meinecke in Norderstedt, sagt: „Einfach den Laden zuzumachen, das geht bei uns nicht.“ Stattdessen habe man sich darauf geeinigt, einmal im Jahr zusammen mit den anderen Salons ein Betriebsfest zu feiern.

„Dann grillen wir gemeinsam, das ist auch schön für den Austausch untereinander“. Außerdem sei ein Mitarbeiterfest im Vergleich zu einem Ausflug auch für die Mitarbeitenden, die Kinder haben, unkomplizierter.

Bund der Steuerzahler äußerte Kritik – Unterstützung von Dehoga

Auch der Bund der Steuerzahler Schleswig-Holstein hatte bereits in der Vergangenheit Kritik an steuerfinanzierten Betriebsausflügen geübt: „Es ist nicht statthaft, dafür Steuergeld zu verwenden“, sagte Aloys Altmann, Präsident im Bund der Steuerzahler Schleswig-Holstein.

Dadurch werde der Steuerzahler doppelt geschädigt, denn: Wenn das Rathaus geschlossen ist, bekomme er am Tag des Betriebsausflugs ohnehin schon keine Gegenleistung für seinen Steuerbeitrag. Zudem finanziere der Steuerzahler die Betriebsausflüge.

Steuerzahlerbund äußert Kritik

Unterstützung kommt hingegen von Lutz Frank, dem Vorsitzenden des Dehoga-Kreisverbandes: „Ich finde Betriebsausflüge sind sehr wichtig für das Betriebsklima. Dort spricht man dann auch einmal Sachen an, die schon lange in einem brodeln, die man so nicht ausgesprochen hätte“.

Auch mit den Mitarbeitern in seinem Restaurant in Bad Segeberg mache er regelmäßig Betriebsausflüge. „Wie machen ab und zu einen gemeinsamen Grillabend oder eine Tour durch Hamburg, schauen uns andere Lokale an.“ Diese Art des Teambuildings sei ihm sehr wichtig.

Auch Verena Jeske, Bürgermeisterin von Bad Bramstedt, springt den Norderstedtern bei. Sie hält einen Betriebsausflug für sinnvoll. Gemeinsame Aktivitäten außerhalb des Arbeitsplatzes seien notwendig für die Teambildung. „Für mich ist es der Klassenfahrteneffekt, den wir alle noch aus der Schulzeit kennen“, so Jeske.

Schätzt Betriebsausflüge: Verena Jeske, Bürgermeisterin von Bad Bramstedt.
Schätzt Betriebsausflüge: Verena Jeske, Bürgermeisterin von Bad Bramstedt. © Stadt Bad Bramstedt

„Nach einer Fahrt war in der Klasse ein komplett anderes Miteinander und ein viel wertschätzender und freundschaftlicher Umgang miteinander zu spüren. Das ist auch heute so nach Betriebsausflügen.“Dass sich Bürger darüber ärgern könne sie nur insofern nachvollziehen, als dass an dem Tag der Rathausbetrieb ruhe.

Norderstedt: Das sagen Katrin Schmieder und Elke Christina Roeder

Etwas ambivalent klingt Katrin Schmieder, Norderstedts Sozialdezernentin und auch Kandidatin für die OB-Wahl am 8. Oktober. Sie sagt: „Als Oberbürgermeister-Kandidatin ist es mein Ziel, das Rathaus wieder als wichtige Anlaufstelle für die Bürger zu öffnen. Ich höre immer wieder von den Menschen, dass sie telefonisch kaum jemanden erreichen und Termine nur online abgemacht werden können. Das führt zu Unverständnis bei einer Schließung wegen eines Betriebsausfluges.“

Schmieder weiter: „Wäre das Rathaus werktags immer geöffnet, hätten die Menschen bestimmt auch wieder mehr Verständnis für einen Schließungstag.“

OB-Kandidatin Schmieder: Ausflüge stärken das Team

Andererseits findet Schmieder Betriebsausflüge sehr wichtig, weil sie das Team stärken und die Zusammenarbeit fördern. „Das ist nach der Pandemie wichtiger denn je – und davon profitiert letztendlich dann auch der Bürger“, so die Zweite Stadträtin.

Und was sagt die amtierende Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder (SPD)? Sie verteidigt zunächst die Planungen: „Erst einmal halte ich es für richtig und wichtig, dass die Stadtverwaltung als Arbeitgeberin teambildende Maßnahmen für ihre Mitarbeitenden anbietet“, sagt sie.

Oberbürgermeisterin Roeder: „Ich hoffe auf Verständnis der Norderstedter*innen“

Erfahrungsgemäß würden bei solchen Ausflügen Kontakte geknüpft, das verbessere die Zusammenarbeit in der Verwaltung. Daher sei es auch legitim, dass so eine Veranstaltung an einem Wochentag stattfindet.

Roeder sagt aber auch: „Ich kann ich es als Bürgerin nachvollziehen, wenn sich nicht alle Norderstedter*innen vom Betriebsausflug bzw. von den daraus resultierenden Schließungen begeistert zeigen. Ich hoffe dennoch auf Verständnis.“