Segeberger Forst. In diesem Sommer wurden erstmals wieder Wölfe gesichtet. Welche Vorkehrungen getroffen werden und welche Sorgen es gibt.
Er ist keine Märchengestalt mehr, sondern zurück in unserer Realität: der Wolf. Die Rückkehr der Raubtiere hat eine lebhafte Debatte entfacht. Laut einer Studie des Naturschutzbunds finden es 77 Prozent der Deutschen erfreulich, dass der Wolf wieder in den hiesigen Wäldern heimisch wird. Landwirte und Jäger haben allerdings so ihre Probleme mit dem Wolf – die Behörden versuchen, zu helfen.
Mit der Sichtung einiger Wolfswelpen im Segeberger Forst vor einigen Wochen begründet sich das erste dokumentierte Wolfsrudel in Schleswig-Holstein seit mehr als 150 Jahren. „Wölfe sind Teil des heimischen Ökosystems und der Biodiversität“, so Matthias Kissing, Sprecher Umweltministeriums in Kiel.
Die Landesbehörde geht davon aus, dass die Population, genau wie in anderen Bundesländern, weiter ansteigen wird. Kissing: „Wie genau sich diese entwickeln wird, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab – eine seriöse Prognose lässt sich hier schlecht geben.“
Kreis Segeberg: Wolf im Forst – Das sagen Jäger und Landwirte
Der Schmalfelder Landwirt Timo Schütt hat eine klare Meinung zur Rückkehr des Wolfes. Zweimal kam ein Tier auf sein Grundstück und riss seine Schafe. Beim ersten Mal tötete er vier, beim zweiten Mal holte er sich eines. Da der 32-Jährige keinen Wolfszaun besaß, bekommt er für seine fünf Schafe keine Entschädigung. „Beim zweiten Mal hat der zuständige Wolfsberater dann einen Wolfsschutzzaun bestellt“, so Schütt.
Dieser sei auch nach wenigen Tagen bei dem Landwirt angekommen, die Kosten werden vom Umwelt-Ministerium übernommen. Aufbau und Instandhaltung sei allerdings Aufgabe des Schäfers. „Der Zaun muss regelmäßig freigemäht werden, das ist nicht wenig Arbeit.“
Seine Meinung zum Wolf: „Die brauchen wir hier nicht. Deutschland ist viel zu dicht besiedelt. Es ist doch nur eine Frage der Zeit, bis ein Hundehalter beim Spaziergang angegriffen wird.“ Auch den tatsächlichen Nutzen eines Wolfszauns bezweifle er. „Im Zweifel springt der Wolf einfach darüber oder buddelt sich darunter durch“, sagt er. Im Internet kursieren Videos, die zeigen sollen, dass Wölfe immer wieder auch über Schutzzäune springen.
Vorsitzender der Kreisjägerschaft blickt mit einer gewissen Sorge in die Zukunft
Der Vorsitzende der Segeberger Kreisjägerschaft, Heino Burmeister, sagt, bis jetzt gebe es noch keine großen Probleme. Noch hätten sich auch keine wütenden Landwirte oder Schäfer an den Verein gemeldet. Doch auch er und viele seiner Vereinsmitglieder blicken mit einer gewissen Sorge in die Zukunft. „Was ist, wenn es in Schleswig-Holstein einmal so wird, wie in Brandenburg? Dort gibt es mittlerweile so viele Wölfe wie in ganz Schweden“, sagt er.
Wenn der Wolf in das Jagdrecht aufgenommen würde, wie es der Landtag gerade anstößt, erwartet Burmeister nicht unbedingt Erleichterungen. Im Gegenteil. Burmeister und die Jäger fürchten, dass die Verantwortung auf sie abgeschoben würde.
„Wenn Wildschweine ein Maisfeld verwüsten, bleibt der Schadensersatz am Ende oft beim zuständigen Jäger hängen.“ Die Jäger würden fürchten, dass in Zukunft auch die Schäden durch Wolfsrisse an Nutztieren auf sie zurückfallen könnten.
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Burmeister: Rehe oder Hasen können in Wolfszäunen hängen bleiben
Und auch die Jägerschaft zweifelt an der Sinnhaftigkeit des Wolfszauns. „Wie oft haben wir Rehe oder Hasen, die in den Zäunen hängen bleiben“, sagt er. „Ich habe nichts gegen den Wolf, aber alles in Maßen“, sagt er. Man müsse die Population kontrollieren.
Burmeister würde sich auch deutlich mehr Kommunikation von Seiten der zuständigen Behörden wünschen. „Wir wissen eigentlich gar nichts. Wir wissen nur, was uns einzelne Jäger erzählen, die in das Wolfsmonitoring eingespannt sind“, sagt Burmeister. „Wir Jäger sind die einzigen Naturschützer, die auch eine Prüfung abgelegt haben. Die Leute beim Naturschutzbund müssen keine Prüfung ablegen, trotzdem werden wir oft außen vor gelassen“, erklärt er.
Das Ministerium für Umwelt weist Vorwürfe zurück
Das Landesministerium für Umwelt teilt derweil mit, es habe die Lage unter Kontrolle. „Es ist die Aufgabe von Gesetzgebung und im weiteren von Verwaltung, Spannungsverhältnisse aufzulösen und unterschiedliche Interessen zusammenzuführen. Mit den Wolfspräventionsgebieten tun wir als Land genau das“, sagt von Matthias Kissing. Demnach seien, bis auf wenige Ausnahmefälle, die Nutztierrisse rückläufig.
Auch den Vorwurf der ausbleibenden Kommunikation mit den Jägern weist das Ministerium – wieder sehr förmlich – zurück: „Das Land – insbesondere das Ministerium für Umwelt und Natur, das Ministerium für Landwirtschaft und das Landesamt für Umwelt – informieren regelmäßig und sehr transparent über neue Entwicklungen beim Thema Wolf“, so Kissing.
Naturschutzbund NABU sieht keine Gefahr der Überpopulation
So könnten die Jägerschaften auf öffentliche Publikationen des Ministeriums zurückgreifen oder die Pressearbeit der Behörden verfolgen. „Darüber hinaus steht das Landesamt für Umwelt stets für einen Austausch zu Verfügung“, sagt Kissing.
Der Kreisverband des Naturschutzbundes (NABU) sieht – zumindest im Kreis Segeberg – nicht die Gefahr der Überpopulation, oder dass es irgendwann einmal so sein wird wie in Brandenburg. „Wir haben hier viel zu wenig Forst, als dass es hier mehr als zwei Rudel geben könnte“, so der Kreisvorsitzende Christoph Kröger.
Der Naturschutzbund veranstaltet auch einen Vortrag rund um das Thema Wölfe im Kreis Segeberg. Unter dem Titel „Der Wolf – was nun?“, gibt es viel zum Spannungsfeld Wolf und Mensch, die aktuelle Situation im Landkreis und natürlich auch zum Wolf selbst zu lernen. Im Anschluss gibt es eine Diskussionsrunde.
Der Vortrag findet am Donnerstag, 31. August, 19 Uhr, in der Stadtbücherei, An der Eiche 30, in Wahlstedt statt. Es spricht Jens Matzen, Koordinator Wolfsbetreuung des Landes SH. Christoph Kröger moderiert. Der Eintritt ist frei.