Norderstedt/Kiel. E-Rezepte funktionieren jetzt auch über die Gesundheitskarte. Ärzte und Apotheker sagen wo es noch Probleme gibt.

Es soll Patienten das Leben erleichtern, Abläufe sicherer machen und nebenbei auch noch die Umwelt schonen: das elektronische Arztrezept, kurz E-Rezept. Viele Arztpraxen bieten es schon an, ab 2024 sind sie dazu verpflichtet. Und die Einsatzmöglichkeiten sind jetzt schon einmal ausgeweitet worden. Seit Juli ist es möglich, ein E-Rezept über die elektronischeGesundheitskarte zu bekommen und einzulösen. Bisher ging das nur mit einer besonderen Handy-App.

In den Apotheken gibt es dafür, an den Bedienplätzen, spezielle Lesegeräte – so auch in der Erlen-Apotheke in Norderstedt. „Das funktioniert super“, sagt Inhaberin Stephanie Suhrbier. Ihre Apotheke setzt schon länger auf das E-Rezept, war schon in der Testphase dabei. Wie sie sagt, komme allerdings noch immer „der Großteil der Kunden“ mit dem altbewährten rosafarbenen Zettel. Bisher.

Norderstedt: Jetzt auch per Karte – Was das E-Rezept den Patienten bringt

Mit so einem Gerät wird die Karte in der Apotheke eingelesen.
Mit so einem Gerät wird die Karte in der Apotheke eingelesen. © dpa | Fabian Sommer

Das soll nach und nach anders werden. Ziel der Bundesregierung ist es, einen immer größeren Teil der Verschreibungen komplett digital abzuwickeln. Dass das jetzt recht einfach mit der Gesundheitskarte der gesetzlichen Krankenkassen möglich ist, soll mehr Patienten dazu ermuntern.

Was ist das E-Rezept überhaupt – und was haben Patienten davon? Neu ist, dass die Daten bei diesem Verfahren nur noch digital ausgetauscht werden, zwischen Arztpraxen, Apotheken und Krankenkassen. Der Arzt stellt also ein E-Rezept aus und hinterlegt es dann digital, auf einem Server der Gesellschaft „Gematik“. Die wurde eigens zu diesem Zweck gegründet, von der Bundesregierung, der Bundesärztekammer und einigen anderen Akteuren aus dem Gesundheitswesen.

Bestimmte Praxisbesuche können sich Patienten sparen

Über dieses System ruft dann auch die jeweilige Apotheke das Rezept auf und gibt das Medikament heraus. Der Patient muss der Apotheke allerdings den Schlüssel dazu in die Hand geben – entweder in Form der Gesundheitskarte, oder er nutzt die App der Gematik, die kostenfrei heruntergeladen werden kann, etwa im Apple- oder Google-Store.

Der Vorteil für den Patienten: Er kann sich bestimmte Arztbesuche sparen. Wenn er zum Beispiel nur ein Folgerezept braucht, kann er in der Praxis anrufen, die dann das Rezept auf dem Server hinterlegt. Oder er nutzt die Videosprechstunde, die immer mehr Praxen anbieten. Auch in diesem Fall muss er das Rezept nicht mehr abholen.

Gang in die Apotheke weiterhin nötig – es sei denn, man nutzt die App

Man kann auch die App nutzen.
Man kann auch die App nutzen. © MIS | Bernd Feil/M.i.S.

Der Gang in die Apotheke ist weiterhin nötig – zumindest dann, wenn man die Karte nutzt. Das Medikament kann aber auch ein Angehöriger abholen. Nutzt der Patient aber die App, kann er damit sogar das Rezept an die Apotheke weiterleiten, damit diese es ihm dann nach Hause liefert – sofern sie diesen Service anbietet. Gut, wenn man nicht das Bett verlassen kann.

Nur: Die App ist vergleichsweise kompliziert in der Nutzung, es ist dafür auch eine spezielle PIN notwendig, die man bei der Krankenkasse erhält. „Das Gros der Patienten, die das E-Rezept verwenden, nutzen bisher die Karte“, sagt Dr. Felix-Alexander Litty, Geschäftsführender Apotheker der Apothekerkammer Schleswig-Holstein.

Er findet das E-Rezept gut, sieht „viele Vorteile“ darin. Etwa, dass das E-Rezept fälschungssicherer sei als die rosafarbenen Zettel. Außerdem sei es für die Patienten bequemer. Das digitale Verfahren werde aus seiner Sicht eines Tages Standard sein, ähnlich wie beim Online-Banking. „Irgendwann können wir uns nicht mehr vorstellen, dass wir mal Zettel ausgefüllt haben“, sagt er. Den Apotheken sei es bisher „gut gelungen, sich umzustellen.“

Norderstedter Hausarzt: Technische Probleme und Honorierungsprobleme

Dr. Svante Gehring, Hausarzt in Norderstedt und Vorstand der Ärztegenossenschaft Nord.
Dr. Svante Gehring, Hausarzt in Norderstedt und Vorstand der Ärztegenossenschaft Nord. © Privat

Weniger positiv klingt Dr. Svante Gehring, Hausarzt in Norderstedt und Vorstand der Ärztegenossenschaft Nord. „Theoretisch finde ich das Prinzip gut. Aber es kostet uns viel Kraft in der Praxis. Und es gibt Probleme bei der Honorierung“, sagt er.

Zunächst gebe es immer wieder technische Probleme. „Die Technik und die Abläufe sind unheimlich anfällig“, sagt er. Trete ein Fehler auf, wisse er erst einmal nicht, ob es an der Praxissoftware, dem Router oder der Gematik-Infrastruktur liege. „Und dann sind wir schnell erst einmal wieder beim Papier“, sagt er.

Dann die Honorierung: „Das Vergütungssystem kommt der technischen Entwicklung nicht hinterher“, beklagt er. Bestimmte Dienstleistungen würden schlicht nicht von den Kassen bezahlt, wenn sie rein digital ablaufen. Er nennt ein Beispiel: „Wenn ein Patient anruft und ein E-Rezept möchte, und ich das dann ausstelle und ins System einspiele, kann ich das nicht abrechnen.“ Deshalb würden manche Praxen dann doch darauf pochen, dass die Patienten bei ihnen vorstellig werden.

Warum Svante Gehring Videosprechstunden sinnvoll findet

Etwas anders ist es bei den Videosprechstunden. Diese werden honoriert – mit 80 Prozent des üblichen Satzes. Auch Svante Gehring bietet diese Sprechstunden an. „Die machen schon jetzt etwa zehn Prozent der Akutsprechstunden aus“, sagt er. Das Verfahren habe Vorteile, etwa müssten „infektiöse“ Patienten nicht in die Praxis kommen.

Das Verfahren bewährte sich schon in der Corona-Zeit. Und es eigne sich gut für bestimmte Fälle, etwa bei eher leichten Beschwerden und dann, wenn nur Laborwerte besprochen werden sollen. „Bei größeren Beschwerden und bestimmten Alarmzeichen raten wir den Patienten dann natürlich, in die Praxis zu kommen. Aber die Patienten können das meistens selbst gut einschätzen“, sagt Svante Gehring.

Ein Gegner der Digitalisierung im Gesundheitswesen ist er also keineswegs. „Wir stellen hauptsächlich E-Rezepte aus, sofern die Technik funktioniert“, sagt er. Aber die Systeme müssten störungsfreier werden, und er pocht auf eine Anpassung der Honorierungen an die neue Zeit.

Apothekerin: „Brauchen eine krisenfeste Internet-Struktur“

Stephanie Suhrbier hat bisher keine Probleme mit der neuen technischen Infrastruktur gehabt. Aber auch sie sagt: „Es kommt jetzt mehr denn je darauf an, dass das Internet funktioniert. Was passiert denn, wenn der Server der Gematik ausfällt, zum Beispiel an einem späten Nachmittag oder vor einem Wochenende?“

Ihrer Meinung nach ist eine „stehende Internetstruktur, die gut funktioniert“, nötig. Denn es gebe ja auch Stromausfälle in Deutschland. Suhrbier: „Das System muss unbedingt krisenfest sein.“