Norderstedt. Neubau an der Europaallee in Norderstedt verzögert sich um viele Jahre. Polizisten genervt, Stadtverwaltung äußert sich nicht.
Im Jahr 2019 war die Freude bei den Norderstedter Polizisten noch groß: In spätestens sieben Jahren könnten die Beamten der Schutzpolizei und der Kripo ihr hoffnungslos marodes Dienstgebäude an der Europaallee verlassen und nebenan in einen modernen Neubau umziehen. Inzwischen steht fest, dass die Beamten noch weitere acht Jahre in dem alten Gebäude weiterarbeiten müssen – unter unzumutbaren Bedingungen.
Die Mängel sind weiter gravierend: Regelmäßig platzen Wasser- und Abwasserleitungen. Die Küche der Kripo musste grundsaniert werden, nachdem dort Fäkalien in die Schränke gelaufen waren. „Die Toiletten laufen regelmäßig über“, berichtet der Hausherr und Revierleiter, Polizeioberrat Florian Born. Die Folge: Im gesamten Gebäude breitet sich Gestank aus.
Polizei Norderstedt: „Kaum auszuhalten“ – bei der Kripo laufen die Toiletten über
Außerdem wurde das sogenannte Schießkino nach einem Wasserschaden gesperrt. Wenn die Polizisten ihre regelmäßigen Übungen absolvieren wollen, müssen sie mit enormen Zeitaufwand zu ihren Kollegen nach Itzehoe fahren. Außerdem ist es im Sommer in den Räumen unerträglich heiß und im Winter kalt, weil die Kapazitäten der Heizung nicht ausreichen.
Ungelöst sind auch weiterhin die Sicherheitsprobleme: Vom Foyer aus können Kriminelle nahezu ungehindert in den Arbeitsbereich der Polizisten eindringen. Die Zellen im Keller sind nur über eine Treppe zu erreichen – ein großes Sicherheitsrisiko, wenn die Beamten dort einen Menschen unterbringen müssen, der sich heftig wehrt.
Bei der Polizei Norderstedt werden die Sicherheitsstandards nicht eingehalten
Außerdem fehlen jede Menge Büros, Räume für Anzeigenaufnahmen unter Wahrung des Datenschutzes und ein Zimmer für sogenannte Erstmaßnahmen, in dem Polizisten Festgenommene befragen und ihre Identität feststellen können, ohne fürchten zu müssen, mit dem nächstbesten Stuhl oder Kugelschreiber attackiert zu werden. Eine Brandmeldeanlage, die inzwischen überall Standard ist, sucht man bei der Polizei in Norderstedt vergebens.
„Viele Kollegen empfinden die Situation als Ausdruck mangelnder Wertschätzung“, sagt Born, der vom Land erfahren hat, dass der Neubau frühestens in acht Jahren eingeweiht werden könne. Bei seinen Kollegen sei der Frust groß, weil sie noch geraume Zeit unter Bedingungen arbeiten müssen, die kaum noch auszuhalten sind. Born kritisiert außerdem die völlig veralteten Sicherheitsstandards.
„Das ist manchmal kaum auszuhalten, die Kollegen sind desillusioniert“
Auch sein Kollege Uwe Brümmer, Chef der Norderstedter Kripo, hält die Arbeitsbedingungen für kaum noch akzeptabel. „Das ist manchmal kaum auszuhalten, die Kollegen sind desillusioniert“, sagt er. „Wir haben für die Probleme kein Verständnis mehr.“
Die Planungen für den angeblich bevorstehenden Neubau hatten zunächst dazu geführt, dass nach 2019 kaum noch in das Dienstgebäude investiert wurde. Jetzt haben die Verzögerungen dazu geführt, dass das Land doch noch Geld bereitstellt, um in dem Bau aus den 70er-Jahren die gröbsten Mängel zu beheben. Auch der Dienstherr, das Land Schleswig-Holstein, hat offenbar erkannt, dass seine Beamten nicht mehr warten können, bis das neue Gebäude fertig ist. Der Neubau soll nebenan auf dem Grundstück entstehen, auf dem noch das Finanzamt steht.
Wer ist schuld an den jahrelangen Verzögerungen?
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) spricht mit Blick auf das Gebäude von einem Desaster. Das Gebäude sei stark sanierungsbedürftig und weise Mängel in der Substanz auf, schreibt die GdP-Ortsgruppe Segeberg-Pinneberg auf ihrer Homepage.
Aber wer ist schuld an den jahrelangen Verzögerungen? Noch vor wenigen Jahren hatten sich das Finanzministerium als Geldgeber und die Stadt Norderstedt als Behörde für den Bebauungsplan gegenseitig verantwortlich gemacht. Inzwischen will sich die Stadtverwaltung nicht mehr konkret äußern. Die Bauplanung liegt allerdings in ihrer Verantwortung.
Finanzministerium verweist auf die Zuständigkeit des Norderstedter Rathauses
„Seitens der Stadtverwaltung gibt es keine neuen Informationen, die wir Ihnen an die Hand geben können“, antwortet die Stadt auf Nachfrage des Abendblatts und rät, Anfragen bei der Polizei zu stellen. Doch dort ist naturgemäß unbekannt, welchen Planungsstand die Stadt erreicht hat.
Das Finanzministerium verweist hingegen an die Stadt. Dort laufe derzeit das Verfahren zur Änderung des Bebauungsplans, sagte die Sprecherin des Ministeriums, Kathrin Mansfeld. Sie rechnet mit einer Verfahrensdauer von etwa ein bis zwei Jahren. „Parallel dazu wird das Vergabeverfahren für den Fachplaner vorbereitet“, sagt sie.
Norderstedt: Gewerkschaft der Polizei kritisiert die Arbeitsbedingungen
Sebastian Kratzert von der GdP-Regionalgruppe weiß Hintergründe. „Baumaßnahmen sind unter anderem an statischen Problemen gescheitert“, schreibt er auf der Homepage. Offenbar beschäftige das für landeseigene Gebäude verantwortliche Gebäudemanagement Schleswig-Holstein (GMSH) keine eigenen Statiker.
„Die Bedeutung angemessener Arbeitsbedingungen für die Reputation der Landespolizei und die Zufriedenheit und das Selbstwertgefühl der Kolleginnen und Kollegen wird oft unterschätzt“, sagt der GdP-Landesvorsitzende Torsten Jäger. „Deshalb ist es überfällig, dass auch in Norderstedt endlich Fortschritte zu verzeichnen sind. Wir sehen Handlungsdruck und werden nicht müde werden, Defizite zu kritisieren.“
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Um die jetzt geplanten Arbeiten im Altbau zu erledigen, müssen die Polizisten demnächst für ein halbes Jahr in Container umziehen. Born hofft, dass mit dem Umbau des Foyers und anderen Sanierungsmaßnahmen noch in diesem Jahr begonnen wird.