Kreis Segeberg. Weil es viel zu trocken ist, kämpfen viele Tiere ums Überleben. Warum immer mehr Jungvögel aus ihren Nestern springen.

Vögel, die ihre Jungen aus den Nestern werfen, hungerleidende Igel, durstiges Wild, ums Überleben kämpfende Amphibien: Viele Tiere haben unter den Auswirkungen von Hitze und Trockenheit zu leiden. Im Raum Norderstedt sind vor allem die Eichen stark gefährdet, weil sie nachts von Insekten befallen werden. Naturschützer sind alarmiert: „Dieser Frühling ist eine Katastrophe für die Natur“, sagt Naturschutzbund-Referent Thomas Behrends.

Die Naturschützer sind in großer Sorge: Die Teiche trocknen so früh aus wie nie zuvor, die Vegetation vertrocknet, die Grundwasserstände sinken permanent und konnten durch die Regenfälle im Winter nicht ausgeglichen werden.

Trockenheit – dieser Frühling hat grausame Folgen für die Natur

Eine Kettenreaktion hat sich in Gang gesetzt. „Wenig Wasser heißt wenig Insekten, was wiederum deren natürliche Fressfeinde beeinflusst“, sagt Martina Gremler vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). „Insekten sind ja ohnehin schon massiv vom Artenschwund bedroht.“

Vögel ernähren sich und vor allem ihre Jungtiere mit Insekten und Würmern. Wird der Boden trockener, ziehen sich diese in tiefere Bodenschichten zurück und können den Vögeln so nicht als Nahrung dienen. Über einige Folgen wurde bereits berichtet: Störche haben begonnen, ihren Nachwuchs aus dem Nest zu werfen, weil es an Nahrung fehlt.

Igel finden derzeit wegen der Trockenheit nur wenig Nahrung. Ihre Lieblingsspeise sind Regenwürmer und Schnecken. In diesen trockenen Tagen brauchen auch die Tiere dringend Trinkwasser und Abkühlung.
Igel finden derzeit wegen der Trockenheit nur wenig Nahrung. Ihre Lieblingsspeise sind Regenwürmer und Schnecken. In diesen trockenen Tagen brauchen auch die Tiere dringend Trinkwasser und Abkühlung. © dpa | Karl-Josef Hildenbrand

Vogelküken springen aus den Nestern, weil es dort zu warm ist

Aber nicht nur Störche leiden unter dieser Situation. Im Wildtier- und Artenschutzzentrum Klein Offenseth-Sparrieshoop im Kreis Pinneberg werden zurzeit neben Storchenküken auch junge Dohlen, Schwalben und Spatzen gepflegt und aufgepäppelt. Sie alle wurden hilflos aufgefunden und dort abgeliefert.

„In den Nestern wird es auch viel zu warm“, sagt Stationsleiter Christian Erdmann. „Wenn sie zum Beispiel, wie bei den Schwalben, unter Dachvorsprüngen angelegt wurden, herrschen dort Temperaturen von bis zu 60 Grad. Dann springen die Jungen heraus und liegen unten.“ Wegen des Fressmangels seien die Küken oft nur mangelhaft ausgebildet, es fehle die Brustmuskulatur.

Für das Rehwild ist die Lage ernst, aber noch nicht dramatisch

Gartenbesitzer mögen sich über ausbleibende Schnecken freuen, Igel hingegen leiden: „Die fressen Schnecken“, sagt Christian Erdmann, „aber Schnecken gibt es kaum. Viele untergewichtige Igel können deshalb auch keine Milch produzieren.“ Der Kreislauf der Natur hat in diesem Frühjahr grausame Folgen.

Ähnliche Erfahrungen werden auch im Wildpark Eekholt gemacht, wo es ebenfalls eine Pflegestation für Wildtiere gibt. „Wir bekommen viele Anrufe von Leuten, die aus Nestern gefallene oder geschubste Vogeljunge entdeckt haben“, sagt Wolf-Gunthram Freiherr von Schenck, Geschäftsführer des Wildparks. Die Lage für das Rehwild in der freien Natur bewertet von Schenck als „ernst, aber noch nicht dramatisch“.

Vorsicht beim Sprengen des Gartens. Naturschützer fordern Zurückhaltung, um kein Wasser zu verschwenden. In Niedersachsen wurde der private Wasserverbrauch in einigen Landkreisen eingeschränkt.
Vorsicht beim Sprengen des Gartens. Naturschützer fordern Zurückhaltung, um kein Wasser zu verschwenden. In Niedersachsen wurde der private Wasserverbrauch in einigen Landkreisen eingeschränkt. © Frank Knittermeier

Bund: „Ein Trauerspiel, es steht schlecht für einige Lebewesen“

Im Wildpark selbst werde viel Wasser in die Gehege transportiert, insgesamt aber sei der waldreiche Park vor intensiver Sonneneinstrahlung weitgehend geschützt. Zudem führe die hindurchfließende Osterau noch ausreichend Wasser.

Der Frühling sei völlig aus dem Tritt gekommen, erklärt Thomas Behrends vom NABU Schleswig-Holstein. Vor allem im Süden von Schleswig-Holstein, also in den Kreisen Pinneberg, Segeberg, Stormarn und Herzogtum Lauenburg, sinke der Grundwasserspiegel seit Jahren, was sich auf viele Tierarten auswirke. „Neben Vögeln leiden daher auch Amphibien und Insekten unter dem trockenen, warmen Wetter“, sagt der Naturschutzreferent. „Ein Trauerspiel, es steht schlecht für einige Lebewesen.“

Nachtschmetterlinge befallen Eichen und können sie zum Eingehen bringen

Während viele Insekten in diesen Wochen verschwinden, weil sich ihre Larven nicht richtig entwickeln konnten, profitieren Nachtschmetterlinge von der bestehenden Situation – zum Nachteil von Eichen. „Die werden,“, so Thomas Behrends, „nachts von diesen Schmetterlingen befallen.“

In normalen Jahren sei das kein Problem, weil die robusten Eichen das ausgleichen könnten. Aber die Trockenheit in diesem und in den vergangenen Jahren seit 2018 habe den Bäumen zu schaffen gemacht. „Dieses Spiel wiederholt sich Jahr für Jahr, dadurch können die Eichen eingehen.“ Vor allem im Raum Norderstedt und Duvenstedt gebe es bereits viele stark geschädigte Eichen.

In Niedersachsen wurde in einigen Landkreisen die Wassernutzung bereits eingeschränkt

Thomas Behrends plädiert für einen anderen Umgang mit dem Wasser. Das Sprengen von Rasenflächen sei tabu, im Winter müsse Wasserbevorratung betrieben werden, Gartenbesitzer sollten sich zum Beispiel Zisternen zulegen. Diesen Appell richtet er auch an die Landwirte: „Es muss komplett umgedacht werden.“

Wie der NDR berichtet, wurden in Niedersachsen in einigen Landkreisen und Gemeinden die Wassernutzung für Privathaushalte eingeschränkt. In weiteren Kreisen, auch in Mecklenburg-Vorpommern, werde darüber nachgedacht.

Trockenheit: Dieser Frühling hat grausame Folgen für die Natur

Der BUND fordert auch das Land, die Städte und Gemeinden zum Umdenken auf. „Im Großen muss die Politik Moore vernässen und Gewässern die Möglichkeit des natürlichen Mäanderns wieder geben, dann gibt es mehr Wasser in der Landschaft, was allen Lebewesen gut tut“, sagt BUND-Sprecherin Martina Gremler. „Mehr Rückhaltebecken für Wasser, mehr Trinkwasserschutzgebiete und insgesamt mehr Wasser in der Landschaft sind sinnvoll und würden allen Bewohnern, Tieren und Pflanzen im ganzen Land zu Gute kommen.“

Sie empfiehlt, in den Gärten insektenfreundiche Wasserstellen anzulegen. „Wenn man Gießen muss, dann lieber alle paar Tage etwas mehr, weil die Pflanzen dann tiefere Wurzeln ausbilden. Direkt an der Erde gießen und nicht von oben, spart auch Wasser.“

Die hohen Temperaturen verschärfen aus Sicht von Tierschützern das Elend von Transporttieren. Schweine und Rinder kämpfen, so die Tierrechtsorganisation Peta, in überfüllten Fahrzeugen in großer Hitze um ihr Leben. Hierzulande dürften Transporte bei bis zu 30 Grad maximal 4,5 Stunden dauern. Für Transporte in der EU gelte, dass Rinder erst nach 29 Stunden zum ersten Mal den Lkw verlassen müssen.