Norderstedt. Wer pflegen will, muss parken – unter Zeitnot auch im Halteverbot. Wie Politik Pflegediensten in Norderstedt helfen will.

Die Situation ist extrem belastend: Bei Hausbesuchen von pflegebedürftigen Menschen finden ambulante Pflegedienste oft keine Parkplätze, so dass sie in zweiter Reihe oder im Parkverbot halten müssen – und dafür Strafzettel kassieren. Denn eine zeitaufwendige Suche nach einem Parkplatz oder ein weit entferntes Parken ist bei den sowieso schon engen Zeitplänen kaum möglich. „Es ist eine Katastrophe“, sagt Martina Sommer von der Norderstedter Niederlassung des Tabea Diakonie Pflegedienst.

Doch das soll sich jetzt ändern: Die Fraktion Freie Wähler hat auch im Namen der Fraktionen von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, WiN, FDP sowie Die Linke und des Seniorenbeirates Norderstedt den Antrag gestellt, die Parkplatzproblematik von Pflegediensten bei der Sitzung des Hauptausschusses am 5. Juni auf die Tagesordnung zu setzen.

Norderstedt: Parkplatz-Stress für Pflegedienste – und ständig Strafzettel

„Wir appellieren an die Norderstedter Verkehrsbehörde, sich mit dem Thema der Parkplatzproblematik von Pflegediensten in unserer Stadt erneut auseinanderzusetzen“, heißt es in dem Appell.

„Da wir gegenüber der Verkehrsbehörde nicht weisungsbefugt sind, können wir keinen Antrag stellen, sondern setzen auf diesen Appell“, sagt Thomas Thedens, Fraktionsvorsitzender Freie Wähler, der für sein Anliegen alle Fraktionen – außer der AFD – und den Seniorenbeirat mit ins Boot geholt hat.

Kein Parkplatz: Zu 80 Prozent wird im Halteverbot abgestellt

Das Problem: Wegen des demografischen Wandels gibt es immer mehr pflegebedürftige Menschen, die auf häusliche Pflege angewiesen sind. Für ihren Einsatz benötigen die ambulanten Pflegedienste ein Auto – und Parkplatzmöglichkeiten in der Stadt. Doch Parkraum wird immer knapper.

Die Folge: „Bei etwa 80 Prozent unserer Einsätze gibt es keine andere Möglichkeit, als die Autos im Parkverbot oder auf vermieteten Parkplätzen abzustellen“, sagt Janette Potsch vom Pflegedienst Claussen. Doch: „Dafür erhalten die Mitarbeiter häufig einen Strafzettel, den die meisten von ihnen dann auch noch selbst bezahlen müssen“, so Martina Sommer vom Tabea Diakonie Pflegedienst.

Parkplatzsuche minimiert die Zeit beim Patienten

„Das erhöht nicht gerade die Attraktivität des Pflegeberufes. Doppelt fatal in Zeiten von Fachkräftemangel und eines stetig steigenden Pflegebedarfs“, heißt es in dem gemeinsamen Appell der Fraktionen und des Seniorenbeirates Norderstedt. Zudem verringere die Parkplatzsuche die verbleibende Zeit bei den Patienten. Und weiter: „Jeder Hausbesuch ist zeitlich getaktet und es ist für viele Pflegedienste eine kaum noch zu bewältigende Herausforderung, die Anzahl der zu Pflegenden in immer weniger Zeit zu betreuen.“

Ziel des Appells ist es, die Arbeit der Pflegedienste zu erleichtern und „Spielräume“ zu nutzen, wie es andere Städte bereits tun, zum Beispiel Hamburg, Dortmund, Rendsburg, Kiel oder Berlin. „Die Straßenverkehrsordnung regelt in Paragraf 46 Ausnahmegenehmigungen. Hier hat jede Kommune, jede Stadt, die Möglichkeit, entsprechende Genehmigungen zur Unterstützung der Arbeit von Pflegediensten zu erteilen“, steht in dem Schreiben an den Vorsitzenden des Hauptausschusses.

Immer mehr Menschen sind auf ambulante Pflege angewiesen – so wie diese Seniorin, der ein Kompressionsverband angelegt wird. Doch die Zeit für die Betreuung wird immer knapper, weil die Mitarbeiter der Pflegedienste oft wertvolle Zeit mit der Parkplatzsuche vergeuden müssen.
Immer mehr Menschen sind auf ambulante Pflege angewiesen – so wie diese Seniorin, der ein Kompressionsverband angelegt wird. Doch die Zeit für die Betreuung wird immer knapper, weil die Mitarbeiter der Pflegedienste oft wertvolle Zeit mit der Parkplatzsuche vergeuden müssen. © dpa | Christian Charisius

Politik fordert: Pauschale Sondererlaubnis für Pflegedienstautos

Das Problem: In Norderstedt müssen die Pflegedienste derzeit für jeden Patienten einen separaten Antrag stellen. „Hochgerechnet auf alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Pflegebesuche wären das pro Jahr mehrere tausend Anträge“, heißt es in dem „Appell zur Erleichterung der Parkplatzproblematik“. Und weiter: „Hier bietet aber der Paragraf 46 der StVO durchaus Spielraum, indem zum Beispiel nur einmal pro Jahr für alle Fahrzeuge ein Antrag gestellt werden muss.“

Aus diesem Grund appellieren Fraktionen und Seniorenbeirat: „Die Gesunderhaltung aller Norderstedterinnen und Norderstedter sollte es uns wert sein, die „Spielräume“ der gesetzlichen Vorhaben zu nutzen und die Arbeit der Pflegedienste dadurch deutlich zu erleichtern. Unsere pflegebedürftigen Menschen dürfen wir mit dieser Problematik nicht alleine lassen.“

Norderstedt: Knöllchen hängen sehr schnell an der Windschutzscheibe

Die ambulanten Pflegedienste hoffen auf eine schnelle Lösung des Problem. Denn die Parkplatzsituation ist in ganz Norderstedt prekär. „Die Frage ist nicht, in welchen Straßen es keine Parkplätze gibt – sondern in welchen es überhaupt welche gibt“, so Janette Potsch. Und selbst wenn es mal einen freien Stellplatz gebe – dann sei dieser meistens gebührenpflichtig.

Was sie und ihre Kolleginnen und Kollegen am meisten ärgert: „Selbst wenn wir einen Zettel mit unserer Handynummer hinter die Windschutzscheibe legen – das Ordnungsamt schreibt sofort einen Strafzettel, dabei dauern die meisten Einsätze höchstens 20 bis 30 Minuten.“