Bad Bramstedt. Der Fleischkonzern Vion schließt am 31. Juli den Betrieb. Wie das niederländische Unternehmen seine Entscheidung begründet.

Das ist ein harter Schlag für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt in Bad Bramstedt und dem Umland: Der Fleischkonzern Vion schließt seinen Schlachthof in Bad Bramstedt. Davon sind 250 Mitarbeiter betroffen. Das Unternehmen spricht von einer Anpassung der Produktionskapazitäten an die aktuelle Marktlage und begründet die Entscheidung mit dem Rückgang der Rinderbestände im Norden.

Die Schließung ist für den 31. Juli geplant. Vion werde mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich oder Sozialplan verhandeln, kündigte der Konzern am Donnerstag an. „Der seit Jahren rückläufige Rinderbestand in Norddeutschland sowie die Überkapazitäten am Schlachthofmarkt machen einen weiteren Schritt der Konsolidierung der Schlachthoflandschaft notwendig“, heißt es in einer Mitteilung auf der Homepage. „Die jetzt angestrebte Schließung ist eine Konsequenz aus der aktuellen Marktlage und der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung zu weniger Fleischkonsum.“.

Schock in Bad Bramstedt: 250 Arbeitsplätze fallen im Schlachthof weg

Der Schlachthof gehört neben den beiden Kliniken und der Bundespolizei zu den größten Arbeitgebern in der Region. Vion Bad Bramstedt bezeichnet sich selbst als wich­tigs­ten Rin­der­be­trieb in Nord­deutsch­land. Landwirte aus Schles­wig-Hol­stein, Meck­len­burg-Vor­pom­mern und Nie­der­sach­sen lie­fern nach Angaben des Unternehmens pro Wo­che bis zu 3200 Tie­re an den Schlachtbetrieb. Wo die Bauern künftig ihre Tiere schlachten lassen werden, ist noch offen.

Im Interesse der Landwirte, die Transportwege für die Schlachtrinder im Sinne des Tierschutzes auch künftig kurz zu halten, werde Vion in den kommenden Wochen das Angebot der weiterhin ausreichend vorhandenen Schlachtkapazitäten im Norden sondieren, schreibt das Unternehmen weiter.

Vion reduzierte Kapazitäten in Bad Bramstedt erstmals im Jahr 2012

Vion ist der größte Produzent von Rindfleisch in Deutschland. Der Konzern arbeitet an Produktionsstandorten in den Niederlanden, Deutschland und Belgien und verkauft seine Waren weltweit. Mittlerweile produziert Vion auch Fleischersatzprodukte. Der Sitz des Konzerns befindet sich in den Niederlanden.

Bereits seit 2012 hatte Vion die Kapazitäten am Standort Bad Bramstedt wegen des Rückgangs der Rinderbestände in Norddeutschland heruntergefahren. Die Unternehmenstochter Vion Zucht- und Nutzvieh GmbH, die mit Tieren handelt, ist von der Schließung nicht betroffen. Zu diesem Formenzweig gehören im Norden Betriebe in Bad Bramstedt und Neumünster.

Konzern will Angebot und Nachfrage auf dem Fleischmarkt in Einklang bringen

„Die geplante Schließung ist Teil der Anpassung an unseren deutschen Standorten, um Angebot und Nachfrage auf dem deutschen Markt, der unter Druck steht, wieder ins Gleichgewicht zu bringen“, sagt Konzernchef Ronald Lotgerink. „Angesichts der Inflation und der Preissteigerungen, der gesellschaftlichen Entwicklungen und der Regulierungen, denen Land- und Fleischwirtschaft derzeit ausgesetzt sind, ergreifen wir Maßnahmen, um die Fleischproduktion in Deutschland gesund zu erhalten und den Landwirten eine bleibende Zukunft zu geben.“

Die angekündigte Schließung treffe sowohl die 250 Arbeitnehmer des Betriebes als auch die Stadt sehr hart, sagte Bürgermeisterin Verena Jeske. Bei vielen der Arbeitnehmer handele es sich um Bramstedter Bürger, die nun mit ihren Familien sorgenvoll in eine unsichere Zukunft schauen müssten.

Bürgermeisterin Verena Jeske befürchtet steigende Gebühren für die Bramstedter

Sie habe in gutem Kontakt mit Geschäftsführung gestanden und seit Monaten Sorgen um den Betrieb gehabt, sagte die Bürgermeisterin. Sie fürchtet, dass den Tieren künftig lange Transporte bevorstehen. Außerdem müssten sich die Bramstedter auf deutlich höhere Wasser- und Abwassergebühren einstellen, kündigte Jeske. Vion ist mit Abstand der größte Einleiter und Verbraucher in der Stadt. Ein Teil der städtischen Anlagen wurde dem Bedarf des Betriebs angepasst, der jetzt als Gebührenzahler wegfällt.

Thomas Bernhard von der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) bewertet die Entscheidung von Vion als „Kurzschlusshandlung“ und hält sie für unternehmensstrategisch falsch. Der Schlachthof sei für die Lieferanten gut zu erreichen. Es seien außerdem immer wieder ausreichend Rinder geliefert worden, sagte der NGG-Bundessprecher für die Fleischbranche. Diese Entwicklung bedeute für die Tiere eine Katastrophe, da sie künftig über deutlich größere Distanzen zu den Großbetrieben bis nach Minden und nach Thüringen transportiert werden müssten.

Verhandlungen über einen Sozialplan haben erst am Donnerstag begonnen

Der Bramstedter Betrieb habe schon länger auf der Kippe gestanden, sagte der Gewerkschaftssprecher. Er glaubt nicht, dass die Mitarbeiter bis zum 31. Juli entlassen werden können. Erst am Donnerstag haben nach seinen Angaben die Verhandlungen über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan begonnen, in dem die Konditionen geregelt werden. Dass diese Verhandlungen bis zum 31. Juli zu einem Ergebnis kommen, glaubt Bernhard nicht.

Nächste Woche wird sich der Betriebsrat mit einem Juristen treffen, um das weitere Vorgehen zu klären. Eine Entscheidung über die Arbeitsverhältnisse erwartet Bernhard erst für August Er geht nicht davon aus, dass die Beschäftigten arbeitslos werden. Die Branche suchen händeringend Mitarbeiter – allerdings an Standorten in mehreren 100 Kilometern Entfernung.

Landesbauernverband will weiter in Schleswig-Holstein schlachten

Der Vorsitzende des Landesbauernverbandes, Klaus-Peter Lucht, beobachtet einen gravierenden Strukturwandel in der Fleischindustrie und fürchtet ebenfalls längere Transporte der Tiere bis zum nächsten Schlachthof. „Wir sind für regionale Schlachtung in Schleswig-Holstein“, sagte Lucht. „Jetzt müssen wir uns umorientieren.“

Lucht war vor acht Wochen in dem Vion-Betrieb zu Gast und bekam dort zu hören, dass pro Woche etwa 1000 Rinder geschlachtet werden – bei einer Kapazität von 3500. Als eines der Probleme des Bramstedter Betriebs bewertet er die behördlichen Auflagen, die dort offenbar schärfer seien als anderswo. Als Beispiel nannte er die Hygienevorschriften. Hinzu komme die bundesweite Erhöhung des Mindestlohns. „Und das bei weniger Einnahmen“, sagte Lucht.

Robert Habeck schloss 2014 den Schlachthof für mehrere Wochen

Der Schlachthof stand immer wieder in den Schlagzeilen. Anfang der 2000er-Jahre traten aus dem Betrieb Dämpfe aus, die bei diversen Autos im Umfeld zu Lackschäden führten. Immer wieder in der Kritik standen auch die Arbeitsbedingungen von zumeist ausländischen Hilfskräften, die jahrelang in maroden Behausungen untergebracht waren. Mehrfach beklagten Gewerkschaften die Zustände dort.

Eine Razzia brachte den Standort 2014 an den Rand der Existenz. 300 Polizisten, Staatsanwälte sowie Amtsveterinäre und Steuerfahnder durchsuchten den Betrieb, um Hinweisen nachzugehen, wonach dort Tiere ohne ausreichende Betäubung geschlachtet worden seien.

Der damalige Landwirtschaftsminister Schleswig-Holsteins, Robert Habeck (Grüne), schloss den Betrieb für mehrere Wochen wegen des Vorwurfs der Tierquälerei. Auch die Kreisverwaltung in Bad Segeberg wurde wegen des Vorgehens ihrer Veterinäre heftig kritisiert. Die Ermittlungen übernahm das Landeskriminalamt. Vion akzeptierte eine Strafe in Höhe von 160.000 Euro.