Itzstedt. 2025 sollen im Dorf Fachärzte praktizieren. Wichtig für die Bürger – und ein persönlicher Erfolg für den Bürgermeister.

Die größeren Kommunen im Kreis Segeberg haben es bereits vorgemacht. Nun plant auch die kleine Gemeinde Itzstedt, ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) einzurichten, um die Gesundheitsversorgung ihrer eigenen etwa 2637 Bürgerinnen und Bürger und die der 20.000 Menschen aller sieben Amtsgemeinden langfristig zu sichern. „Wir haben jetzt im Mai nach jahrelanger Vorarbeit mit der Ärztegenossenschaft Nord einen entsprechenden Vertrag abschließen können“, sagt Itzstedts Bürgermeister Helmut Thran (SPD).

Denn dass es ihm gelungen ist, dieses Projekt noch vor seinem Ausscheiden Mitte Juni aus dem Gemeinderat in trockene Tücher zu bringen, mache ihn stolz. „Die Realisierung eines Medizinischen Versorgungszentrums in der Gemeinde Itzstedt ist mein Baby“, erklärt Thran. Seit seinem Amtsantritt 2018 habe er intensiv daran gearbeitet. „Unser Grundproblem ist, dass die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum schwierig ist.“

Kreis Segeberg: Ärztemangel – Itzstedt baut eigenes Versorgungszentrum

Itzstedt plant, auf dem 4000 Quadratmeter großen Gelände der Gemeinde hinter der Feuerwache, dem Jugendzentrum und der Amtsverwaltung ein dreistöckiges Gebäude für etwa ein halbes Dutzend Hausärzte, Mediziner, Orthopäden, Internisten und Physiotherapeuten zu errichten. Ab 2025 sollen die Mediziner dort angestellt praktizieren.

Die Gemeinde würde das MVZ betreiben, sodass die Ärzte und Mediziner kein finanzielles Risiko zu tragen hätten, sagt Thran über das Modell, das andernorts bereits recht erfolgreich installiert worden ist. Auch die Abrechnung mit den Krankenkassen erledige das MVZ für die Ärzte.

In Wahlstedt und in Bad Bramstedt sind MVZ eröffnet worden

Hinter der Feuerwache und der Amtsverwaltung des Amtes Itzstedt will die Gemeinde Itzstedt bis 2025 ein dreigeschossiges Gebäude für das geplante MVZ errichten.
Hinter der Feuerwache und der Amtsverwaltung des Amtes Itzstedt will die Gemeinde Itzstedt bis 2025 ein dreigeschossiges Gebäude für das geplante MVZ errichten. © Burkhard Fuchs

Vorbilder im Kreis gibt es in den Städten Wahlstedt und Bad Bramstedt. In Wahlstedt ist ein MVZ mit drei Ärzten gut etabliert und versorgt bereits 4650 Patienten im Quartal. Im April hatte sich Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken bei einem Besuch von der Leistungsfähigkeit des Wahlstedter MVZ überzeugen lassen. So wie in Itzstedt geplant, sind auch dort Gemeinde und Ärztegenossenschaft die Betreiber.

In Bad Bramstedt gibt es seit zwei Jahren ein weiteres kommunal betriebenes MVZ. Dieses hat im vorigen Jahr zwar Einnahmen von 860.000 Euro verzeichnet, machte unter dem Strich aber noch ein Defizit von 180.000 Euro, weil die Anschubfinanzierung noch belastet. Es werde aber langfristig den Menschen in der Kurstadt zugutekommen, ist Bürgermeisterin Verena Jeske überzeugt: „So können wir die hausärztliche Versorgung in Bad Bramstedt sicherstellen.“

Viele Hausärzte werden bald in Rente gehen und finden keine Nachfolger

Hintergrund dieser kommunalen Initiativen in die Hausarztversorgung im ländlichen Raum ist der zunehmende Fachkräftemangel im medizinischen Bereich, der in den Dörfern bald gravierende Ausmaße annehmen werde, warnt Itzstedts Bürgermeister Thran.

So praktizierten zurzeit im Amtsbereich noch sechs niedergelassene Ärzte, von denen aber zwei bereits älter als 60 Jahre alt seien und dementsprechend in wenigen Jahren mit der Behandlung von Patienten aufhören würden. Überall dort, wo das in ländlichen Strukturen passiere, „werden krampfhaft Nachfolger gesucht“, weiß Thran. „Und keine einzige Arztpraxis im Amtsbereich ist zurzeit barrierefrei zu erreichen.“

Die jungen Ärzte und Medizinerinnen könnten sich heute aussuchen, wie und wo sie praktizieren möchten, sagt Marco Dethlefsen von der Kassenärztlichen Vereinigung. „Das Dilemma ist, dass vor allem Inhaber von Einzelpraxen immer mehr Schwierigkeiten haben, einen Nachfolger zu finden – besonders dann, wenn diese auf dem Land sind.“ Die Gründe dafür seien vielfältig und hätten auch „mit anderen Erwartungen einer neuen Ärztegeneration an ihren Beruf zu tun.“

Junge Ärztinnen und Mediziner wollen lieber angestellt im Team arbeiten

Die jüngere Medizinergeneration wolle in Teilzeit und in einem größeren Team mit ärztlichen Kolleginnen und Kollegen als auch Angehörigen anderer Gesundheitsberufe arbeiten, sagt Dethlefsen. „Und das finden sie nur in größeren Praxen oder Zusammenschlüssen.“ Genau das sollen die MVZ bieten.

Ein weiterer Grund sei, dass die Kolleginnen und Kollegen nach dem Medizinstudium den Schritt in die Selbstständigkeit scheuten und gerade zum Berufseinstieg lieber in einer Anstellung arbeiteten als die Verantwortung für einen ganzen Praxisbetrieb zu tragen, erklärt der KVSH-Sprecher. „Unser Ziel ist, zumindest in den ländlicheren Zentren größerer Kooperationen zu erhalten beziehungsweise zu schaffen und es zu ermöglichen, dass diese auch erreicht werden können“, indem es dort eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr gebe.

KVSH: „Nicht jedes Dorf wird künftig einen Hausarzt haben können“

Aber der KVSH-Sprecher warnt auch: „Nicht jedes Dorf wird seine Hausarztpraxis behalten können. Auf dem Land werden die Wege zum Arzt in Zukunft länger.“ Genau das aber will Itzstedts Bürgermeister Thran für seine Bevölkerung verhindern.

Aktuell gibt es im Raum Wahlstedt/Bad Segeberg noch 39 Hausärzte, die etwa 60.000 Menschen zu versorgen haben. Im Westen des Kreises zwischen Kaltenkirchen und Norderstedt sind es noch einmal weitere 120 Hausärzte für 200.000 Bewohner. Eine Unterversorgung wird vom Land noch nicht gesehen, auch wenn jeder dieser Ärzte an die 5000 Patienten im Jahr zu versorgen hat.

Die Landesregierung sieht in MVZ die Lösung für die medizinische Versorgung

Die Problematik mit der ärztlichen Versorgung auf dem Land hat die Landesregierung aber durchaus erkannt. So hat Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken erst Mitte Mai im Bundesrat die Initiative gestartet, die Rahmenbedingungen für MVZ bundesweit zu verbessern, „um die Versorgungssicherheit zu stärken“. Allein in Schleswig-Holstein würden ein Drittel der zurzeit 1925 Hausärztinnen und Hausärzte älter als 60 Jahre alt sein, argumentierte sie.

„Noch ist die Versorgungssituation in unserem Bundesland vergleichsweise gut, auch weil die Altersgrenze für die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte vor einiger Zeit aufgehoben wurde“, sagt die Ministerin. Jedoch werde sich das auf absehbare Zeit ändern, weil die älteren Ärztinnen und Ärzte perspektivisch in den Ruhestand gingen.

MVZ böten vielversprechende Perspektiven. „Sie sind bereits jetzt und noch mehr in Zukunft für die ambulante Versorgungsstruktur ein wichtiger Baustein“, so von der Decken. MVZ kauften Arztpraxen auf und integrierten diese in ihren Verbund und stellten keinerlei Konkurrenz zu den Krankenhäusern dar, sondern ergänzten deren stationären Versorgungsauftrag durch ihr ambulantes medizinisches Angebot.

Der Kreis Segeberg hat eine Kooperation mit Ärzten und Kliniken geschlossen

Auch der Kreis Segeberg weiß um diese Problematik. So hat er bereits 2016 in einer umfassenden Zukunftsprognose für die „für die Lebenswelt der Menschen im Kreis Segeberg im Jahr 2030“ festgestellt: „Der Bedarf nach hausärztlichen Versorgungsleistungen könnte in weiten Teilen des Kreises künftig noch ansteigen.“ Dies beträfe nicht nur den wachsenden Raum im Westen des Kreises entlang der A7.

„Vielmehr könnten sich aufgrund der altersstrukturellen Verschiebungen in der Bevölkerung auch in Teilräumen mit rückläufiger Bevölkerungsentwicklung Zuwächse des Versorgungsbedarfes ergeben.“ Dies lasse sich für „große Teile im Osten des Kreisgebietes, fast flächendeckend in den Ämtern Leezen, Itzstedt und Kisdorf sowie in Teilen der Ämter Bad Bramstedt-Land bzw. Kaltenkirchen-Land erwarten.“ Wobei die Gemeinde Itzstedt weiter wachse, wie Bürgermeister Thran berichtet. Gerade sei ein neues Wohngebiet mit 300 Neubürgern bebaut worden. Ein zweites soll folgen.

Im Sommer vorigen Jahres hat der Kreis Segeberg darum als landesweit erste Kommune mit 24 Arztpraxen mit etwa 50 niedergelassenen Ärzten und allen fünf Kliniken im Kreis den „Weiterbildungsverbund Allgemeinmedizin“ vertraglich vereinbart. Mit dieser beispielhaften Kooperation, die die erste dieser Art in Schleswig-Holstein ist, soll die gesundheitliche Versorgung vor allem im ländlichen Raum für die Zukunft gesichert werden, sagte Landrat Jan Peter Schröder.

Junge Ärzte, die hier ausgebildet werden, bleiben auch hier

Svante Gehring, Vorsitzender der Ärztegenossenschaft Nord.
Svante Gehring, Vorsitzender der Ärztegenossenschaft Nord. © Privat

„Für die jungen Mediziner ist das ein absoluter Gewinn“, sagte Dr. Svante Gehring dazu, der selbst eine Hausarztpraxis in Norderstedt betreibt. „Wir erleichtern dem medizinischen Nachwuchs den Einstieg in das Berufsleben.“ Wenn ein Arzt oder Ärztin in der Ausbildung erst einmal in der Region verankert sei und womöglich eine Familie gegründet habe, bleibe er oder sie dann auch als niedergelassene MedizinerIn in der Region, so der Vorsitzende der Ärztegenossenschaft Nord, die 1800 Ärzte im Norden vertritt, mit der jetzt auch die Gemeinde Itzstedt den Aufbau des MVZ vertraglich vereinbart hat.

Die Arbeitsteilung sei so, dass die Gemeinde das Gebäude errichtet und das MVZ in Eigenregie betreiben solle, während die Ärztegenossenschaft die Mediziner anwerben und die Arbeitsverträge aushandele, erklärt Itzstedts Bürgermeister Thran. Er ist zuversichtlich, dass dies bis 2025 gelingen werde. „Wir liegen verkehrsgünstig mit guter ÖPNV-Anbindung genau zwischen den Metropolregionen Hamburg und Lübeck.“ Das sollte für Ärzte und Mediziner durchaus attraktiv sein, hier ihre Patienten zu versorgen, ist er überzeugt.