Norderstedt. Etliche Senioren kamen mit ihren Rollatoren zum Mobilitätstag auf den Norderstedter Rathausmarkt. Was sie alles gelernt haben.
Schon vor dem offiziellen Beginn des Mobilitätstages um 14 Uhr hatten sich am Dienstag auf dem Norderstedter Rathausmarkt etliche Seniorinnen und Senioren mit ihren Rollatoren versammelt. Besonders viele standen vor dem Bus des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV) an und übten das richtige Ein- und Aussteigen. „Wir bieten die Mobilitätsberatung seit zehn Jahren an. Wir wollen älteren Menschen damit ihre Ängste nehmen“, sagte Michael Krieger, der das Projekt für den HVV betreut.
Siegrid Rose ist ebenfalls mit ihrem Rollator gekommen und lernte mithilfe eines ehrenamtlichen Helfers, wie sie am einfachsten in den Bus ein- und aussteigen kann. Dabei hat sie eine sehr wichtige Erkenntnis mit nach Hause genommen: „Der blaue Knopf neben der Mitteltür muss unbedingt gedrückt werden, auch wenn die Tür bereits geöffnet ist. So signalisiert man dem Busfahrer, dass das Einsteigen etwas länger dauern kann“, sagte die 84-Jährige.
Norderstedt: Wenn die Angst vor dem Busfahren das Dabeisein verhindert
Die Norderstedterin fährt mindestens einmal in der Woche mit dem Bus ins Herold-Center. Ruth Störmer (89) hat sie zum Infotag auf dem Marktplatz vor dem Rathaus begleitet. „Neulich bin ich mit dem Bus gefahren und musste mich gleich festhalten, weil der Fahrer so ruppig losgefahren ist“, berichtete sie. Dank der Mobilitätsberatung hat sie nun den blauen Knopf kennengelernt. „Dieser verhindert, dass die Türen sofort schließen. So gewinnen Senioren mehr Sicherheit und Ruhe“, erklärte Michael Krieger vom HVV. Er empfiehlt älteren Menschen, dem Busfahrer vor dem Einsteigen „lieber einmal mehr“ Bescheid zu geben.
Initiiert wurde der Mobilitätstag vom Norderstedter Seniorenbeirat. Dieser konnte viele Akteure des öffentlichen Nahverkehrs und der Mobilitätsangebote der Stadt für seine Aktion auf dem Rathausmarkt gewinnen. Ältere Menschen sollten unter anderem dazu motiviert werden, das Auto zuhause stehen zu lassen, und umweltfreundliche Angebote wie Fahrräder, Bahnen oder Busse zu nutzen. „Man kann im Alltag beobachten, dass viele Senioren sich nicht trauen, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Wir wollen ihnen helfen, ihre Ängste zu überwinden“, sagte Joachim Braun vom Seniorenbeirat.
Mobilität: „Isolation muss verhindert werden in einer Stadt wie Norderstedt“
Die Schirmherrschaft hat Norderstedts Erster Stadtrat Christoph Magazowski übernommen. „Teilhabe ist das zentrale Stichwort“, sagte er. Und um diese zu ermöglichen, sei es wichtig, Ängste abzubauen, damit Seniorinnen und Senioren mobil blieben. „Isolation muss verhindert werden in einer Stadt wie Norderstedt“, so Magazowski. „Offenbar herrscht ein großer Bedarf“, sagte er weiter und zeigte auf die vielen Interessierten auf dem Rathausmarkt. „Wenn wir über die Verkehrswende sprechen, sollte es um alle Menschen gehen. Oftmals aber fallen Seniorinnen und Senioren hintenüber.“
Das Angebot vom DRK-Rollator-Club wurde besonders gut angenommen: Die Besucherinnen und Besucher konnten sich ihre Rollatoren richtig einstellen lassen, denn oftmals sind sie zu hoch oder zu niedrig für sie eingerichtet. Außerdem konnten sie auf einem Podest üben, wie sie mit ihrem Rollator eine Bordsteinkante am besten überwinden.
ADAC bietet älteren Menschen an, ihre Fahrtauglichkeit zu prüfen
Der ADAC informierte vor Ort unter anderem über seinen „Fahr-Fitness-Check“. Ältere Menschen können freiwillig überprüfen lassen, wie fahrtauglich sie noch sind. Im eigenen Auto begleitet sie dann ein ausgebildeter Fahrlehrer. „Egal, wie die Fahrt verläuft, sie hat keine Auswirkungen auf den Führerschein. Dieser darf in jedem Fall behalten werden“, erklärte Jens-Peter Pfeiffer vom ADAC.
Seit gut 15 Jahren führt der Fahrlehrer diese Checks durch – nur dreimal hat er betagten Fahrerinnen und -fahrern geraten, sich lieber nicht mehr ins Auto zu setzen. „Wir sagen ehrlich, was gut läuft und was nicht, und geben Tipps. Wir wollen, dass Senioren ihre Mobilität so lange wie möglich behalten – solange sie niemanden im Straßenverkehr gefährden“, so Pfeiffer. Er betonte: „Gutes Fahren ist keine Frage des Alters. Es gibt auch junge Menschen, die lieber kein Auto fahren sollten.“
Mobilitätsstudie: Viele Schleswig-Holsteiner ändern wegen Energiekrise ihr Verhalten
Doch nicht nur Seniorinnen und Senioren in Norderstedt beschäftigt das Thema Mobilität. Die aktuelle Weltlage hat das Mobilitätsverhalten der Deutschen stark verändert – das hat die HUK-Coburg in einer Studie herausgefunden. Demnach haben nicht nur der Ukraine-Krieg und die Energiekrise einen starken Einfluss darauf, wie sich die Menschen fortbewegen – sondern allen voran immer noch die Corona-Pandemie und die allgemein gestiegenen Inflationsraten.
In Schleswig-Holstein gaben 62 Prozent der befragten Erwachsenen an, mit einer Verhaltensänderung auf die aktuelle Situation auf den Energie- und Kraftstoffmärkten reagiert zu haben. Das ist der höchste Wert im Bundesländer-Vergleich. Der Bundesschnitt liegt bei 54 Prozent.
Schleswig-Holstein: 8 Prozent haben sich neues Fahrrad zugelegt
So erklärten beispielsweise 18 Prozent der Schleswig-Holsteiner, in den vergangenen zwölf Monaten vermehrt Fahrrad gefahren zu sein – im Saarland sind es nur 8 Prozent der Befragten. Im nördlichsten deutschen Bundesland kauften sich laut Studie sogar 8 Prozent der Erwachsenen ein neues Fahrrad, um der Energiekrise zu begegnen – in Thüringen nur 2 Prozent.
Die Einführung des vergünstigten Deutschland-Tickets für monatlich 49 Euro hat bei den Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteinern ein starkes Umdenken ausgelöst: 36 Prozent der Befragten sagten, dass sie im Alltag oder bei Urlaubsreisen vermehrt Bus und Bahn fahren werden, weniger das Auto nutzen oder dieses sogar abschaffen wollen. Der Bundesschnitt liegt mit 29 Prozent deutlich darunter.
Mobilität: Auto ist immer noch das beliebteste Verkehrsmittel
Dennoch: Trotz allem bleibt das Auto deutschlandweit das beliebteste Verkehrsmittel. Fast drei Viertel (72 Prozent) der mehr als 4000 befragten Deutschen sagten, dass für sie das Auto in Zukunft am besten ihre Anforderungen an Mobilität erfüllen werde. Den größten Beliebtheitszuwachs erlebt das Auto dabei unter jungen Bundesbürgern zwischen 16 und 24 Jahren.
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„Wie Mobilität in Zukunft funktionieren kann, beschäftigt die Menschen immer mehr. Und ich bin überrascht, mit welch großer Mehrheit auch bei den jungen Menschen dabei das Auto als Fortbewegungsmittel klar an Nummer eins steht – gerade vor dem Hintergrund politischer Diskussionen, das Auto zurückzudrängen“, sagte Jörg Rheinländer, Vorstand der HUK-Coburg.
Der Gedanke an die Umwelt kommt bei den Autoliebhabern trotzdem nicht zu kurz. „Die Menschen wollen mit dem Auto individuell und zugleich umweltschonend unterwegs sein, es muss für sie aber auch bezahlbar bleiben“, so Rheinländer weiter.