Norderstedt. Stadt Norderstedt setzt ein Zeichen für Vielfalt und Offenheit. Wie wichtig das ist, zeigen die Reaktionen der Kritiker.

Vor dem Norderstedter Rathaus wehen jetzt wieder die Regenbogenflaggen. Norderstedts Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder und der Norderstedter Danny Clausen-Holm, Vorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) Schleswig-Holstein, hatten sie gemeinsam gehisst, als ein „gut sichtbares Zeichen für Offenheit und Vielfalt“ anlässlich des Internationalen Tages gegen Homo,-Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit am 17. Mai.

Die Stadt Norderstedt ist seit 2019 offiziell Mitglied im landesweiten Bündnis für Akzeptanz. Man sehe sich dem Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskriminierung verpflichtet und wolle für Akzeptanz und gegen Diskriminierung eintreten, heißt es in der Begründung dafür.

Norderstedt: Regenbogenflagge weht am Rathaus – üble Kommentare im Netz

Norderstedt feierte im September 2022 seine erste „Norderpride“-Parade. Rund 400 Teilnehmende waren dabei.
Norderstedt feierte im September 2022 seine erste „Norderpride“-Parade. Rund 400 Teilnehmende waren dabei. © Anika Würz

Roeder und Clausen-Holm posteten auf dem offiziellen und öffentlichen Account der Stadt Norderstedt ein Foto samt Text über die Flaggenhissung. „Und wenn man sich die Kommentare unter dem Posting anschaut, wird klar, warum es so wichtig ist, die Flagge zu hissen“, sagt Danny Clausen-Holm.

Tatsächlich finden sich homophobe Einträge unter dem Posting der Stadt. „Und wo ist der Respekt der traditionellen Familie gegenüber?“, schreibt ein Mann. „Alles was Abnormal ist wird gefeiert und mit bunten Flaggen. Trauriges Bild. Keine Kinder mehr bei den Deutschen. Geht ja nicht wenn alle Regenbogen. Das erledigen dann die Zuwanderer die dafür mit Kindergeld belohnt werden, welches aus den Steuern Deutscher Bürger genommen wird. Sehr schön!“ (Original-Zitat mit Rechtschreibfehlern).

Der Kritiker bekommt auch direkt Widerspruch: „Menschen aus der LGBTQ+-Community werden unterdrückt und benachteiligt. Unter anderem von Menschen wie dir. Und solang das nicht mit der traditionellen Familie passiert (Nein, eine Regenbogenflagge tut das nicht!), müssen wir uns auch nicht für sie engagieren. Und dann als Kirsche auf der Torte auch noch diese erbärmliche Brücke, die du zu Ausländern geschlagen hast, Chapeau!“

Kritiker sprechen vom „Abnormalen“, das gefeiert werde – und bekommen Widerspruch

Sie laden zum 2. Norderpride nach Norderstedt ein: Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder und Danny Clausen-Holm vom Lesben- und Schwulenverband (LSVD).
Sie laden zum 2. Norderpride nach Norderstedt ein: Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder und Danny Clausen-Holm vom Lesben- und Schwulenverband (LSVD). © Andreas Burgmayer

Eine Frau besteht darauf, dass im Sinne der Gleichberechtigung auch Flaggen für die in Deutschland diskriminierten Türken, Russen, AfD-Anhänger oder Impfgegner aufhängt werden müssten. „Gleiches Recht für alle! Alles andere ist Diskriminierung!“ Durch das Hissen der Regenbogenflagge werde das Anfeinden oder Niedermachen von Homosexuellen nicht verhindert. „Mit dieser Regenbogengeschichte erreicht ihr eher das Gegenteil, ganz so wie die Klimakleber!“, ist die Frau überzeugt.

Danny Clausen-Holm ist diese und noch viel schlimmere Kommentare gewohnt. „Die fiesen Kommentare bestärken mich und andere Aktive nur darin, dass solche Veranstaltungen immer noch und immer wieder notwendig sind. Es gibt sicherlich mehr Menschen, die dem Thema positiv gegenüberstehen, sie sind aber oft die schweigende Mehrheit. Respekt anderen Menschen gegenüber ist zumutbar.“

Meinung ist in Ordnung – „aber bitte nicht diskriminierend“

Unterschrieben 2019 den Beitritt Norderstedts zum Bündnis für Akzeptanz und Respekt: Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder und Initiator Danny Clausen-Holm (l.). Der damalige Familienminister Heiner Garg bezeugte den Beitritt.
Unterschrieben 2019 den Beitritt Norderstedts zum Bündnis für Akzeptanz und Respekt: Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder und Initiator Danny Clausen-Holm (l.). Der damalige Familienminister Heiner Garg bezeugte den Beitritt. © Andreas Burgmayer

Auffallend bei den Kommentaren und generell sei, dass die Leute irgendwas in die Diskussion einbringen, was mit der Regenbogenflaggenaktion nichts zu tun habe, nur damit sie nicht über Inhalte reden müssen, sagt Clausen-Holm. „Diese Kommunikationsstrategie kann man sich prima bei Donald Trump anschauen.“

Jeder dürfe seine Meinung haben und äußern. „Aber bitte nicht diskriminierend!“, sagt Clausen-Holm. Und weil immer wieder behauptet werde, Deutschland rede zu viel und dauernd über Minderheiten, stellt er klar: „Das ist falsch. In Wahrheit hat es damit noch gar nicht angefangen. In Deutschland wird Liberalität gerne mit Gleichgültigkeit und Ignoranz verwechselt.“

Norderstedts 2. Christopher-Street-Day ist im Juli geplant

Seit dem ersten Christopher-Street-Day (CSD) in Norderstedt, dem „Norderpride“ im vergangenen Jahr, ist die Stadt auch auf der Regenbogen-Landkarte der schleswig-holsteinischen Kommunen angekommen, die Gastgeber der LSBTIQ*-Demonstration sind. In diesem Jahr soll der „Norderpride“ größer, schöner und noch sichtbarer werden.

Unter dem Motto: „Geeint für Vielfalt“ soll es am Sonnabend, 22. Juli, einen bunten und lauten Zug Hunderter Menschen durch Norderstedt geben. „Das Thema Europa steht im Mittelpunkt des zweiten Christopher Street Day in Norderstedt. Die Wahlen zum Europäischen Parlament im nächsten Jahr sind eine Richtungswahl“, sagt Clausen-Holm.

Rechte der LSBTIQ*-Gemeinschaft sind in Europa in Gefahr

Sie fänden in einer Zeit zunehmender sozialer und politischer Polarisierung statt. Es gehe um die Zukunft der europäischen Demokratie. „Europäische Grundwerte wie die Achtung der Menschenwürde und der Menschenrechte, Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit und die Akzeptanz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans*, intergeschlechtlichen und queeren Menschen (LSBTIQ*) werden in Frage gestellt.“

In diesem Jahr rechnet das Organisations-Team mit deutlich mehr Teilnehmenden, viele Initiativen und queere Vereine werden sich mit Infoständen präsentieren. Der 2. CSD in Norderstedt wird gegen Mittag auf dem Rathausplatz von Norderstedt starten und sich über fünf Kilometer durch die Stadt und wieder zurück zum Rathaus bewegen. Dort ist eine Abschlusskundgebung geplant.

Norderstedt: Bunter Umzug über fünf Kilometer durch die Stadt

Die Schirmherrschaft des „Norderpride“ hat der Flensburger EU-Abgeordnete Rasmus Andresen (Bündnis 90 /Die Grünen) übernommen. Er freut sich auf die Möglichkeit, über erreichte Ziele und die Entwicklungen in einzelnen Ländern zu sprechen: „Grundrechte, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte sind für uns nicht verhandelbar. Während es in einigen europäischen Staaten Gesetzesinitiativen zum besseren Schutz von LSBTIQ* gibt, erleben wir an anderen Stellen ein Roleback und steigende Gewalt gegen queere Menschen.“ Die Europäische Union müsse Freiheitszone für queere Menschen werden. „Mir ist es wichtig, dass Europa ein Ort wird, in dem alle Menschen diskriminierungsfrei leben können.“

2. Norderpride, Sa, 22. Juli, Stände können über www.csd-norderstedt.de angemeldet werden. Gesucht werden Freiwillige, die mithelfen. Kontakt: