Tangstedt. Als noch niemand die Band kannte, nahm Sascha Basler sie unter Vertrag. Wie alles begann und was er jetzt plant.
Manchmal sind es ungewöhnliche Fragen, die darüber entscheiden, ob eine Band zu Weltruhm gelangt oder eben nicht. Als der Tangstedter Sascha Basler 1994 die damals noch unbekannte Formation Rammstein zum ersten Mal hörte und sah, war er von der Musik und Show begeistert. Die Musiker spielten vor fünf Zuhörern in einem kleinen Club in Berlin, während draußen bei der Love Parade Hunderttausende durch die wiedervereinigte Hauptstadt tanzten.
Damals arbeitete Sascha Basler als Artist- und Repertoiremanager für die Plattenfirma Polygramm und hielt stets Ausschau nach neuen Talenten. Seine damalige Einschätzung „Das sind geboren Rockstars“ erwies sich als richtig.
Rockmusik: Der Entdecker der Band Rammstein lebt in Tangstedt
Doch manche Eigenheiten der Band aus der einstigen DDR gaben Rätsel auf: Frontmann Till Lindemann sang und sprach mit einem rollenden R und einer Stimme wie aus einer Gruft, die Show war düster und wild, die Texte provokant und kryptisch.
Waren Lindemann und Co. etwa Neonazis? Er fragte die Musiker also, was sie denn zuletzt gewählt hätten. Die Antwort, die unisono folgte, beruhigte Basler: „PDS“, die Nachfolgerin der DDR-Staatspartei SED und die Vorgängerpartei der Linken.
Basler, Lindemann und Co. konnten also mit den Verhandlungen über den ersten Plattenvertrag der Gruppe beginnen. Mit Recht kann der Tangstedter daher heute behaupten: „Ich habe Rammstein entdeckt.“
Für eine richtige Bühnenshow fehlte das Geld, Lindemann zerschlug also Neonröhren
Die Musiker waren noch weit davon entfernt, weltweit in ausverkauften Stadien ihre spektakulären Bühnenshows abzufeuern, doch bereits in dem kleinen Club war zu erkennen, was Rammstein später berühmt machte: eine Feuershow zum brachialen Rock mit deutschen Texten. Fachleute nennen diesen Vollgas-Stil „Neue deutsche Härte“.Rammstein sprach von Tanzmetall, das einst auch im Hamburger „Logo“ zu hören war – vor gerade mal 50 Zuschauern.
„Die hatten noch keine Kohle“, sagt Basler. Folglich begnügte sich die Band damit, zur ihrer Musik Spiritus zu verschütten und anzuzünden. Außerdem zerschlug Lindemann Neonröhren, die splitternd einen Funkenregen erzeugten.
Als die Bühne brannte, löschten Sascha Basler und Inga Humpe mit Bier
Als bei einer Show der brennende Spiritus langsam und nicht geplant die Bühne in Brand setzte, griffen Basler und die Sängerin Inga Humpe zu den Bierkrügen und löschten die Flammen. Rammstein spielte ungerührt weiter. „Die haben einfach nicht aufgehört“, sagt der Rammstein-Entdecker.
Dass ausgerechnet eine Heavy-Metal-Band mit deutschen Texten und einem Keyboarder erfolgreich sein würde, glaubten damals vermutlich nur Basler und die Jungs von Rammstein selbst. „Die Kollegen konnten damit nichts anfangen“, erinnert sich der Tangstedter. „Ich fand das super.“ Dabei war Basler seinerzeit kein echter Rockfan, sondern liebte die elektronische Musik à la Kraftwerk und Depeche Mode.
Band war „organisiert wie eine Kolchose“, erzählt Sascha Basler
Ebenso exzentrisch wie beim Musizieren traten Rammstein auch bei den Verhandlungen mit Basler über den Plattenvertrag für das erste Album „Herzeleid“ in einer Kreuzberger Kneipe auf. Hier saßen keine Musiker, die um jeden Preis unterschreiben würden. „Die wussten genau, was sie wollten“, sagt Basler. „Dabei waren sie organisiert wie eine Kolchose.“
Über jedes Detail stimmte die Band basisdemokratisch ab, zum Sprecher wurde Frontmann Lindemann gewählt, der zuvor bei der Punk-Band „First Arsch“ gesungen und gebrummt hatte. War beim Verhandeln ein Punkt abgehandelt, gab es eine Runde Schnaps. Gegen 2 Uhr war Basler fix und fertig und bat die Musiker um eine Pause, die immer noch hellwach und klar im Kopf waren. „Herzeleid“ erschien dann 1995.
Als US-Regisseur David Lynch ein Rammstein-Lied nutzte, kam der Durchbruch
Erste Auftritte in den USA folgten, und Lindemann blieb sich treu und zerdepperte Neonröhren auf dem Rücken seines Kollegen. Damit nutzte er US-amerikanische Modelle der Lampen, die jedoch deutlich stabiler waren als die aus der DDR-Produktion. Nach dem Auftritte wurde der Musiker mit stark blutendem Rücken von einem Arzt behandelt.
Eine wichtige Station auf dem Weg zum Weltruhm war die Zusammenarbeit der Hardrocker mit dem Regisseur David Lynch, bekannt durch seine Filme mit Horror und surrealen Geschichten und Dialogen. Rammstein hatte dem US-Amerikaner per Post ein Tonband geschickt und danach Monate nichts von ihm gehört. Dann die gute Nachricht: Der Regisseur engagierte die Gruppe; Rammstein spielte für Lynchs Psychothriller „Lost Highway“.
Später provozierte die Band mit Ausschnitten aus einem Riefenstahl-Film
„Da blühte alles auf“, erinnert sich Basler. Das Projekt Rammstein wuchs, etablierte sich international und provozierte, zum Beispiel mit derben Sexismus und Einspielern aus Filmen von Leni Riefenstahl, der Lieblingsregisseurin von Adolf Hitler. „Dabei waren sie aggressiv gegen Rechts“, sagt Basler, der die Band bis 1995 begleitete. Die letzte gemeinsame Party haben die Musiker und der Manager 1997 in New York gefeiert.
Bis heute bestreitet der Entdecker, dass die Extrem-Musiker davon leben, nur eine Düsternis in einer von Flammen umloderte Vorhölle zu inszenieren. Kaum zu glauben: Basler sagt, dass die Jungs viel Humor haben.
In Youtube-Videos tritt Lindemann als Karl Lagerfeld auf
Tatsächlich sind bei Youtube Videos zu finden, die Lindemann als Andy Warhol oder Karl Lagerfeld verkleidet beim Essen eines veganen Burgers zeigen. Die Botschaft der skurrilen Filmchen: Man sollte nicht zu viel Fleisch essen. Außerdem spenden die Musiker regelmäßig einen Teil ihrer üppigen Gagen. „Aber sie reden nicht darüber“, sagte Basler.
Bis heute hat Rammstein Millionen Tonträger und Songs verkauft, Konzerte sind in kurzer Zeit ausgebucht. Keine Band erzielt so große Erfolge mit deutschen Texten, die von den Fans auf der ganzen Welt mitgesungen werden - egal ob in Paris oder Mexiko-City.
Auf der Bühne kracht und brennt es in allen Ecken, während die Musiker in bizarrer Kleidung auftreten, die auch vor Brandverletzungen schützt. Raum für Improvisationen bleibt den Superstars dabei nicht. Jeder Auftritt inklusive Flammenwerfer ist penibel durchchoreographiert. Hunderttausende werden das Spektakel bei der aktuellen Stadiontournee erleben, die in diesen Tagen beginnt.
„Ich habe jetzt ein anderes Leben“, sagt Basler, heute 54 Jahre alt
Und der Entdecker von „Rammstein“? „Ich habe jetzt ein anderes Leben“, sagt der 54-jährige Basler. „Meine Rock’n’Roll-Zeit habe ich meiner Gesundheit zuliebe beendet.“ 1995 gründete er sein eigenes Plattenlabel „Orbit Records“ und hatte Nina Hagen, Michel van Dyke und die Popband Bellini unter Vertrag. Doch nach knapp 40 Millionen verkauften Platten war auch damit Schluss. 2007 konzentrierte sich Basler mehr aufs Essen als auf die Musik.
An der Erikastraße in Hamburg gründete den Kultimbiss Curry-Queen, 2013 begann seine Karriere als Tourkoch. Basler ging mit Sarah Brightman und der Band Gregorian auf Europatournee und verpflegte den Tross, der mit einem Bus zwischen Spanien und Moskau unterwegs war.
2018 eröffnete Basler in Tangstedt das Restaurant „Don Basili“
An seine nächste berufliche Station werden sich viele Tangstedter noch erinnern: Basler eröffnete 2018 im Dorf das Restaurant „Don Basili“ und verköstigte seine Gäste mit bodenständiger italienischer Küche.
Doch auch diese Etappe endete nach kurzer Zeit. „Dann kam Corona“, sagt Basler, der fortan Tiefkühlpizza kreierte und verkaufte, bis auch dieses Geschäft bei enorm steigenden Preises für Zutaten und Energie nicht mehr funktionierte.
„Jetzt bin ich in einer Schaffenspause und lerne japanisch kochen“, sagt Basler. „Dabei lerne ich eine neue Welt kennen.“
- Rammstein mit großem Erfolg an der Spitze
- Rammstein Hamburg: Das feurige Horrortheater der großen Kasperle
- Wegen Corona: Tiefkühlpizza statt frischer Restaurant-Küche
Festival für Tangstedt? Was der Rammstein-Entdecker jetzt plant
Ganz auf die Musik kann er jedoch nicht verzichten und möchte in Tangstedt ein Festival mit Tribute-Bands etablieren. Dass die Nachahmer fast genauso gut sind wie das Original, hat er zum Beispiel bei AB/CD festgestellt, die täuschend echt nach AC/DC klingen und vor Weihnachten in der Sporthalle des Dorfes auftreten werden.
Dabei liegt Basler am Herzen, dass die Ticketpreise moderat bleiben und nicht wie bei den Originalen fast immer dreistellig ausfallen. Noch steht der Termin jedoch nicht fest. Vielleicht entdeckt Basler in Tangstedt ja wieder eine Band mit Chance auf eine Weltkarriere.