Norderstedt. Zwar sinkt der Preis pro Kilowattstunde im Juli – aber die Konkurrenz bleibt viel billiger. Die Erklärung dafür ist komplex.

Im Stadtwerkeausschuss wurde jetzt die erneute Senkung der Strompreise der Stadtwerke Norderstedt beschlossen. Wie der städtische Versorger mitteilte, werde ab Juli der Preis für eine Kilowattstunde Strom in allen Tarifen um 7,07 Cent brutto sinken. Für einen Norderstedter Haushalt mit durchschnittlichem Verbrauch bedeute dies im Tarif FairWatt dann 46,49 Cent pro Kilowattstunde. Das entspreche einer Preissenkung um etwa 13 Prozent.

Möglich gemacht habe die Senkung der Umstand, dass die Marktsituation für Strom sich nicht so schlecht entwickelt habe, wie es von den Stadtwerken kalkuliert und eingepreist worden war. Die dadurch entstandenen Überschüsse würden jetzt an die Kundinnen und Kunden zurückgegeben, sagt Unternehmenssprecher Oliver Weiß.

Energiepreise: Warum Strom der Stadtwerke Norderstedt so teuer ist

Dass der Strompreis der Stadtwerke mit jenen 46,49 Cent derzeit immer noch vergleichsweise hoch ist, erklärt Oliver Weiß mit der für einen Grundversorger gebotenen Einkaufspolitik. „Uns ist auch klar, dass der durchschnittliche Strompreis je Kilowattstunde derzeit auf Portalen wie Verivox bei etwa 32 Cent im Mittel über alle Anbieter hinweg liegt“, sagt Weiß. „Wir erklären unseren Kunden gerne unsere Strategie – doch angesichts der Preisverläufe an den Märkten wollen sie das nicht hören und nur wissen: Wo bleiben denn nun die Preissenkungen?“

Grundsätzlich positioniere sich ein Stadtwerk am Markt aber komplett anders als ein kommerzieller Stromanbieter. „Wir sind ein Eigenbetrieb der Stadt, wenn man so will ein Amt der Stadtverwaltung. Wir bekommen Kapital von der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt. Mit diesem Geld risikoreich zu spekulieren, verbietet sich für uns“, sagt Weiß. „Entsprechend ist es nie unser primäres Ziel, die Preisführerschaft zu erreichen.“

„Stadtwerke haben nicht das primäre Ziel, Preisführer zu sein“

Stattdessen wolle man die Energiesicherheit am Standort gewährleisten und operiere möglichst konservativ am Markt. „Die Strommengen, die wir 2023 anbieten, haben wir zwischen Januar 2021 und Dezember 2022 eingekauft“, sagt Weiß. Dabei gehe man nicht wie manche Anbieter vor und kaufe große Mengen zum Festpreis auf einen Schlag, was stark risikobehaftet sei. Vielmehr kaufe man immer wieder kleine Mengen bei günstigen Marktlagen und minimiere so das Risiko großer Preisschwankungen durch unvorhergesehene Ereignisse – Stichwort Ukraine-Krieg.

Das bedeutet: Der derzeit niedrigere Strompreis kommt bei den Kundinnen und Kunden der Stadtwerke Norderstedt erst mit Zeitverzögerung an. „Vor der Energiekrise waren die Stadtwerke Norderstedt lange mit der günstigste Anbieter am Markt“, sagt Weiß. Und die Kunden wurden entsprechend auch länger vor Preiserhöhungen verschont.

Strommengen werden über zwei Jahre in kleinen Mengen eingekauft

Als dann mit Kriegsausbruch in der Ukraine günstige Anbieter in die Knie gingen und ihren Kunden gekündigt hatten, mussten die Stadtwerke als Grundversorger diese Menschen übernehmen – und zusätzlich Strommengen zu hohen Preisen einkaufen, um deren Versorgung gewährleisten zu können. „So wurde es dann für alle Kundinnen und Kunden teurer“, sagt Weiß.

Das sei mehr oder weniger die Situation von so ziemlich allen Stadtwerken im Norden. „Wenn ich mich da umschaue, so komme ich auf Strompreise für die Kilowattstunde, die zwischen 40 und 60 Cent liegen“, sagt Weiß.

Energiepreise: Verträge mit zweijähriger Bindung bergen Risiken

Kundinnen und Kunden, die jetzt zu günstigen Anbietern wechseln würden, weil diese ihnen zum Beispiel die 36 Cent garantieren würden bei zweijähriger Vertragsbindung, kann Weiß verstehen. „Doch da setzt man dann eben auch voraus, dass sich der Markt in den kommenden zwei Jahren positiv entwickelt“, sagt Weiß.

Der Sprecher der Stadtwerke sieht aber durchaus unkalkulierbare Risiken am Horizont. Zum einen laufe immer noch der Ukraine-Konflikt – mit ungewissem Ausgang. Zum anderen habe Deutschland gerade die Atomkraft abgeschaltet. „Frankreich produziert viel Atomstrom. Wenn es jetzt einen trockenen Sommer gibt, wenn in Frankreich die Wasserpegel stark sinken, wenn dort nicht mehr genügend Wasser zum Kühlen der Reaktoren vorhanden sein sollte, Frankreich diese abschalten und viel von unserem aus Gas und Kohle produzierten Strom kaufen müsste, dann würden die Preise wieder kräftig steigen“, sagt Weiß.