Norderstedt. Das Konzert der Ruf-Records-Band im Kulturwerk Norderstedt war derart laut, dass manche Zuhörer aus dem Saal flüchteten.

Miro Berbig warnte das Publikum: „Heute wird es laut. Sehr laut“. Der Vereinschef des Blueswerk empfahl, entweder das Hörgerät auszuschalten oder – wer noch etwas zu verlieren habe – sich aus dem zum Ohrstöpsel-Gefäß umfunktionierten Kaugummi-Automaten an der Bühnenrampe Ohrstöpsel zu ziehen. Der Blues Caravan machte Station beim Kulturverein Blueswerk im Norderstedter Kulturwerk.

Der große Saal war gut besucht, und die Zuhörerinnen und Zuhörer waren durchweg gut darüber informiert, was sie erwartete – Blues, Funk und Rock, mit einer Bluesmusikerin und zwei Bluesmusikern aus Texas, Chicago und Manchester, die von Schlagzeuger Denis Palatin und Bassist Roger Inniss sicher und zuverlässig begleitet wurden.

Konzertkritik: Ohrenbetäubend – Blues Caravan spielte für Schwerhörige

Blues Caravan ist ein Format, dass das deutsche Label Ruf Records erstmals vor 18 Jahren auf die Reise schickte, und das seitdem mit wechselnden Musikerinnen und Musikern durch die Lande tourt. Für 2023 war das Kulturwerk Norderstedt die erste Station, und so grüßte Label-Gründer Thomas Ruf seine Fans ebenfalls von der Bühne. „Thomas Ruf ist ein echter Weltstar, einer der Verrückten, die die Blueswelt lebendig halten“, lobte Miro Berbig den Blues Caravan Initiator.

Mit dem Song „With a Little Help From My Friends“ von den Beatles startete die Blues Caravan Show mit der gesamten Crew. Zum Liebling erkor das Publikum sogleich die Frau unter den Männern. Mit ihrer kraftvollen, saftigen Stimme beherrschte Ally Venable den Kult-Song, und mit ihrem Glamour-Glitzer-Outfit war sie ohnehin der Rampenstar. Davon können Männer nur lernen, beispielsweise Will Jacobs, der zu seiner weißen Gitarre ein weißes Shirt trug. Die 23-jährige Musikerin hat bereits Übung in dem Format und ging schon mit Ina Forsman auf Blues Caravan Tour.

Gitarrensoli von Will Jacobs sorgten für Zwischenapplaus

Will Jacobs, Gitarrist und Sänger aus Chicago mit Wahlheimat Berlin, brachte den Funk mit. Abgesehen davon, dass auch er offenbar ohne sinnesbetäubende Lautstärke nicht konnte, überzeugte er mit ausgeklügelten Gitarren-Soli.

Warum er dazu allerdings mit „Clap Your hands“ das Publikum zum Takt-Klatschen aufforderte, bleibt sein Geheimnis. Viele Fans hörten ihm lieber zu und harrten voll Spannung auf seine nächsten, stets überraschenden Einfälle. Für Will Jacobs’ Soli gab es verdienten Zwischenapplaus.

Konzertkritik: Manche flüchteten vor der Lautstärke ins Foyer

Und – Überraschung! – manchmal konnte er auch leiser und sogar ein bisschen lyrisch. Mittlerweile flohen einige Zuhörerinnen und Zuhörer vor der Lautstärke ins Foyer des Kulturwerks und genossen das Konzert von dort aus.

Den ersten Part nach dem gemeinsamen Intro spielte Ashley Sherlock. Er eröffnete seinen Set mit hartem Rock, überzeugte mit seiner stählern klingenden Stimme und fragte nach seinem ersten Song vorsichtshalber „Are You feeling good?“. Nach dem Brachial-Angriff auf die Gehörgänge schaltete der Mann aus Manchester den Lautstärkepegel etwas herunter und sang unprätentiös einige balladeske Songs, beispielsweise „Open Your Eyes“, und ließ sogar Scat-Gesang anklingen. Der nächste Blues Caravan kann kommen. Dann allerdings bitte nicht nur für Schwerhörige.