Norderstedt/Braunschweig. Nach dem Urteil in Hamburg steht ein 61 Jahre alter Norderstedter voraussichtlich demnächst in Braunschweig vor Gericht.
Nach dem Prozess ist vor dem Prozess: Der Anfang der Woche vom Hanseatischen Oberlandesgericht wegen illegaler Iran-Geschäfte verurteilte 61 Jahre alte Norderstedter steht voraussichtlich demnächst auch in Braunschweig vor Gericht. Die dortige Staatsanwaltschaft bereitet eine umfangreiche Anklage gegen den Deutsch-Iraner vor. Es bestehe der dringende Tatverdacht der gewerbsmäßigen Bestechung im geschäftlichen Verkehr, der Beihilfe zur Untreue sowie der gewerbsmäßigen Hehlerei, sagte der Pressesprecher der Braunschweiger Staatsanwaltschaft, Christian Wolters.
Polizei Norderstedt: Erst illegale Iran-Geschäfte, jetzt Bestechung und Hehlerei
Die Ermittler werfen dem 61-Jährigen 91 Straftaten in Norderstedt und anderen Orten im Zeitraum vom 14. November 2017 bis zum 14. September 2021 vor. „Die Ermittlungen sind im Übrigen noch nicht abgeschlossen. Eine Anklageerhebung ist in einigen Wochen zu erwarten“, sagte Wolters. Gegen den Beschuldigten liege ein Haftbefehl vor.
Der Geschäftsmann aus Norderstedt war am Mittwoch in Hamburg wegen der Verstößen gegen das Iran-Embargo der Europäischen Union zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Er lieferte nach Überzeugung der Richter Laborausrüstung an iranische Stahlwerke ohne die dafür erforderliche Genehmigung des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle.
Der 61-Jährige soll mit einem Komplizen zusammengearbeitet haben
Dabei habe er knapp 470.000 Euro verdient. Dieses Geld zog das Gericht als sogenannten Tatertrag ein. Zunächst waren Bundeskriminalamt und Zollfahndungsamt davon ausgegangen, dass der Norderstedter auch Material für das iranische Atomwaffenprogramm geliefert hat. Dieser Verdacht bestätigte sich während des Prozesse jedoch nicht.
Bei den Ermittlungen in Braunschweig geht es um komplexe geschäftliche Aktivitäten des Geschäftsmannes mit einer Firma für Gleitlagertechnologie in Osterode (Niedersachsen). Ermittelt wird auch gegen einen Vertriebsleiter des Unternehmens, das Elemente für die Energieindustrie, Maschinen und Fahrzeuge aller Art herstellt. Beide Männer sollen nach Wolters Angaben seit 2017 eine „korruptive Beziehung“ gepflegt und einen illegalen Gewinn von 860.000 Euro erwirtschaftet haben. Und so sollen die verbotenen Geschäfte abgelaufen sein: Der Vertriebsleiter griff sich Kundenanfragen an das Osteroder Unternehmen und leitete diese an die Firma des Norderstedters weiter. Im System der Osteroder Firma löschte er die Anfragen.
Ermittler werden den beiden Männern eine „korruptive Beziehung“ vor
Der Deutsch-Iraner in Norderstedt gab sich nach Informationen der Staatsanwaltschaft dann als offizieller Vertriebspartner der Osteroder Firma aus und behauptete, dort seien direkte Bestellungen nicht möglich. Gemeinsam mit dem Vertriebsleiter habe er dann Angebote für die potenziellen Kunden erstellt.
Wenn dieser bestellte, soll der Norderstedter die Ware in Osterode geordert haben, wobei der Vertriebsleiter möglichst niedrige Preise in Rechnung stellte. Den Gewinn sollen sich beide Männer geteilt haben. Auf diese Art und Weise seien 43 Geschäfte mit einem Gewinn von mehr als 860.000 Euro zustande gekommen, sagte Wolters. Dabei entstand ein hoher Schaden für die Osteroder Firma.
Offenbar haben sich die Täter die Gewinne geteilt
Bei 56 weiteren Geschäften mit einer ähnlichen Masche sollen die Männer mehr als 514.000 Uhr verdient haben. Außerdem wird dem Vertriebsleiter Diebstahl bei seinem Arbeitgeber vorgeworfen. Er soll Waren im Wert von 21.000 Euro entwendet haben, die der Norderstedter laut Braunschweiger Staatsanwaltschaft weiterverkaufte und dafür seinen mutmaßlichen Komplizen mit Bargeld bedachte. Insgesamt habe der Norderstedter dem Osteroder 868.500 Euro zukommen lassen, vermuten die Ermittler.
Wegen des Braunschweiger Haftbefehls und des bevorstehenden Strafverfahrens bleibt der Norderstedter nach dem Urteil in Hamburg trotz der langen Untersuchungshaft im Gefängnis. Seine Wohn- und Geschäftsräume in Norderstedter waren wegen der Iran-Geschäfte nach einem Antrag des Generalbundesanwalts im September 2021 durchsucht worden. Die Polizei nahm damals den Deutsch-Iraner fest. Um das umfangreiche Beweismaterial abzutransportieren, hatten BKA und Zollfahndung einen Lastwagen der Bundespolizei angefordert.
- Prozess: Norderstedter wegen Verstoßes gegen das Iran-Embargo zu Haftstrafe verurteilt
- Prozess Hamburg: Norderstedter soll Material für Atombomben exportiert haben
- Atomwaffen: Iran-Embargo gebrochen? Norderstedter in U-Haft
Im Hamburger Verfahren habe der nicht vorbestrafte Angeklagte die Vorwürfe und Fehler zugegeben, aber kein vollumfängliches Geständnis abgelegt, wie von seinen Verteidigern behauptet wird. „Wir haben Ihnen Brücken gebaut, über die Sie aber nicht gehen wollten“, sagte die Richterin. Der Angeklagte habe „lamentiert, Beleidigungen ausgesprochen und dem Zoll die Schuld gegeben“. Angeblich habe er erst in der Haft erfahren, dass er für die Ausfuhren eine Genehmigung brauchte.