Henstedt-Ulzburg. Kurzfristig muss die Politik über rechtliche Maßnahmen gegen den Baubeginn der umstrittenen Stromleitung entscheiden.
An eine politische Weihnachtspause war in Henstedt-Ulzburg nicht zu denken. Hektisch wurde in den letzten Tagen zwischen den Fraktionen, der Verwaltung und auch der Rechtsanwältin Angelika Leppin telefoniert, es gab diverse Videokonferenzen. Denn dass der Netzbetreiber Tennet schon jetzt durch das Land eine Genehmigung bekommen hat, um vorbereitende Arbeiten für die Ostküstenleitung durchzuführen, setzt die Großgemeinde gehörig unter Druck. Schließlich gibt es hier erklärten Widerstand gegen den Verlauf der 380-Kilovolt-Trasse, die von Ostholstein bis zur Autobahn 7 führen soll und die ein Infrastrukturprojekt mit bundesweiter Bedeutung ist.
In einer Sondersitzung des Planungs- und Bauausschusses, die bereits am kommenden Montag, 2. Januar (18.30 Uhr, Ratssaal), stattfinden wird, muss eine Strategie gefunden werden, um mit der neuen Situation umzugehen. „Es geht darum, dass Tennet Bohrungen beantragt und genehmigt bekommen hat. Es gibt die Möglichkeit, dass die Gemeinde dagegen vorgeht“, sagt Stephan Holowaty, Vorsitzender des Gremiums.
Henstedt-Ulzburg: Eilklage gegen Ostküstenleitung? Gemeinde ist unter Druck
Also mit einer Klage, die Rechtsanwältin Leppin von der Kieler Kanzlei Weissleder Ewer beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einreichen müsste. Und zwar sehr bald, denn die Frist läuft bis 15. Januar 2023. „Es geht eben nicht nur darum, Bäume und Knicks zu entfernen“, so der FDP-Politiker. Gehölzschnitte ist bekanntlich nur in Wintermonaten möglich. Auch Schutzzäune für Amphibien oder Quartiere für Haselmäuse sind nicht die Aufreger. „Es geht Tennet darum, Tatsachen zu schaffen.“
Die Erdkabel werden bekanntlich als Düker, also in speziellen Leitungen, unterirdisch verlegt. Hierfür sollen, so plant es Tennet, jetzt bereits Zufahrten, Bauflächen und Bohrpfähle errichtet werden, wofür auch Gruben ausgehoben werden. Auch kleinere Kabelübergangsanlagen sind jetzt schon genehmigt, verbunden mit mehrmonatigen Tiefbauarbeiten. Der Netzbetreiber argumentiert: Würden diese Maßnahmen erst Mitte 2023 beginnen, wäre eine Fertigstellung der Düker erst 2025 zu erwarten.
Netzbetreiber Tennet: Alle Arbeiten können rückgängig gemacht werden
Alle beantragten Maßnahmen sind reversibel, heißt es zwar in den Unterlagen. Denn es gibt ja noch keinen Planfeststellungsbeschluss, ein solcher könnte irgendwann zwischen Frühjahr und Sommer vorliegen. Und auch hier hätte die Gemeinde eine Klagemöglichkeit. Würde also die Ostküstenleitung vor Gericht scheitern, wäre der Netzbetreiber dazu verpflichtet, alle Vorbereitungsarbeiten rückgängig zu machen.
Holowaty nennt das Vorgehen trotzdem einen „Taschenspielertrick“. De facto, so sieht nicht nur er es, beginnt hier die Konstruktion der gesamten Ostküstenleitung. Und wenn dann in einem halben Jahr bereits viele bauliche Grundlagen geschaffen sind – wie soll Henstedt-Ulzburg dann argumentieren?
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Auffällig ist: Das geplante Umspannwerk auf einer landwirtschaftlichen Fläche am Beckershof, nahe der Autobahn 7 (Eigentümer ist der Gemeindepolitiker Tile Abel), ist nicht Bestandteil der vorgezogenen Arbeiten. Ansonsten hätte die Gemeinde einen Ansatzpunkt gehabt, da hier geplante Ausgleichsflächen und auch Gebiete für künftigen Wohnungsbau betroffen wären.
Henstedt-Ulzburg: Ostküstenleitung – Offene Erfolgschancen vor Gericht
Das Bundesverwaltungsgericht müsste abwägen: Zählt das öffentliche Interesse, also ein möglicher schneller Bau der Ostküstenleitung, mehr als die Belange der Gemeinde, etwa bei der Planungshoheit? Und um überhaupt zu verhindern, dass Fachfirmen zur Tat schreiten, muss zudem ein Eilverfahren angestrengt werden. Angelika Leppin hat Verwaltung und Fraktionen bereits vorgewarnt, dass die Chancen nicht sehr hoch sind.
In der Vergangenheit hatte es in Henstedt-Ulzburg stets eine politische Mehrheit gegeben, die gegen den Verlauf der Leitung ist und einen Korridor entlang der künftigen Autobahn 20 fordert – was Tennet unter Verweis auf vorliegende Analysen wiederholt abgelehnt hat. „Niemand bestreitet die Notwendigkeit der Energiewende“, so Stephan Holowaty. „Wir streiten nur um die Trasse.“