Henstedt-Ulzburg. Netzbetreiber Tennet beginnt mit der Umsetzung der Pläne. Was das für den Protest in Henstedt-Ulzburg bedeutet.
Es ist ein Bild des Jammers: Auf der Weide an der Kreuzung Hamburger Straße/Kadener Chaussee in Henstedt-Ulzburg manifestierte sich einst der geballte Protest gegen die Pläne der Tennet, eine Starkstromleitung quer durch den Ort zu führen. Die sogenannte Ostküstenleitung.
Aber statt des Riesen-Protestschildes steht dort nur noch ein Trümmerhaufen. Niemand kümmert sich mehr darum. Der sichtbare Protest ist vergammelt und zusammengebrochen. Haben die politischen Parteien aufgegeben?
Eine Nachricht, die kürzlich im Hamburger Abendblatt stand, hatte für Aufregung gesorgt: „Tennet schafft Fakten - Bau der Ostküstenleitung beginnt“, lautete die Schlagzeile am 10. November. Tatsächlich hatte bis zu diesem Zeitpunkt niemand gewusst, dass der Netzbetreiber Tennet das Ergebnis des Planfeststellungsverfahrens nicht abwarten will, sondern still und heimlich mit der Umsetzung der – zumindest in Henstedt-Ulzburg – umstrittenen Pläne beginnt.
Henstedt-Ulzburg: Bröckelt der Widerstand gegen die Ostküstenleitung?
Die Ostküstenleitung soll den Strom, der mit Windkraftanlagen in Schleswig-Holstein oder anderswo produziert wird, in andere Teile Deutschlands transportieren. Deshalb ist der Bau der seit Jahren diskutierten Leitung nötig. Ein großes Dorf in Schleswig-Holstein aber gibt nicht auf: Henstedt-Ulzburg will die 380-kV-Stromtrasse zwar grundsätzlich, aber niemals quer durch den Ort.
Es wurde Widerspruch bei der Planfeststellungsbehörde in Kiel eingereicht und nach wie vor wird eine Klage dagegen angestrebt, wenn der demnächst erwartete Planfeststellungsbeschluss nicht im Sinne der Gemeinde ausfällt: Keine Ostküstenleitung quer durch den Orts, weder über der Erde, noch unter der Erde. Stattdessen wird eine Trassenführung der Leitung entlang der Autobahn gefordert.
Der Netzbetreiber bietet den unterirdischen Leitungsbau als Kompromiss an
Der Netzbetreiber ist von seinen ursprünglichen längst abgerückt und hat der Gemeinde einen Kompromissvorschlag unterbreitet: Im Gespräch ist aktuell die Verlegung einer Erdleitung. Zwei durchgehende, 965 Meter lange Röhren, beginnend westlich der Usedomer Straße, endend östlich der Pinnau-Wiesen, sollen die Kabel aufnehmen.
Sichtbares Zeichen des einst parteiübergreifenden Protestes war das große Schild an der Hamburger Straße/Ecke Kadener Chaussee. Jahrelang war dort in großen Buchstaben zu lesen, was alle Ratsfraktionen fordern: „Stopp. Keine 380-kV-Stromtrasse“. Jetzt ist dort nur noch ein Trümmerhaufen zu sehen. Und niemand greift ein, um das Schild wieder aufzustellen.
Grüne im Ort wollen das Vorhaben nicht mehr länger blockieren
Der Blockwagen, auf den das Protestschild einst montiert war, ist zusammengebrochen, Fragmente des Protestschildes liegen verstreut in dem Holzhaufen. Nichts deutet mehr auf eine breit angelegte Protestbewegung im Ort hin. Hat dieser traurige Anblick Symbolkraft?
Wenn es nach den Grünen in Henstedt-Ulzburg ginge, mit Sicherheit. Denn die haben die Protestbewegung bereits vor Monate verlassen und stehe nicht mehr hinter dem Ansinnen ihrer politischen Kollegen. Sie wollen das Voranschreiten der Energiewende nicht länger blockieren.
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Tatsächlich könnte Henstedt-Ulzburg sich als Hindernis für den Stromtransport erweisen: Wenn die angestrebte Klage vor dem Verwaltungsgericht eingereicht wird, herrscht möglicherweise für längere Zeit Unklarheit, wie es weitergehen soll. Das wollen die Grünen nicht mitmachen.
Der Protest der anderen geht auch ohne das Riesenschild weiter
Die anderen Fraktionen lassen sich allerdings auch durch das vergammelte Protestschild nicht beirren. Mit dem Protestschild ist die eigentliche Protestbewegung noch längst nicht zusammengebrochen. „Das hat nichts zu bedeuten“, sagt Horst Ostwald, Vorsitzender der SPD-Fraktion. „Wir warten jetzt auf das Ergebnis des Planfeststellungsverfahrens, dann entscheiden wir, ob wir vor das Verwaltungsgericht gehen und dort Klage einreichen.“
Auch Karin Honerlah, Fraktionsvorsitzende der WHU, sieht wegen des zusammengebrochenen Schildes keinen Anlass, von der Protesthaltung abzurücken. „Ob unsere Argumente sich vor Gericht als stichhaltig erweisen, bleibt abzuwarten“, sagt die Politikerin. CDU, FDP und die Wählergemeinschaft BfB stehen ebenfalls noch hinter dem Protest.