Norderstedt. Initiative: Flugzeuge pusten in Hamburg deutlich mehr CO2 in die Luft als im Vorjahr. Der Airport widerspricht – die Argumente.

Der gerade wieder stark zunehmende Flugverkehr von und nach Hamburg-Fuhlsbüttel hat massive Klimaschäden zur Folge. Zu dieser Auffassung kommt die Notgemeinschaft der Flughafen-Anlieger Hamburg. Die Initiative, die sich seit mehr als 50 Jahren für Fluglärmschutz und saubere Luft einsetzt, hat ausgerechnet, dass der vom Flughafen ausgehende Klimaschaden gegenüber dem Vorjahr um 69 Prozent gestiegen ist.

Damit sei der Schaden mehr als doppelt so hoch wie nach den Klimazielen geboten. Nach Schätzungen der Notgemeinschaft sind die negativen Folgen für das Klima durch das Kerosin, das die Flugzeuge in Hamburg tanken, sogar größer als der Schadstoffausstoß aller rund 750.000 Hamburger Benzinfahrzeuge zusammen.

Norderstedt: Immer mehr Flüge, aber: Wie groß ist der Klimaschaden?

Die Norderstedter Interessengemeinschaft für Fluglärmschutz (NIG), in der sich vom Fluglärm betroffene Anwohner zusammengeschlossen haben, teilt die Kritik: „Mit jedem Flugzeug, das hier startet oder landet, wird das klimaschädliche CO2 in die Luft gepustet. Vor allem die Starts wirken belastend“, sagt der NIG-Vorsitzende Hans-Joachim Hartmann. Klar sei, dass nicht nur die Hamburger unter der schlechten Luft zu leiden hätten, sondern natürlich auch die Norderstedter – über die Norderstedter Bahn werden vor allem die Starts abgewickelt.

Der Klimaschaden durch den Flugverkehr sei für die Hamburger Klimabilanz mehr als bedrückend,, stellt die Notgemeinschaft fest. Der Flugverkehr sei ein „Schandfleck auf der Klimaweste Hamburgs“. Gebhard Kraft, Vorsitzender der Notgemeinschaft: „Der angeblich klimaneutrale Flughafen Hamburg hat auch in 2022 nicht ein einziges klimaneutrales Flugzeug landen oder starten lassen. Eine weitere Steigerung des Klimaschadens – wie mit dem Sommerflugplan 2023 beabsichtigt – darf es nicht geben“.

Initiative fordert: Flüge halbieren, um die Klimaziele zu erreichen

Die Notgemeinschaft fordert den Senat auf, endlich wirksame Maßnahmen zur Begrenzung der Hamburger Klimaschäden durch den Flugverkehr zu ergreifen und die Anzahl der Kerosin-Flüge zu halbieren. Anderenfalls könne Hamburg seine Klimaziele nicht erreichen.

Auch NIG-Chef Hartmann plädiert dafür, die Zahl der Flüge zu deckeln. „Wobei sich die Frage stellt, auf welcher Basis die Grenze gezogen wird, welche Zahl als noch akzeptabel gilt.“ Der Norderstedter ist allerdings skeptisch, dass Hamburg seinem Flughafen einen Deckel verpasst. Die Erfahrungen mit dem Fluglärm hätten gezeigt, dass bei den Politikern in der Metropole eher die Wirtschaftskraft des Airports eine Rolle spielt als der Schutz vor Lärm und schädlichem Kerosin.

Flughafen: Berechnung der Notgemeinschaft ist nicht nachvollziehbar

Ganz anders stellen sich die Dinge aus Sicht der Flughafenbetreiber dar. „Die von der Initiative genannten Werte sind aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar, da weder Quellen noch Berechnungsweise genannt werden. Eine seriöse Berechnung ist im laufenden Jahr zudem aus verschiedenen Gründen nicht möglich“, sagt Flughafen-Sprecherin Janet Niemeyer. Emissionsdaten könnten auf verschiedene Arten ermittelt werden.

Für den Schadstoffausstoß der Fluglinien seien mehrere Faktoren maßgeblich: der Umfang der Flüge, deren Flugdistanz, gegebenenfalls die Menge des getankten Kerosins, der Flugzeugtyp und eventuell sogar der Triebwerkstyp. Der Flughafen ermittele den CO2-Ausstoß nach dem sogenannten LTO-Zyklus (Landing and Take-Off Cycle), ein internationaler Standard zur Berechnung der lokalen verkehrsabhängigen CO2-Emissionen

„Zahl der Flüge steigt, dennoch ist der CO2-Ausstoß um 15 Prozent gesunken“

Hierbei werden die Triebwerksemissionen nach internationalen Vorgaben berechnet und beziehen sich auf eine Flughöhe von bis zu 3000 Fuß (915 Meter). In einem Umkreis von 34 Kilometer rund um den Flughafen errechnet sich der Anteil der Verkehrsemissionen, der dem Hamburger Gebiet zuzurechnen ist. „Im Jahr 2019 waren dies für den Luftverkehr in Hamburg rund 128.000 Tonnen CO2“, sagt Niemeyer.

1990 seien es noch 148.000 Tonnen gewesen. Obwohl die Zahl der Flüge seit 1990 deutlich zugenommen habe, habe der CO2-Ausstoß durch verbesserte Flugzeug-Technologien und zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen am Flughafen um 15 Prozent gesenkt werden können.

Flughafen: Ein Vergleich mit den Corona-Jahren verfälscht das Bild

„Im Jahr 2021 war der Flugverkehr wegen der Corona-Pandemie eingebrochen, die CO2-Emissionen lagen bei 52.000 Tonnen CO2 und damit um rund 42 Prozent unter dem des Wert von 2019“, sagt die Flughafensprecherin. Ein Vergleich zu den Corona-Jahren 2020 und 2021, in denen zeitweise nur wenige Flüge am Tag registriert wurden, verfälsche daher das Bild. Niemeyer weist zudem darauf hin, dass der Flughafen oder auch das Statistische Landesamt (Verursacherbilanz), empirisch nachprüfbare Bilanzen erst im Folgejahr erstellten.

Grundsätzlich erwarte der Flughafen Hamburg für 2022 ein stärkeres Flugaufkommen als in den Krisenjahren 2021 und 2020 – denn in diesen Jahren waren die Verkehrszahlen aufgrund der Corona-Reiserestriktionen auf einen Tiefststand gesunken. „Gleichwohl wird der Umfang an Flügen noch mindestens 30 Prozent geringer ausfallen als im Vor-Corona-Jahr 2019. Insofern wird auch der CO2-Ausstoß im Jahr 2022 erwartbar deutlich unterhalb des Vorkrisenniveaus von 2019 liegen“, prognostiziert Janet Niemeyer.

Norderstedt: Immer mehr Flüge, aber: Wie groß ist der Klimaschaden?

Was den Betrieb am Boden angeht, sei der Hamburger Flughafen Hamburg seit Ende 2021 CO2-neutral und damit der erste größere Airport in Deutschland, der dieses Zertifikat erhalten habe. Solarbetriebene Fahrgasttreppen, rein elektrische Flugzeugschlepper, ein eigenes Blockheizkraftwerk, grüner Strom und ein Wald in Kaltenkirchen, in dem der Flughafen jedes Jahr neue Bäume pflanze, seien Bausteine der guten und gutachterlich bestätigten Klimabilanz.

Die CO2-Neutralität müsse jährlich nachgewiesen werden, die Emissionen müssten dabei im Durchschnitt der letzten drei Jahre sinken. Umweltverbände hatten das Zertifikat allerdings als „Mogelpackung“ bezeichnet.