Hamburg. Die Flughafengesellschaft präsentierte am Mittwoch das Zertifikat. Umweltverbände sprechen jedoch von einer Mogelpackung.
So wie Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) dürfte es vielen Hamburgern gehen: „Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass von den öffentlichen Unternehmen der Stadt ausgerechnet der Flughafen als erstes die CO2-Neutralität erreicht.“ Dies ist Michael Eggenschwiler, dem Vorsitzenden der Airport-Geschäftsführung, am Mittwoch gutachterlich bestätigt worden.
„Hamburg ist Vorreiter, andere Flughäfen und Unternehmen sind von CO2-Neutralität noch weit entfernt“, sagte Eggenschwiler anlässlich der Überreichung des Akkreditierungsdokuments durch die Umweltgutachterin Heike Schwerdtner-Weber. Tatsächlich ist der Flughafen in Fuhlsbüttel der erste größere Airport in Deutschland, der diese Stufe erreicht.
Hamburg Airport: Vorfeld seit fünf Jahren dieselfrei
Möglich sei das nur deshalb geworden, „weil wir schon vor über zehn Jahren begonnen haben, konsequent darauf hinzuarbeiten, so Eggenschwiler. Konkrete Beispiele für diese Bemühungen präsentierte er den Senatoren Dressel und Michael Westhagemann (Wirtschaft, parteilos) bei strahlendem Sonnenschein auf dem Vorfeld – unter anderem solarbetriebene Fluggasttreppen und einen rein elektrischen Flugzeugschlepper. Als erster internationaler Verkehrsflughafen habe man bereits Ende 2016 alle dieselbetriebenen Fahrzeuge auf einen synthetischen, emissionsärmeren Kraftstoff umgestellt, hieß es: „Seit über fünf Jahren haben wir auf unserem Vorfeld keinen Tropfen fossilen Diesel genutzt.“
Für eine umweltschonende Klimatisierung in den Terminals setzt das Unternehmen auf ein sogenanntes „Thermolabyrinth“: In rund elf Metern Tiefe wird angesaugte Außenluft auf natürliche Weise vorgekühlt oder vorgewärmt, bevor sie in die Klimaanlagen gelangt. Etwa 70 Prozent des Wärmeenergiebedarfs werden mit einem eigenen Blockheizkraftwerk abgedeckt, der zugekaufte Grünstrom stammt zu 100 Prozent aus CO2-neutralen Quellen. Zudem pflanzt der Flughafen auf seinem gut 750 Hektar großen Waldgelände in Kaltenkirchen immer weitere Bäume an, die CO2 aus der Atmosphäre binden.
Flugbetrieb in CO2-Rechnung nicht berücksichtigt
Seit 2009 sei der CO2-Ausstoß der Fahrzeuge und Anlagen von jährlich 40.000 Tonnen auf aktuell 8700 Tonnen verringert worden, also um 78 Prozent, berichtete Eggenschwiler. Um den Rest zu kompensieren, müsse der Flughafen noch in „hochwertige Ausgleichszertifikate“ investieren, mit denen internationale Klimaschutzprojekte finanziert werden. Bis spätestens bis 2035 soll das nicht mehr nötig sein, weil dann gar kein CO2 mehr emittiert wird.
Zwar werden Flugzeuge in Hamburg am Boden mit grün erzeugtem „Landstrom“ versorgt, damit kein Kerosin in den Hilfstriebwerken verbrannt werden muss. Doch die Klimaauswirkungen des eigentlichen Flugbetriebs sind in der Rechnung des Flughafens nicht berücksichtigt. Der CO2-Ausstoß der Jets wird der jeweiligen Fluggesellschaft zugerechnet und nicht dem Flughafen. „Es wäre eine Doppelbilanzierung, wenn die Flugzeugemissionen auch dem Flughafen angerechnet würden“, sagt Eggenschwiler dazu.
Kritik kommt von Umweltverbänden
Doch diese Trennung stößt bei Umweltschützern auf heftige Kritik. „Das Label ‚CO2-neutraler Flughafen‘ ist eine riesige Mogelpackung, ein Greenwashing, wie es perfider kaum geht“, findet der stellvertretende Vorsitzende des BUND Hamburg, Martin Mosel. Der Flugverkehr genieß in Hamburg nicht nur „das große klimapolitische Privileg der Unantastbarkeit“, so Mosel, „jetzt soll noch der Eindruck vermittelt werden, dass Fliegen klimaneutral geht.“
Als „Showveranstaltung, die in keiner Weise der Klimakrise gerecht wird“, bezeichnete der Initiativkreis Klima- und Fluglärmschutz (IK) die Verleihung des Akkreditierungsdokuments. Denn gemäß der aktuellen Hamburger Klimabilanz für 2020, ermittelt durch das Statistikamt Nord, sei der Hamburger Flughafen einschließlich des Flugbetriebs selbst im Corona-Jahr 2020 für insgesamt 463.000 Tonnen CO2-Emissionen verantwortlich gewesen. Dies entspreche einer Klimalast von 1,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. Dieser Wert ergibt sich, wenn auch andere klimaschädliche Substanzen wie Stickoxide, Aerosole und Wasserdampf, die bei der Verbrennung von Kerosin entstehen, mit einbezogen werden, ebenso wie die Tatsache, dass sich solche Emissionen in großer Höhe stärker auf den Treibhauseffekt auswirken, als würden sie am Boden freigesetzt.
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Darüber hinaus stellen die Umweltschutzverbände die Unabhängigkeit der Organisation, von der das Dokument über die CO2-Neutralität stammt, in Frage: Das Projekt „Airport Carbon Accreditation“ sei direkt an den „Flughafen-Lobbyverband“ ACI Europe angebunden, der mehr als 500 Flughäfen in 55 Ländern vertritt. Außerhalb Deutschlands ist die Akkreditierung als „CO2-neutral“ nach diesen Regeln gar nicht so selten: 47 europäische Flughäfen, darunter Amsterdam, Oslo, Kopenhagen, Brüssel, London-Gatwick und Toulouse, haben diese Stufe ebenfalls erreicht.