Norderstedt. Lehrerin bezeichnet Krankenstand als “gigantisch“. Auch Kitas stark betroffen. Die aktuelle Lage im Kreis Segeberg.

  • Erkältungswelle überrollt Schulen in Norderstedt und dem Kreis Segeberg
  • Fast überall fällt wegen der Personalnot Unterricht aus
  • Auch Kitas betroffen: Viele Kinder und Erzieher krank

So heftig war es wohl noch nie. Die aktuelle Infektionswelle sorgt für Personalnotstand an vielen Schulen. Fast überall kommt es zu Unterrichtsausfällen. Einige Lehrer schicken ihren Schülern sogar vom Krankenbett aus Aufgaben. Der Krankenstand sei gigantisch, heißt es. Einige Schulen konnten nur mit Mühe den Betrieb aufrechterhalten.

„Wir haben einen Personalnotstand“, sagt der Leiter der Gemeinschaftsschule Harksheide, Rainer Bülck. Im Kollegium fehlen durch Krankheit bis zu zehn Lehrer. Bei den Schülern lägen die Ausfälle bei 20 bis 50 Prozent. Im Vergleich zur Situation vor zwei Wochen habe sich die Situation dennoch leicht entspannt. „Das war extrem“, sagt Bülck. Damit die Kinder den versäumten Stoff nachholen können, stehe der Unterricht wie zu Corona-Zeiten auch als Onlinevariante zur Verfügung.

Schule Norderstedt: "Heftig wie noch nie" – Infektionswelle führt zu Personalnot

Allein am Coppernicus-Gymnasium sind derzeit etwa zehn von 68 Lehrkräften nicht im Dienst. Und das ist noch nicht mal der Höhepunkt: Es gab Tage, an denen 16 Lehrer fehlten. „Der Krankenstand hat bei uns schon ein bisschen den Peak überschritten. Natürlich sind noch viele Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler krank, und es fällt Unterricht aus, aber es wird besser“, sagt Heike Schlesselmann, Leiterin des Coppernicus-Gymnasiums. Es bleibe viel liegen, und Arbeiten müssten nachgeschrieben werden – was dann für beide Seiten stressig sei.

Schulleiter Rainer Bülck spricht von einem „Personalnotstand“ an seiner Gemeinschaftsschule Harksheide.
Schulleiter Rainer Bülck spricht von einem „Personalnotstand“ an seiner Gemeinschaftsschule Harksheide. © Michael Schick

Auch am Lise-Meitner-Gymnasium ist der Krankenstand „gigantisch“, so Sylvia Poppendieck, stellvertretende Schulleiterin. Derzeit seien etwa 20 Prozent der Lehrer krank. Das Problem: „Früher sind Kollegen im Krankheitsfall meistens nur tageweise ausgefallen, heute ist es aufgrund der Schwere der Krankheit sofort meist eine ganze Woche oder mehr“, sagt Sylvia Poppendieck. Die Kombination aus Corona und Erkältungskrankheiten habe die Zahl der Krankentage regelrecht explodieren lassen. Obwohl man bereits Wandertage umorganisiert habe und sich bemühe, Ausfälle zu vermeiden, könne das nicht immer verhindert werden.

Norderstedt: Lehrer schicken Schülern Aufgaben vom Krankenbett aus

„Aber viele Lehrer schicken ihren Klassen vom Krankenbett aus Aufgaben, die die Schüler bearbeiten können, damit der Stoff nicht liegenbleibt.“ Zusätzlich wird die ganze Situation noch dadurch erschwert, dass gerade das Vorabitur geschrieben wird – und „viele Schüler die Klausuren wegen Krankheit ebenfalls nachholen müssen“, so Poppendieck. Da jede dieser Klausuren jedoch sechs Stunden dauert, müssten dafür ebenfalls Lehrer als Aufsicht abgestellt werden. Insgesamt könne man die Situation gerade noch bewältigen, allerdings nur aufgrund des großen Engagements seitens des Kollegiums.

Am Lise-Meitner-Gymnasium seien derzeit etwa 20 Prozent der Lehrer krank berichtet die stellvertretende Schulleiterin, Sylvia Poppendieck-Kruse.
Am Lise-Meitner-Gymnasium seien derzeit etwa 20 Prozent der Lehrer krank berichtet die stellvertretende Schulleiterin, Sylvia Poppendieck-Kruse. © FUNKE Foto Services | Claas Greite

Auch Carem Sommer von der Grundschule Alter Landweg in Kaltenkirchen stellt eine leichte Entspannung, aber weiter außerordentlich hohe Krankheitszahlen fest. Derzeit fehlen zwischen vier und sechs Kinder pro Klasse, noch vor Kurzem fehlte etwa die Hälfte. Von den 15 Lehrern waren fünf oder sechs ausgefallen. Jetzt sind es zwei.

Lehrer unterrichtet drei Klassen gleichzeitig – wegen Personalnot

Der Ausfall von Lehrern habe dazu geführt, dass zeitweise drei Klassen in der Turnhalle von einem Lehrer betreut wurden. „So heftig war das noch nie“, sagt die Schulleiterin. „Corona war nichts dagegen.“ Nur mit Mühe sei es gelungen, den Schulbetrieb aufrechtzuerhalten. Besonders auffällig sei bei den Schülern die Länge der Krankheit, die bei einigen über Wochen andauere.

„Das Virus greift um sich“, sagt Johanna Gilleßen, Leiter der Grundschule Flottkamp in Kaltenkirchen. Bis zu zehn Kinder pro Klasse seien krank gewesen, auch im Kollegium sei es zu Ausfällen gekommen. Dennoch sei es der Schule gelungen, Schulausfälle zu verhindern und die Verlässlichkeit zu gewährleisten.

Mutter berichtet: „Situation setzt Kinder enorm unter Druck“

Wie angespannt die Situation für Schüler ist, beschreibt eine Mutter: „Die Situation setzt die Kinder enorm unter Druck. Besonders an den Gymnasien ist der Druck groß, im Krankheitsfall den Unterrichtsstoff nachzuarbeiten. Aber wie soll das gehen, wenn die Kinder krank sind“, so die betroffene Mutter, deren Kinder nacheinander krank waren. „Insgesamt fünf Wochen waren die Kinder jetzt reihum zuhause und brauchten Betreuung.“

Ein weiteres Problem: „Aus Angst, wichtigen Unterrichtsstoff zu verpassen und den Anschluss zu verlieren, wollen die Kinder so schnell wie möglich wieder zur Schule und kurieren sich nicht richtig aus“, so die Erfahrung der Mutter. Doch sobald sie wieder in der Schule seien, müssen Arbeiten nachgeschrieben werden.

Akute Atemwegserkrankungen: Auch Kitas in Norderstedt stark betroffen

Auch Kitas sind stark betroffen. Wie in den Schulen leiden nicht nur viele Jungen und Mädchen an akuten Atemwegserkrankungen. Auch das pädagogische Personal infiziert sich und fällt für den Kita-Betrieb aus.

„Die Personallage ist sehr angespannt. Aber noch ist sie keine Katastrophe“, sagt Ulf Bünning, Geschäftsführer der Norderstedter Kitas „Der Kinder wegen“. Sieben Einrichtungen zählt das Unternehmen. In der kleinsten Kita arbeiten elf Erzieherinnen und Erzieher – wenn alle gesund sind. Derzeit fehlen fünf pädagogische Kräfte. „Wir retten uns irgendwie durch den Winter“, sagt Bünning.

Kitas in Norderstedt: Krankheitsausfälle durch Fachkräftemangel verschärft

Um Lücken zu füllen, muss immer wieder Personal aus einer anderen Kita mit weniger Krankheitsausfällen einspringen. „Wir müssen uns gegenseitig unterstützen. Deswegen arbeiten wir zurzeit einrichtungsübergreifend“, sagt Ulf Bünning im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt.

Die Personallage in den sieben Norderstedter Kitas Der Kinder wegen ist angespannt – „aber noch keine Katastrophe“, sagt Geschäftsführer Ulf Bünning.
Die Personallage in den sieben Norderstedter Kitas Der Kinder wegen ist angespannt – „aber noch keine Katastrophe“, sagt Geschäftsführer Ulf Bünning. © Funke Medien | Claas Greite

Zum hohen Krankenstand kommt der ohnehin schon bestehende Fachkräftemangel erschwerend hinzu. Doch immerhin in dieser Angelegenheit kann der Geschäftsführer von Der Kinder wegen eine positive Entwicklung vermerken: „Wir haben in den letzten sieben Wochen sieben neue Leute eingestellt“, berichtet er. Allerdings fangen die meisten davon erst Anfang des nächsten Jahres an zu arbeiten. Solange gilt es die Krankheitswelle mit dem vorhandenen Personal irgendwie zu überstehen. „Wir fiebern alle auf die Weihnachtspause hin.“

Norderstedt: Kita-Gruppen werden zum Teil zusammengelegt

Kein Einzelfall – auch in anderen Kitas ist die Situation zum Teil dramatisch. „Es gibt Gruppen, in denen alle Erzieher krank sind“, sagt eine Erzieherin, die anonym bleiben möchte. Der Krankenstand sei so hoch, dass die Kitaleitung Eltern gebeten habe, ihre Kinder zuhause zu betreuen – sofern das möglich sei.

Die städtischen Kitas in Norderstedt sind „teils erheblich von der allgemeinen Infektionswelle betroffen“, berichtet auch Rathaussprecher Bernd-Olaf Struppek. Dort, wo gleichzeitig mehrere Betreuungskräfte erkrankt seien, komme es zu Einschränkungen.

„In diesen Fällen werden die Eltern jeweils schnellstmöglich und mit möglichst großem Vorlauf informiert“, so Struppek. Weil zum Teil auch viele Kinder erkrankt seien und deshalb fehlten, seien zudem Gruppen zusammengelegt worden.