Bad Bramstedt/Hamburg. Umzug nach Bad Bramstedt wurde für Familie Lagerfeld zum Desaster. Die bisher unbekannte Geschichte wird jetzt erstmals erzählt.

Die Bestsellerautorin Heike Koschyk alias Sophie Bonnet hat den zweiten Band ihrer Familiensaga über die Familie Karl Lagerfelds veröffentlicht.

Karl Lagerfeld: Neues Buch über bisher unbekannte Details seiner Jugend

Nach den exklusiven Recherchen im Familienarchiv der Lagerfelds liegt damit ein Buch mit bislang unveröffentlichten Informationen vor – auch über die Kindheit und Jugend des jungen Karls auf Gut Bissenmoor in Bad Bramstedt. Das Abendblatt hat mit der Autorin gesprochen.

Hamburger Abendblatt: Auf welche Neuigkeiten über das Leben Karl Lagerfelds in Bad Bramstedt dürfen sich Ihre Leser freuen?

Heike Koschyk: Mit dem zweiten Band der Serie um die Familie Lagerfeld erhalten die Leserinnen und Leser einen ganz neuen Blick auf das Leben des jungen Karl. Am Ende versteht man, warum er so geworden ist, wie er war. Die Geschichte wird vorwiegend aus Sicht seines Vaters Otto erzählt, der den Ersten Weltkrieg in sibirischer Gefangenschaft verbracht hatte und schon früh ahnte, was nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten auf das Land zukam. Mit dem Kauf des Restgutes Bissenmoor wollte er der Familie einen Zufluchtsort schaffen, an dem sie gut versorgt war. Für seine Frau Elisabeth jedoch, die sich das Leben an der Seite eines Generaldirektors herrschaftlicher vorgestellt hatte, war der Umzug im März 1935 ein Desaster. Was letztlich auch die Kinder zu spüren bekamen.

Karl Lagerfeld zeigte in Bad Bramstedt auch seine liebenswerte Seite

Hat sich die weit verbreitete Einschätzung bestätigt, dass der junge Karl in Bad Bramstedt ein Außenseiter war, der Probleme mit den „Bauernjungen“ des Ortes hatte? Oder genoss er die Rolle des Sonderlings, der sich schon früh mit Design beschäftigte?

Beides. Karl war ein Außenseiter, der nichts mit dem alltäglichen Spiel der anderen Kinder anfangen konnte. Er mochte sich nicht schmutzig machen, hatte vielerlei Phobien, gab sich gerne vornehm und über das Landleben erhaben. Manche Jungen nahmen das als Anlass, ihn zu ärgern. Sobald sich aber jemand für seine Welt interessierte, teilte er sich bereitwillig mit und zeigte seine liebenswerte und großzügige Seite.

„Das Glück unserer Zeit - das Vermächtnis der Familie Lagerfeld“ kostet 15 Euro.
„Das Glück unserer Zeit - das Vermächtnis der Familie Lagerfeld“ kostet 15 Euro. © Goldmann

Welches waren seine glücklichen Momente?

Karl war glücklich, wenn er mit sich alleine war und seinen Gedanken nachhängen, zeichnen oder in den alten Modemagazinen seiner Mutter blättern konnte. Am stärksten jedoch blühte er auf, wenn er für sein Können und seine Begabung bewundert wurde. Karl brauchte das Lob, um sich selbst zu spüren und er arbeitete hart dafür, es sich zu verdienen. Dass sein Kunstlehrer Heinz-Helmut Schulz seine Talente erkannte und förderte, war sicher eine der glücklichsten Erfahrungen jener Zeit.

Wuchs Lagerfeld bei seinen Eltern in einer liebevollen Atmosphäre auf?

Eine liebevolle Atmosphäre gab es damals in den wenigsten Familien. Kinder sollten nicht verzärtelt werden, sie mussten funktionieren. Wärme und Zuwendung waren eher die Ausnahme, das war bei den Lagerfelds nicht anders. Karls Vater Otto war zwar ein Kümmerer und Familienmensch, aber er war beruflich viel unterwegs und kaum präsent. Mutter Elisabeth hingegen hat ihre Kinder in preußischer Strenge erzogen. Waren sie nicht gehorsam, wandte sie Methoden der schwarzen Pädagogik an, die mit subtilen und offenen Demütigungen arbeitete. Um diese Art der Bestrafung zu vermeiden, erspürte Karl sensibel und geradezu seismografisch, was seine Mutter gutheißen würde.

Warum hat er immer wieder bei der Angabe seines Alters geflunkert? Aus Eitelkeit?

Die ersten Flunkereien über sein Alter traten während seiner Zeit in Paris auf. Karl hatte in vielen Dingen geflunkert, nicht nur beim Alter. Das war Teil seiner Selbstdarstellung, mit der er in der Pariser Künstlerszene bestehen wollte. Vor allem wollte er dem Vergleich zu dem talentierten und drei Jahre jüngeren Yves Saint Laurent standhalten. Auch die Eltern wurden Teil seiner Inszenierung. In den Dokumenten aus Otto Lagerfelds Vermächtnis befindet sich beispielsweise die Kopie eines schwedischen Familienwappens, das dieser 1948 in einem Münchner Archiv entdeckt hatte. Karl behauptete daraufhin, sein Vater sei ein schwedischer Baron. Die Mutter adelte er mit interessanten Hobbys und angeblichen künstlerischen Fähigkeiten. Und Gut Bissenmoor wurde kurzerhand zum Schloss samt Dienern und Privatlehrern.

Heike Koschyk durfte das Familienarchiv der Lagerfelds einsehen. Bekannt wurde sie unter dem Pseudonym Sophie Bonnet mit ihren Provence-Krimis.
Heike Koschyk durfte das Familienarchiv der Lagerfelds einsehen. Bekannt wurde sie unter dem Pseudonym Sophie Bonnet mit ihren Provence-Krimis. © Kerstin Petermann

Karls Vater Otto ist mit der Dosenmilch der Marke Glückklee wohlhabend geworden. Welche Spuren hat er in Bad Bramstedt hinterlassen?

Otto Lagerfeld hatte sich im Ort sehr engagiert. Dank der Bürgermeisterin Verena Jeske habe ich ein Dokument einsehen dürfen, in dem er als Gründungsmitglied des Anglervereins Forelle benannt wurde, gemeinsam mit Buchhändler Alfred Warnemünde, dem Gastwirt Fritz Fick, Schulrektor Karl Hintmann und anderen. Außerdem hat er einen Verbindungsweg durch die Felder errichtet, der noch immer benutzt wird. Karl Wagner, der mit seiner Familie bis 1942 im Verwaltertrakt auf Bissenmoor wohnte, wusste zu berichten, dass Otto Lagerfeld 1939 auf dem Grundstück ein Haus für seine Schwestern Lisbeth und Tilla erbaut hat. Das existiert noch heute.

Bislang kaum bekannt: Die Familie Lagerfeld musste in Bad Bramstedt frieren

Nach dem Krieg lebte die Familie auf dem Gut in vergleichsweise bescheidenen Verhältnissen. Was haben Ihre Recherchen darüber ergeben?

Der Umstand, dass die Lagerfelds während der Besatzungszeit über Monate erst im Stall und dann im Kornspeicher leben mussten, ist kaum bekannt. Der Winter 1945/46 war hart und kalt, und während die Besatzer Turngeräte, Schränke und Türrahmen verfeuerten, musste die Familie frieren. Nach Abzug der Briten fanden sie das Gutshaus in einem verwahrlosten Zustand vor, der in den Nachkriegsjahren nur langsam behoben werden konnte. Sanitäre Anlagen waren zerstört, die Zimmer leergeräumt. Was alles fehlte, ist im Stadtarchiv von Bad Bramstedt nachzulesen.

Das Foto mit Karl Lagerfeld (vorne links) und seinen Klassenkameraden entstand Ende der 1940er-Jahre während einer Fünf-Seenfahrt in der Holsteinischen Schweiz.
Das Foto mit Karl Lagerfeld (vorne links) und seinen Klassenkameraden entstand Ende der 1940er-Jahre während einer Fünf-Seenfahrt in der Holsteinischen Schweiz. © HA

Eine Zeit lang hat sich Lagerfeld öffentlich zuweilen aggressiv und verletzend über Bad Bramstedt geäußert. Später war eine gewisse Milde bei ihm festzustellen. Haben Sie Hinweise gefunden, wie er tatsächlich über seine Jahre dort dachte?

Karl hat sich auf dem Land nie wirklich wohl gefühlt. Er war ein überästhetisch empfindender Mensch. In seiner Welt war kein Geruch, kein Makel erlaubt und er ekelte sich vor Tieren. Die Zeit in Stall und Kornspeicher muss schwer zu ertragen gewesen sein. Da half auch die vornehme Kleidung nichts, mit der er sich über seine Mitschüler erhob. Als sich das Leben allmählich normalisierte und Otto Lagerfeld die Glücksklee-Milchwerke aus der Krise führte, konnten Karl und seine Mutter es gar nicht abwarten, nach Hamburg zurückzukehren. Direkt nach dem Schulabschluss kam der Umzug. Die Monate bis zur Fertigstellung des neuen Hauses am Harvestehuder Weg überbrückten sie in der Pension Bristol, die im eleganten Stadtteil Rotherbaum lag.

Karl Lagerfeld: Exklusive Einblicke in das Familienarchiv

Sie hatten exklusiv die Gelegenheit, im Privatarchiv der Familie Lagerfeld zu recherchieren. Wie kam es dazu?

Ich bin seit mehr als zwanzig Jahren mit der Familie Lagerfeld befreundet. Als nach Karls Tod das Interesse am Leben seines Vaters stieg, sah sie die Zeit gekommen, die Inhalte des Familienarchivs und damit auch Otto Lagerfelds Lebenserinnerungen der Öffentlichkeit zugängig zu machen. Da es sich um sehr wertvolle und private Archivalien handelt, wollten sie diese nur in vertraute Hände geben. Als ich die Schätze zum ersten Mal sichten konnte, war ich sofort Feuer und Flamme. Diese einzigartige Geschichte sollte die Welt erfahren! So ist der Roman auch so authentisch wie nur möglich, verbliebene Lücken wurden mit Fiktion gefüllt.