Bad Bramstedt/Hamburg. Erfolgsautorin Heike Koschyk alias Sophie Bonnet schreibt ein Buch über Lagerfelds Zeit in Bad Bramstedt.

Wer glaubt, alle Geschichten über die Jugend von Karl Lagerfeld in Bad Bramstedt seien erzählt, der irrt. Wer sich mit dem verstorbenen Weltstar der Modeszene beschäftigt, stößt immer wieder auf die Erzählungen über den sonderbaren Karl in kurzen Hosen, der so gern zeichnete und mit den Bauernjungen des Ortes nicht viel anzufangen wusste. Auch an das knallrote Jackett haben Zeitzeugen immer wieder erinnert. Lagerfeld trug es beim Abi-Ball im Kaisersaal.

Die Geschichten muten klischeehaft an; sie zeichnen das Bild eines belächelten Sonderlings und wurden stets aus der Perspektive von Mitschülern und Lehrern erzählt. Jetzt könnte die Geschichte dieser ungewöhnlichen Jugend im Holsteinischen neu erzählt werden: Die Hamburger Autorin Heike Koschyk darf exklusiv das Familienarchiv der Familie Lagerfeld auswerten und plant ein zweibändiges Werk. Auch im Bramstedter Stadtarchiv hat sie bereits recherchiert.

Heike Koschyk seit 20 Jahren mit der Familie befreundet

Koschyk ist mit ihren Krimis bekannt geworden, die sie unter dem Pseudonym Sophie Bonnet schreibt. Mit ihrem neuen Buch „Provenzalischer Sturm“ steht sie derzeit in den Bestsellerlisten ganz oben. Und jetzt Lagerfeld? Heike Koschyk liebt authentische historische Stoffe aus Archiven und Nachlässen und ist seit 20 Jahren mit der Familie befreundet.

Auf Gut Bissenmoor in Bad Bramstedt verbrachte Karl Lagerfeld Kindheit und Jugend. Das Gebäude wurde abgerissen.
Auf Gut Bissenmoor in Bad Bramstedt verbrachte Karl Lagerfeld Kindheit und Jugend. Das Gebäude wurde abgerissen. © KLIETZ | KLIETZ

„Das ist ein Schatz“, sagt sie über das Material, das die Lagerfelds ihr zur Verfügung stellten. Karl Lagerfeld hat sie jedoch nie kennengelernt. „Er ist natürlich der Star!“, sagt sie über den kreativen Exzentriker, der sich oft boshaft über seine Mitschüler geäußert hat („Lustgreise“), sich zuweilen jünger rechnete als er wirklich war, im Alter jedoch eine mildere Sichtweise auf die Bramstedter Zeit durchblicken ließ.

Seine Eltern Otto und Elisabeth hatten 1934 das fast 500 Hektar große Gut Bissenmoor bei Bad Bramstedt gekauft und zogen zunächst dorthin, kehrten jedoch 1939 wieder nach Hamburg zurück. Als die Alliierten die Hansestadt massiv bombardierten, ließ sich die Familie erneut auf dem Gut nieder. Karl Lagerfeld besuchte mehrere Jahre die Jürgen-Fuhlendorf-Schule und legte dort die Abiturprüfung ab. 1949 folgte der nächste Umzug nach Hamburg.

Vater Otto Lagerfeld wurde reich mit Dosenmilch

Karl Lagerfeld (vorne links) mit Klassenkameraden Ende der 1940er-Jahre während einer Fünf-Seenfahrt in der Holsteinischen Schweiz.
Karl Lagerfeld (vorne links) mit Klassenkameraden Ende der 1940er-Jahre während einer Fünf-Seenfahrt in der Holsteinischen Schweiz. © HA | HA

Drei Jahre später löste sich Karl Lagerfeld von seiner Familie, ging nach Paris und begann seine Weltkarriere als Modeschöpfer, Designer, Fotograf und Kostümbildner. Er starb am 19. Februar 2019 in seinem Anwesen in der Nähe von Paris, ohne je wieder nach Bad Bramstedt zurückgekehrt zu sein. Das Gut, in dem die Lagerfelds lebten, stand in der Nähe des heutigen Wasserwerks am südlichen Ortsausgangs. Von dem einst herrschaftlichen Gebäude ist nichts mehr zu sehen.

In den beiden Büchern wird es in erster Linie um das Leben von Karl Lagerfelds Vater Otto gehen, der mit der Dosenmilchmarke „Glücksklee“ reich geworden ist und Mitglied der NSDAP war. Doch wer die Geschichte von Otto versteht, wird auch viele Neuigkeiten über seinen Sohn Karl erfahren. „Es geht um die ganze Familiengeschichte“, sagt Heike Koschyk.

Wer sie gelesen hat, um die Spaltung der Familie nach dem Tod Ottos weiß, der wird auch Karl und seinen Lebensweg besser verstehen. Mehr will die Autorin nicht verraten. Sie hat sich verpflichtet, über Einzelheiten des einmaligen Projekts zu schweigen.

Fest steht, dass sie einen Roman über die Lagerfelds schreiben wird, keine spröde Dokumentation. Der erste Teil soll im März 2022 bei der Penguin Verlagsgruppe Random House erscheinen und die Zeit bis Mitte der 20er-Jahre beleuchten. Der zweite Band folgt im Sommer. Darin wird auch Karl eine große Rolle spielen, der 1933 zur Welt kam.

Auf die Bücher folgt eine mehrteilige TV-Serie

Heike Koschyk recherchiert exklusiv im Familienarchiv der Lagerfelds.
Heike Koschyk recherchiert exklusiv im Familienarchiv der Lagerfelds. © Heike Siegert | HA

Koschyks Recherchen werden auch den Stoff für eine Miniserie liefern. Die Hamburger Network Movie Film- und Fernsehproduktion arbeitet an einem Mehrteiler über das bisher weitgehend unbekannte Leben der Familie Lagerfeld mit dem jungen Karl im Mittelpunkt.

Das Drehbuch übernimmt der Autor Christian Schnalke, der durch Filme wie „Krupp – Eine deutsche Familie“ und „Katharina Luther“ bekannt wurde. Die Dreharbeiten sollen 2022 beginnen. Ob an Originalschauplätzen in Bad Bramtedt gedreht wird, ist noch offen. Sicher ist jedoch, dass die Region Hamburg und Schleswig-Holstein Schwerpunkt der Aufnahmen sein wird, um eine größtmögliche Authentizität der Schauplätze zu garantieren.

Jutta Lieck-Klenke, Produzentin und Geschäftsführerin von Network Movie Film- und Fernsehproduktion, sagt über das TV-Projekt: „Nach seinem Tod ist das Interesse der Öffentlichkeit an Karl Lagerfeld ungebrochen. Wie war der junge Karl, wieso brach er seine familiären Bande ab und welche Wendepunkte machten ihn zu einem der größten internationalen Modedesigner? Mit diesem Filmprojekt möchten wir die Tür zu seiner bislang verborgenen Welt öffnen und das Familiengeheimnis der Lagerfelds entschlüsseln.“

Die Herkunft des markanten Mannes mit dem grauen Zopf, dem hohen Kragen und dem langen schwarzen Jackett sei bis heute weitgehend unbekannt.