Norderstedt. Erster Festumzug der Landwirte in Norderstedt seit zwei Jahren. Warum ihnen der Blick in die Zukunft Sorgen bereitet.
Äpfel und Birnen, Kartoffeln und Kohlköpfe, Zwiebeln und Zwetschgen – das Erntedankfest am Sonntag auf dem Norderstedter Rathausmarkt war auch ein Schenkfest. Und so wurden die Taschen und Beutel der Besucherinnen und Besucher rasch von den Obst-, Gemüse- und Getreidebauern mit Obst und Gemüse gefüllt.
Die Landwirte hatten ihre Trecker und Leiterwagen mit bunten Herbstblumen fantasievoll geschmückt und sich und ihre Familien in Bauerntracht mit blauweiß gestreiften Buscherump, rotweiß karierten Schürzen, Hals- und Kopftüchern herausgeputzt.
Erntedankfest: „Mangelnde Wertschätzung“ – Bauern haben Existenzangst
Dabei ist den Bauern derzeit nicht unbedingt nach Feiern zumute. „Dieses Jahr wurde geprägt durch die lange Trockenheit im Sommer, die Ernten sind sehr unterschiedlich ausgefallen“, sagte Kathrin Rehders vom Ortsbauernverband Norderstedt.
„Doch nun, zur Aussaat für die nächste Ernte, bangen wir um jeden trockenen Tag, damit wir im nächsten Sommer wieder gut ernten können.“ Jedes Jahr stelle die Landwirtschaft vor neue Herausforderungen. Außerdem seien die Höfe den harten marktwirtschaftlichen Bedingungen ausgeliefert, beispielsweise, wenn sich die Supermärkte in ihrem Preiskampf gegenseitig unterbieten würden. „Ich wünsche mir, dass die heimische Landwirtschaft wieder mehr wertgeschätzt wird“, sagte Kathrin Rehders.
Schweinemäster fürchtet, die Produktion einstellen zu müssen
Einer, der ebenfalls mit Sorge aufs nächste Jahr blickt, ist der Norderstedter Landwirt Jens-Walter Bohnenkamp, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes. „Wir haben in Schleswig-Holstein zwar eine gute Ernte gehabt, doch wir haben durch die Energiekrise ein Düngerproblem, denn viele Düngerhersteller haben ihre Produktion eingestellt“, sagt Bohnenkamp.
Sorge bereiten dem Schweinemäster und -züchter aber vor allem seine 2500 Ferkel: „Die wollen es warm haben, das aber kostet viel Öl und Gas.“ Dadurch könne er in die Situation kommen, Schweinemast und -Zucht aufgeben zu müssen. Zudem würden die Deutschen nur noch die „Edelteile vom Schwein“ essen, alles andere ginge ins Ausland.
„Tierzucht ist für die Landwirte jetzt ein großes Problem, denn die Höfe brauchen viel Energie, das Futter wird immer knapper und teurer, ebenso die Speditionen“, weiß Bohnenkamp. Vor drei Jahren habe er für einen Schweinetransport noch 60 Euro gezahlt, heute seien es 200 Euro.
Verbraucher in der Kritik: Gekauft wird nur billige Ware aus dem Ausland
Eine grundsätzliche Frage sei jedoch, was der Verbraucher möchte: „Wenn die Kundschaft billig einkaufen will und zu Erdbeeren und Spargel aus Südeuropa greift, können wir unsere wertvollen Produkte vernichten, und es ändert sich gar nichts.“ Aber er weiß auch: „Wir müssen sehen, dass wir die Leute satt kriegen.“ Eines jedoch helfe gar nicht: „Wir jammern zu viel und packen zu wenig an.“
Trotz aller Widrigkeiten: Für die Norderstedterinnen und Norderstedter war schön, nach zwei Jahren Pandemie-Pause wieder den Erntedank-Umzug vom Kulturwerk Norderstedt zum Rathausmarkt ziehen zu sehen.
Feierlicher Aufhängen der Erntekrone in der Rathauspassage
Dort wurde die Erntekrone feierlich in der Rathaus-Passage aufgehängt und die geschmückten Erntewagen sammelten sich auf dem Rathausmarkt. Der Frauenchor Norderstedt sang unter der Leitung von Hans Thiemann Lieder wie „Was kann schöner sein“ bis zu „Let It Be“, und die Bigband der Freiwilligen Feuerwehr Garstedt spielte „Nun danket alle Gott“ bis zu „Kein schöner Land“.
„Zum 37. Mal feiern wir heute ein Erntedankfest mit Musik, mit Freude und vor allem – zusammen“, sagte Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder. Doch die Landwirtschaft würde bereits seit 20 Jahren in sehr vielen Bereichen sprichwörtlich am Limit arbeiten, was zu einem wirtschaftlichen Druck auf die Landwirte führe. Roeder dankte den Menschen, die für das tägliche Brot sorgen würden.
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Außerdem bat Roeder um Lebensmittelspenden für die Norderstedter Tafel, die mit einem Stand auf dem Rathausmarkt vertreten war. „Geben Sie bitte von dem, was Ihnen heute hier die Landwirte schenken, etwas für die Bedürftigen ab.“
Erntedankfest: Spenden für die Norderstedter Tafel und die Bedürftigen
Die Bitte erfüllten die Besucherinnen und Besucher gern, zumal auch Kultur- und Sozialdezernentin Katrin Schmieder mit einer Tafel-Sammelbüchse über den Markt lief. „Uns wurden binnen einer Stunde 420 Euro gespendet, und unsere 20 Obst- und Gemüsekisten wurden vom Publikum gut gefüllt“, freute sich Tafel-Leiterin Ingrid Ernst. Auch drei Zentner Kartoffeln erhielt die Tafel.
Beim Erntedank-Gottesdienst in der Paul-Gerhardt-Kirche sprach Pastorin Carolin Paap. „Wir waren immer von Gott Beschenkte, und er erwartet von uns, dass wir die Krisen mit Mut anpacken“. Und in diesem Jahr sei die Ernte immerhin so gut ausgefallen, „dass wir davon abgeben können.“