Itzstedt. 65 Mini-Häuser sollen bald auf einem alten Campingplatz in Schleswig-Holstein stehen. Was ein Stellplatz im Monat kostet.

  • Tiny-House-Siedlung am Itzstedter See hat noch freie Plätze
  • Sieben Mini-Häuser stehen bereits auf dem Campingplatz
  • Tiny House: Stellplatz kostet 300 Euro im Monat

Oliver Reitnauer sitzt bei Wiebke Schoof auf der Terrasse ihres Tiny Houses. Gemeinsam trinken sie Kaffee und unterhalten sich. Die beiden Nachbarn treffen sich jeden Tag. „Wir haben uns gesucht und gefunden. Es hat sich eine richtig dicke Freundschaft entwickelt“, sagt Schoof. Die 54-Jährige lebt mit ihrem Mann in einem 34 Quadratmeter kleinen Häuschen in unmittelbarer Nähe zum Itzstedter See.

Auf der Veranda ihres Holzhauses schaukelt eine Hängematte, stehen Liegestühle und eine Gartengarnitur. In Beeten und Töpfen blühen Pflanzen in satten Tönen. Ihr Garten ist eingezäunt – aber nur, damit der Hund nicht wegläuft. Abschotten wollen sie sich auf keinen Fall. Sie lieben die Gemeinschaft. Den Austausch mit den Nachbarn. „Die Atmosphäre ist einfach nett hier“, sagt die Büroangestellte.

Tiny House: Noch freie Plätze in neuer Siedlung am See verfügbar

Oliver Reitnauer nickt und strahlt. Sein 32 Quadratmeter kleines Tiny House steht direkt nebenan. Er verbringt alleine seine Freizeit hier. „Ich war noch nie so viel draußen in der Natur. Es fühlt sich an wie im Urlaub“, schwärmt er. Der 51-Jährige hat schon immer davon geträumt, einen alten Zirkuswagen zu kaufen und umbauen zu lassen. Nur das alte Fahrwerk ist noch übrig geblieben. „Ich genieße das Leben hier. Bei irgendeinem Nachbarn gibt es immer etwas zu trinken. Hier kann man einfach so sein, wie man ist.“

Oliver Reitnauer hat einen alten Zirkuswagen zum Tiny House umbauen lassen. Der 51-Jährige liebt es, Zeit in seinem 32 Quadratmeter kleinen Häuschen am Itzstedter See zu verbringen.
Oliver Reitnauer hat einen alten Zirkuswagen zum Tiny House umbauen lassen. Der 51-Jährige liebt es, Zeit in seinem 32 Quadratmeter kleinen Häuschen am Itzstedter See zu verbringen. © Annabell Behrmann | Annabell Behrmann

Nur wenige Meter entfernt schüttet ein Lkw einen großen Haufen Sand aus einem Container. Brummen ist zu hören. Eine Walze glättet den Unterbau der künftigen Straße. Der Boden vibriert leicht. Die Tiny-House-Siedlung am Itzstedter See befindet sich noch mitten im Aufbau. Vor mittlerweile fast drei Jahren hat Stephan Diehn den alten Campingplatz Seerögen gekauft. Seitdem arbeitet er hart daran, die 2,5 Hektar große Fläche in eine Gemeinschaft mit 65 ökologisch-nachhaltigen Mobilheimen zu verwandeln.

Itzstedter See: Sieben Tiny Houses stehen bereits auf dem Campingplatz

Sieben Häuser stehen bereits. „Wir sind von Anfang an dabei. Uns stört der Baulärm nicht“, sagt Wiebke Schoof. Acht Jahre lang haben sie und ihr Mann regelmäßig Urlaub in ihrem Campingwagen in Itzstedt gemacht. Doch sie wollten sich schon immer ein Tiny House anschaffen. Ein Grundstück haben sie allerdings nicht gefunden. Dann haben sie gehört, dass Stephan Diehn den Campingplatz gekauft hat und zu einer Siedlung mit Mini-Häusern umbauen will. „Wir waren begeistert. Eines der Musterhäuser, die hier ausgestellt waren, haben wir uns sofort unter den Nagel gerissen“, sagt sie.

Wiebke Schoof aus Norderstedt hat sich ein kleines Paradies am Itzstedter See erschaffen.
Wiebke Schoof aus Norderstedt hat sich ein kleines Paradies am Itzstedter See erschaffen. © Annabell Behrmann | Annabell Behrmann

Rückblick: Bevor Diehn den Campingplatz gekauft hat, rotteten viele Wagen vor sich hin. „Der Platz wurde nur noch halbherzig betrieben. Wir mussten 200 Metallschuppen entsorgen“, sagt der 51-Jährige. Den Campern hat er ein Jahr Zeit gegeben, ihre Parzelle zu räumen. „Über die Hälfte ist sofort gegangen, der Rest Ende 2020“, erinnert er sich.

Campingplatz: Müll musste in rund 100 Containern abtransportiert werden

Mit Freunden und professioneller Unterstützung hat er angefangen, den Platz zu räumen. Jeder „Blechschuppen“, wie er die alten Campingwagen gerne nennt, war umgeben von etwa 50 Quadratmetern Betonplatten. Sie alle mussten rausgerissen werden und stapelten sich auf einem Haufen meterhoch in die Luft. Unrat, Kunststoff und zum Teil gammelnde Wohnwagen wurden in rund 100 großen Containern abtransportiert. Übrig geblieben ist ein leerer, schwarzer Acker. Doch Diehn hatte seine Vision von einer Tiny-House-Siedlung immer vor Augen.

Stephan Diehn musste etliche Quadratmeter Betonplatten aus dem Boden reißen.
Stephan Diehn musste etliche Quadratmeter Betonplatten aus dem Boden reißen. © Annabell Behrmann | Annabell Behrmann

Anfang 2021 begann er, die Fläche zu begradigen und begrünen. Dann stellte er einen Antrag auf Sielanschluss, damit das Abwasser in das öffentliche Netz abfließen kann. Fast ein Jahr lang dauerte es, bis er die Genehmigung der Behörden erhielt. Die Planungen stockten. Die Eröffnung zögerte sich immer weiter hinaus.

Tiny-House-Besitzer am Itzstedter See leben auf Baustelle

Erst im Frühjahr dieses Jahres konnte er Material bestellen und im Sommer mit den Tiefbauarbeiten beginnen. Während die ersten Tiny-Häuser bereits standen, zogen sich tiefe Gräben durch die Erde. Inzwischen sind sie zugeschüttet. Die Straße muss noch asphaltiert werden. „Viele konnten es nicht mehr abwarten und haben sich auf die Baustelle eingelassen“, sagt Diehn, dem früher einmal ein Autohaus gehörte.

Stephan Diehn (r.) baut den Campingplatz in Itzstedt unter anderem mithilfe von Lohnunternehmer Mitja Lohse zur Tiny-House-Siedlung um.
Stephan Diehn (r.) baut den Campingplatz in Itzstedt unter anderem mithilfe von Lohnunternehmer Mitja Lohse zur Tiny-House-Siedlung um. © Annabell Behrmann | Annabell Behrmann

Bis Mitte Oktober müssen die gröbsten Arbeiten abgeschlossen sein. „Dann wird der angrenzende Seeweg saniert und zum Teil gesperrt. Lkws und Tiny-Häuser kommen nicht mehr zum Campingplatz durch.“ Diehn und sein Team liegen gut in der Zeit. Dennoch würde er lügen, würde er behaupten, das Projekt hätte ihm keine Magenschmerzen bereitet. „Es war wesentlich anstrengender als gedacht. Inzwischen denke ich mir aber: alles richtig gemacht.“

Tiny House: Stellplatz kostet 300 Euro im Monat

Noch drei weitere Minihäuser mit einer Größe von bis zu 40 Quadratmetern werden in den nächsten Wochen angeliefert und an die Infrastruktur, bestehend aus Wasser, Gas und Strom, angeschlossen. Einen 300 Quadratmeter großen Stellplatz am Itzstedter See für ein Tiny-House anzumieten, kostet 300 Euro im Monat. In der ersten Bauphase wurden 48 Plätze erschlossen. 30 sind bereits fest vergeben, zehn reserviert. „Acht Stück sind noch zu haben“, sagt Stephan Diehn. „Wer Interesse hat, soll einfach vorbeikommen.“

Bis vor Kurzem zogen sich auf der 2,5 Hektar großen Fläche noch tiefe Gräben durch die Erde. Hier wurden Leitungen für Gas, Strom und Wasser verlegt.
Bis vor Kurzem zogen sich auf der 2,5 Hektar großen Fläche noch tiefe Gräben durch die Erde. Hier wurden Leitungen für Gas, Strom und Wasser verlegt. © Annabell Behrmann | Annabell Behrmann

Im zweiten Bauabschnitt sollen weitere 17 Plätze erschlossen werden. Diehn rechnet mit einer Fertigstellung bis spätestens 2024. „Ich freue mich, dass nach drei Jahren Arbeit langsam Ergebnisse zu sehen sind – vor allem aber freue ich mich auf all die Menschen, die noch zu uns kommen.“ Der Familienvater träumt davon, für seine vierjährige Tochter ein Gehege mit Alpakas auf dem Gelände zu bauen. Er selbst will sich erst ganz zum Schluss ein kleines Häuschen auf sein Grundstück stellen.

Tiny House: Besitzer dürfen auf Campingplatz nicht dauerhaft wohnen

Dauerhaft wohnen dürfen die Tiny-House-Besitzer übrigens nicht in ihren Häusern. Das ist auf Campingplätzen verboten. Ihr erster Wohnsitz muss sich woanders befinden. Zudem müssen die Häuser jederzeit ortsveränderlich sein.

Wer wirklich dauerhaft in einem Mini-Haus leben möchte, muss in Deutschland einen Bauantrag stellen. Tiny-Häuser dürfen nicht einfach auf einer freien Fläche abgestellt werden – sie werden baurechtlich wie klassische Einfamilienhäuser behandelt. Das Problem: Obwohl sich der Trend immer weiter ausbreitet, gibt es nach wie vor wenig Möglichkeiten, in einem Tiny House zu wohnen.

Wiebke Schoof und Oliver Reitnauer sind glücklich, dass sie einen Ort gefunden haben, an dem sie sich zumindest zeitweise das Leben auf wenigen Quadratmetern in der Natur erfüllen können. „Es ist einfach schön hier“, schwärmt Reitnauer, der gar nicht mehr aufhört zu grinsen, wenn er über sein Tiny House und das Leben in der kleinen Gemeinschaft am Itzstedter See spricht.