Norderstedt. Das Entlastungspaket aus Berlin soll schnell bei Verbrauchern in Norderstedt ankommen. Noch fehlen aber wichtige Details.
Das 200 Milliarden Euro starke Energie-Entlastungspaket der Bundesregierung wird auch in Norderstedt ankommen. Die Stadtwerke kündigen an, die neuen Vorgaben mit der Preisbremse für Gas und Strom umzusetzen, sobald diese rechtlich wirksam sind.
„Wir begrüßen die Entscheidung der Bundesregierung, bis zu 200 Milliarden Euro in Form eines wirtschaftlichen Abwehrschirms zur Verfügung zu stellen. Die darin enthaltenen Energiepreisbremsen und Steuererleichterungen werden ihre positiven Auswirkungen direkt und in vollem Umfang bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern entfalten, ohne die Aktivitäten zur Reduzierung der Verbräuche auszubremsen“, so Werkleiter Jens Seedorff.
Gas- und Strompreisgrenze - so reagieren die Stadtwerke
Die Senkung des Umsatzsteuersatzes von 19 auf 7 Prozent für Gas und Fernwärme bleibt bestehen, während die Gasumlage entfällt. Laut Stadtwerke könne ein Haushalt mit einem Gasverbrauch von 17.000 Kilowattstunden in der anstehenden Heizperiode bis Jahresende fast 250 Euro sparen.
Wie die Bremse für den Gaspreis gestaltet sein wird, soll bis Mitte Oktober feststehen. Diese hat den Zweck, Haushalte und Unternehmen vor einer finanziellen Überforderung zu schützen.
Strompreis wird an Basisverbrauch gekoppelt sein
Die Strompreisbremse wird sich auf einen Basisverbrauch beziehen, der noch definiert werden muss. „Ziel ist es, den Endkundenpreis für Strom auf der Stromrechnung zu senken und von den hohen Preisen am Großhandelsmarkt zu entkoppeln“, so die Stadtwerke.
Grundsätzlich gelte weiterhin: Die Energieverbrauche müssen gesenkt werden. Die Stadtwerke geben online Spartipps (www.stadtwerke-norderstedt.de/energiesparen). Sie weisen darauf hin, dass Preisinformationen, Tarifrechner und Abschlagsampel derzeit noch nicht die künftigen Vorgaben berücksichtigen.
Energiepolitiker Bengt Bergt: Niemand darf in Not geraten
Der Norderstedter Bundestagsabgeordnete Bengt Bergt (SPD) spricht beim Entlastungspaket von einem „Abwehrschirm“, der bezahlbare Preise schaffe und Sicherheit für Familien, Arbeitnehmerin, Rentner und Unternehmen. „Es wird auch weiter Sparanstrengungen jedes Einzelnen brauchen. Aber die Strom- und Gaspreisbremse ist ein wichtiges Signal: Die Energiekrise darf nicht dazu führen, dass Menschen in Not geraten oder Unternehmen pleite gehen, weil der Staat zu sparsam war.“
Bergt, der stellvertretender klimapolitischer Sprecher seiner Fraktion ist, betont: Es muss mehr Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt und ins Netz gebracht werden. Die gesetzlichen Grundlagen habe der Bundestag nun geschaffen. „Durch weniger Bürokratie machen wir kurzfristig den Weg frei für mehr Strom aus Wind, Sonne und Biomasse. Bestehende Netze können einfacher erweitert werden, um den Strom dorthin zu transportieren, wo er benötigt wird.“
Er gibt sich optimistisch. „Diese Maßnahmen ermöglichen es, dass wir genügend Strom und Wärme für den Winter haben und unsere gut gefüllten Gasspeicher schonen können. Das Signal ist klar: Alle sollen möglichst sicher durch den Winter kommen, niemand soll in seiner Wohnung frieren.“
So passen die Stadtwerke in der Region ihre Strategien an
Bis die Entlastungen sichtbar werden, wird es aber dauern. Und dass Preise grundsätzlich höher bleiben als noch vor zwölf Monaten, ist anzunehmen. Kürzlich hat das Hamburger Abendblatt bei den Stadtwerken Norderstedt, Bad Bramstedt und Kaltenkirchen nachgefragt, wie sie als Grundversorger ihre Strategien anpassen und wie die Kunden auf Erhöhungen reagieren.
Norderstedt: Die Stadtwerke versorgen hier rund 12.000 Haushalte mit Erdgas. 65 Prozent davon nutzen laut Unternehmensangaben den Sondertarif „FairWatt“, 25 Prozent sind in der Grundversorgung, 10 Prozent haben alte Tarife. „Als Grundversorger nehmen wir zur Sicherstellung einer unterbrechungsfreien Energieversorgung Kunden, deren Versorgung durch andere Anbieter, aus welchen Gründen auch immer, endet, automatisch auf. Insbesondere zum Jahresbeginn 2022 haben wir einen verstärkten Zulauf verzeichnet“, berichtet Stadtwerke-Sprecher Oliver Weiß.
Nur Haushalte im eigenen Netzgebiet werden versorgt
Eine Bedingung gibt es aber: „Die Stadtwerke Norderstedt versorgen ausschließlich Haushalte im eigenen Netzgebiet.“ Kündigungen hat es kaum gegeben. Allerdings sind viele Billiganbieter vom Markt verschwunden, wie auch ein Blick auf gängige Vergleichsportale zeigt – es gibt kaum Alternativen zu Stadtwerken.
Bei „FairWatt“ betrug der Arbeitspreis zum 1. Juli noch 13,84 Cent (pro Kilowattstunde), in der Grundversorgung waren es 14,40 Cent. Ab dem 1. Oktober steigt dies auf 22,68 Cent bzw. 23,24 Cent. Oftmals wird eine Musterrechnung für einen Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden im Jahr erstellt.
Für Norderstedt bedeutet das: FairWatt-Kunden würden brutto 4667,85 Euro zahlen, in der Grundversorgung 4778,83 Euro. Darin einberechnet ist die Mehrwertsteuer von 19 Prozent sowie aktuell noch die Gasumlage. Weitere Steigerungen zum 1. Quartal 2023? Nicht ausgeschlossen.
Weiß: „Die deutschen Gasspeicher sind mittlerweile zu rund 90 Prozent gefüllt und erste Maßnahmen, Deutschland aus der Abhängigkeit von den Lieferungen russischen Erdgases zu führen werden auf den Weg gebracht. Trotzdem ist eine Prognose zur Gaspreisentwicklung nach wie vor kaum möglich und wir sollten uns darauf einstellen, dass kurzfristig zumindest nicht mit einer spürbaren Entspannung auf den Beschaffungsmärkten zu rechnen ist.“
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Kaltenkirchen: Kunden wollen staatliche Eingriffe
Kaltenkirchen: Auch in Kaltenkirchen sind die Stadtwerke der Grundversorger – und auch sie nehmen derzeit keine Kunden von außerhalb des Netzgebietes auf. Zum 1. Oktober steigt der Arbeitspreis für Gas von 15,17 Cent/Kilowattstunde brutto auf 27,14 Cent. Davon sind 3000 Kunden betroffen.
„Auf die Preisanpassungsschreiben gab es kaum Reaktionen. Erst die kürzlich verschickten Abschlagserhöhungen lassen die Kunden die dramatische Situation realisieren. Die Forderungen nach staatlicher Unterstützung bzw. Eingriffen werden zunehmend deutlicher“, berichtet Stadtwerke-Leiter Olaf Nimz.
Stadtwerke Bad Bramstedt: Keine Verträge mit Preisgarantien
Bad Bramstedt: In Bad Bramstedt erhöhen die Stadtwerke ihren Grundversorgungstarif (für einen Verbrauch von 7633 bis 63.325 Kilowattstunden) zum 1. Oktober von bisher 12,49 auf 16,11 Cent/kwh (brutto). Für den Sondervertrag „Roland Ökogas“ gibt es eine Steigerung von 11,62 auf 15,25 Cent. Seit Jahresbeginn hat sich dieser Tarif damit um 59 Prozent erhöht, so die Stadtwerke.
Laut Geschäftsführer Marc Fischer ist der Versorger hiermit vergleichsweise günstig. „Der günstigste Wettbewerber bei den Vergleichsportalen check24 oder verivox ruft 36,60 Cent auf.“ Damit würde ein Haushalt mit 20.000 kwh/Jahr 4300 Euro sparen gegenüber anderen Anbietern.
Trotzdem sind alle Kunden betroffen. „Wir verfügen über keine Verträge mit einer wie auch immer gearteten Preisgarantie und können daher unsere Kostensteigerungen vollumfänglich an sämtliche Kunden rechtswirksam weitergeben.“ Viele andere Unternehmen der Energieversorgung drohten hingegen in finanzielle Schieflage zu geraten, dass diese trotz der Preisexplosionen an Preisgarantien gebunden seien.
Stadtwerke-Geschäftsführer: Mit Erhöhungen verdienen „wir nicht einen Cent mehr“
Die Meinung der Kunden zu den Erhöhungen? „Es gibt verzagte, verzweifelte und wütende Reaktionen“, so Fischer. Er betont: „Wir befinden uns aktuell in einem hybriden Krieg, einem veritablen Wirtschaftskrieg. Verantwortlich für die Energiepreisexplosion, die im Worst-Case zu einer Spaltung der Gesellschaft und zu einem drastischen Erstarken der politischen Extreme führen könnte, ist Wladimir Putin.“
Und nicht die Bundesregierung, Gasimporteure und erst recht nicht die Stadt- und Gemeindewerke, sagt er. „Wir, die Stadtwerke Bad Bramstedt, verdienen mit den Preiserhöhungen unterm Strich nicht einen Cent mehr.“ Neukunden aus dem Umland werden auch hier keine mehr aufgenommen.