Kreis Segeberg. Kreishandwerkerschaft feiert 350 Azubis bei Einschreibungsfeier in Bad Segeberg. Dabei gab’s auch Kritik an der Politik.
Akademisierung und Digitalisierung – für das Handwerk sind diese beiden gesellschaftlichen Entwicklungen mehr Problem als Chance. Weil sich immer mehr junge Menschen eher mit sauberen Händen am Computer in Dienstleistungsjobs sehen als mit schwarzen Rändern unter den Fingernägeln auf Baustellen, an Werkbänken und in Fertigungshallen, sucht das Handwerk den Nachwuchs immer öfter vergebens.
Wenn sich aber junge Menschen für die spannenden Herausforderungen in den vielfältigen Handwerksberufen entscheiden, dann werden sie mit offenen Armen empfangen. Wie zum Beispiel kürzlich in der Kreissporthalle Bad Segeberg. Die Kreishandwerkerschaft Mittelholstein hatte zur traditionellen Einschreibungsfeier geladen.
Ausbildung: Handwerk mahnt – „Eine Zange passt nicht durchs Internet“
Dabei tragen sich die neuen Auszubildenden feierlich in die Handwerksrolle ein – das Stammbuch der Gewerke und Innungen. Die Kreishandwerkerschaft nutzte den Anlass auch, um die jungen Nachwuchshandwerkerinnen und -handwerker wie Stars und Sternchen in Szene zu setzen – inklusive Musik, Lichtshow und launige Moderation.
Auch in Zeiten der Digitalisierung sei das Handwerk unabdingbar, betont Kreishandwerksmeister Lars Krückmann, der einen Sanitärbetrieb in Norderstedt führt. „Das Handwerk ist nicht durch Computer ersetzbar. Eine Zange passt nicht durchs Internet.“ Zugleich mahnte er vor der Akademisierung der Schulabgänger: „Zu viele junge Leute wollen Abitur machen und anschließend studieren. Dadurch bricht uns der Nachwuchs weg.“
350 Azubis aus 13 Gewerken und 15 Innungen
Doch in der Kreissporthalle Bad Segeberg sah das bei der Einschreibungsfeier ganz anders aus. „Ein phänomenaler Anblick, der Gänsehaut verursacht“, sagte Krückmann, als er die mit 800 Gästen rappelvolle Halle betrachtete. 450 Angehörige der Azubis waren gekommen, um bei der Einschreibung der 350 Handwerkslehrlinge dabei zu sein. Die Azubis verteilen sich auf 13 Gewerke und 15 Innungen aus den Kreisen Segeberg und Neumünster.
So manchem jungen Auszubildenden zitterte vor Aufregung die Hand beim Eintragen des Namens in die Lehrlingsrolle. Besiegelte er oder sie damit doch ganz traditionell den Eintritt in einen neuen Lebensabschnitt als Handwerkslehrling.
Allein in das Baugewerbe gehen 80 Auszubildende
Stellvertretend für jede der 15 Innungen schritten Ausbilder, Obermeister und Lehrlinge für die feierliche Eintragung zum Pult vor der Bühne. Im Anschluss zündete jede Innung an einem Tisch die Kerzen neben ihrer Innungslade an.
„Ich bin schon ein bisschen aufgeregt“, gab Elias Ratzmann aus Bad Bramstedt kurz vor dem wichtigen Ereignis zu. Der 16-Jährige will Mechatroniker für Kältetechnik werden. Stark nachgefragt waren das Baugewerbe mit etwa 80 Lehrlingen und auch die Ausbildung zum Elektriker und Kraftfahrzeugmechaniker war bei den jungen Erwachsenden sehr gefragt.
Einmarsch der Gewerke mit Trockeneisnebel und Lichtshow
In Szene gesetzt wurden die einzelnen Gewerke beim Einmarsch in die Sporthalle. Trockeneisnebel und Lichtshow tauchten die Azubis in ein ganz besonderes Licht. Und die jungen Handwerkerinnen und Handwerker Jessica Stange, Gina Kepke und Björn Elsner sorgten am Mikrofon für die launige Moderation. Für Livemusik an der Gitarre sorgte der Maurer und Musiker Björn Paulsen.
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Über die Arbeitsmarktpolitik wurde auf dem Podium diskutiert. Die Vize-Präsidentin der Handwerkskammer Lübeck, Malermeisterin Simone Speck aus Neumünster kritisierte das Ausmaß der Bürokratie und appellierte an die Politik, die Rahmenbedingungen für das Handwerk zu verbessern: „Wir wünschen uns angesichts der durch Materialknappheit und Energiekrise ausgelösten Existenzängste Hilfe von der Politik.“ Speck warb: „Das Handwerk ist etwas Tolles und Solides, das muss schon an der Basis in Schule und Familie vermittelt werden.“
Ausbildung: „Gleichwertigkeit der dualen Ausbildung stärker herausstellen“
Bestätigung gab es vom Kreispräsidenten des Kreises Segeberg, Claus Peter Dieck betonte: „Man soll nicht glauben, dass ein Bachelor-Absolvent weniger Sorge vor Arbeitslosigkeit haben muss als ein Meister. Die Gleichwertigkeit einer dualen Ausbildung und einem Studium muss noch stärker herausgestellt werden.“