Norderstedt. Viele Lehrstellen im Kreis Segeberg blieben zum 1. August unbesetzt. Warum die IHK trotzdem die „Talsohle“ für durchschritten hält.
Der Start ins Berufsleben – für viele junge Leute begann am 1. August die Ausbildung. In Norderstedt zum Beispiel bei den Stadtwerken Norderstedt. 20 Auszubildende werden hier ab sofort in sechs Berufen kaufmännisch oder technisch ausgebildet. „Nachwuchs selbst auszubilden ist Teil unserer DNA, denn Fachkräfte zu bekommen, deren Profil zu unseren anspruchsvollen Infrastrukturen passt gelingt eher selten“, sagt Unternehmenssprecher Oliver Weiß.
Womit wir beim übergeordneten Thema des Ausbildungsjahres wären – dem sich zuspitzenden Fachkräftemangel. Kaum eine Branche, die ihn nicht zu spüren bekommt. Laut der Arbeitsagentur bleiben zum Ausbildungsstart noch viele Ausbildungsplätze frei. Auf 244 Ausbildungssuchende kamen im Juli noch 598 freie Ausbildungsplätze – weit mehr als doppelt so viele Ausbildungsstellen als Bewerberinnen und Bewerber. Die Berufswünsche der jungen Leute passten nicht immer mit dem Ausbildungsangebot und den Erwartungen der Unternehmen zusammen, teilt die Arbeitsagentur mit.
Arbeitsmarkt: Ausbildungsstart – Fachkräfte werden händeringend gesucht
Für Ausbildungen in der Informatik, in Werbung und Marketing oder als Immobilienkaufmann/-frau gibt es mehr Bewerbungen als Ausbildungsstellen. Wer sich hingegen für eine Ausbildung in Hotel und Gastronomie, im Einzelhandel, als Anlagenmechaniker/in (Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik) oder Elektroniker/in interessiert, hat beste Chancen.
Einen deutlichen Rückgang der Bewerbungen spürt die Stadt Norderstedt. 150 junge Menschen bemühten sich um einen Job im Rathaus, ein deutlicher Rückgang gegenüber dem Vorjahr als es noch 264 Bewerbungen waren. 18 Azubis wurden schließlich am 1. August begrüßt: fünf künftige Verwaltungsfachangestellte, vier Inspektoranwärter, zwei Auszubildende zum Gärtner sowie sieben Azubis in der Praxisintegrierten Ausbildung als Erzieherinnen und Erzieher (PiA). Jahrgangsübergreifend sind damit nun 45 Auszubildende bei der Stadt Norderstedt tätig.
Beste Chancen auf Ausbildungsplätze in der Gastronomie und im Einzelhandel
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) sieht allerdings die Talsohle auf dem Ausbildungsmarkt durchschritten: Zum Ausbildungsstart hätten sich wieder mehr junge Menschen in Schleswig-Holstein für eine Duale Ausbildung entschieden.
Die IHKs in Flensburg, Kiel und Lübeck trugen 7220 neue Ausbildungsverträge aus den Bereichen Industrie, Handel und Dienstleistung ein, ein leichtes Plus von 115 Verträgen gegenüber dem Vorjahr. „Dass sich die Ausbildungszahlen stabilisieren, ist eine Entwicklung, die uns Mut macht. Wir sind zuversichtlich, dass in den Sommermonaten landesweit noch weitere Ausbildungsverträge hinzukommen. Denn der beste Weg für jedes Unternehmen, dem Fachkräftemangel zu begegnen, bleibt die Ausbildung im eigenen Betrieb“, sagt Hagen Goldbeck, Präsident der IHK Schleswig-Holstein.
Duale Ausbildung ist das Rückgrat des Mittelstandes
Das sieht der Holzimporteur und Holzgroßhändler Bernd Jorkisch aus Daldorf genauso. Bei ihm starteten jetzt vier junge Leute rund um den Naturbaustoff Holz. „Die duale Ausbildung sichert die Fachkräfte für die Zukunft und stärkt den so wichtigen Mittelstand in Deutschland“, sagt Jorkisch. Sein Unternehmen bilde seit Jahrzehnten intensiv aus. „Wir investieren seit Jahrzehnten intensiv in den Nachwuchs und freuen uns darüber, dass wir vier Ausbildungsplätze mit geeigneten Schulabgängern aus dem regionalen Umfeld besetzen konnten.“
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Die Wirtschaft, sagt IHK-Präsident Hagen Goldbeck, müsse den Schülerinnen und Schülern jetzt noch deutlicher aufzeigen, welche Chancen eine Ausbildung für den Karriereweg bedeuten könnten. Ohne gut ausgebildete Fachkräfte ließen sich Herausforderungen wie die Energie-Krise, Klimawandel oder demografischer Wandel nicht bewältigen. Die Branchen, die am stärksten Fachleute suchten, seien Maschinenbau, die Informationstechnologie oder die Gastwirtschaft und das Handwerk. Für Schulabgänger lohne es sich, genau hinzuschauen, wo die eigenen Interessen auf größtmögliche Chancen treffen. Die anschießende Weiterbildung werde vom Staat mit bis zu 15.000 Euro über das Aufstiegsbafög gefördert – und das unabhängig vom eigenen Einkommen und vom Einkommen der Eltern.
Segeberger Kliniken: Ehemalige Azubis als Führungskräfte
Die duale Ausbildung sei eine wichtige Säule im Kampf gegen den Fachkräftemangel im Land, teilen die Segeberger Kliniken mit. Die Klinik-Gruppe in Bad Segeberg gehe diesen Weg in diesem Jahr mit 21 jungen, motivierten Nachwuchskräften. Florian Schubert, Bereichsleiter Personal: „Wir ermöglichen unseren Auszubildenden den optimalen Start ins Berufsleben, eine solide Ausbildung mit vielfältigen Einsatzmöglichkeiten sowie eine sehr gute berufliche Perspektive.“
Das Gesundheitsunternehmen setzt seit Jahren darauf, seine Fachkräfte von morgen selbst auszubilden. „Wir sind stolz, nahezu all unseren Auszubildenden nach erfolgreichem Abschluss ihrer Ausbildung ein Übernahmeangebot unterbreiten zu können“, sagt Schubert. Den einen oder anderen ehemaligen Lehrling treffe man heute sogar als Führungskraft auf dem Klinikgelände.
Sparkasse nimmt Bewerbungen für den 1. August 2023 schon jetzt an
Zu den größten Ausbildungsbetrieben in ganz Schleswig-Holstein zählt die Sparkasse Südholstein. Derzeit verfüge die Sparkasse über 60 Auszubildende, gerade wurden sechs Frauen und neun Männer im Alter zwischen 16 und 28 Jahren neu eingestellt. 14 von ihnen streben innerhalb der nächsten zweieinhalb- bis drei Jahre den Abschluss zum Bankkaufmann/frau an, einer absolviert innerhalb von sieben Semestern ein duales Studium der Betriebswirtschaftslehre in Kooperation mit der Elmshorner Nordakademie.
Die Sparkasse betont: Nach dem Ausbildungsstart ist vor dem neuen Ausbildungsjahr. Bewerbungen für den 1. August 2023 werden schon angenommen (spk-suedholstein.de/ausbildung).
Und auch die Stadtwerke Norderstedt denken kurz nach dem Start der neuen Azubis schon an die nächste Generation. Am Sonnabend, 17. September, ist „Azubi-Tag“. Von 10 bis 14 Uhr können potenzielle neue Bewerberinnen und Bewerber mit Auszubildenden über deren Erfahrungen und Tätigkeiten sprechen. Und die Azubis leiten sie beim Ausprobieren an. „Selbst eine Schweißnaht zu setzen ist viel spannender und eindrucksvoller, als darüber zu reden“, sagt Stefan Bäumler, technischer Ausbildungsleiter der Stadtwerke Norderstedt.