Bad Segeberg. Zehn Gänse und drei Esel sind die Publikumslieblinge bei „Der Ölprinz“. Ihr Trainer ist ein ehemaliger Möbel-Verkäufer.
Sie sind die heimlichen Stars der Karl-May-Spiele in Bad Segeberg. Wenn sie das erste Mal die Arena am Kalkberg betreten, ist die Begeisterung groß. Wobei „Betreten“ vielleicht nicht das richtige Wort ist. Denn die Publikumslieblinge trippeln – oder watscheln. Es sind zwei Ziegen, drei Esel und zehn Gänse. Die tierischen Helden wurden von dem Tiertrainer Bodo Hölscher (65) dressiert – der auch schon einen Pelikan für eine Fernsehshow mit Frank Elstner trainierte.
Auch wenn Hölscher schon als kleiner Junge in Bad Segeberg mit seinem Hund Sascha Tricks einstudiert hat und auf imaginären Pferden durch die Straßen galoppiert ist – bis zu seinem ersten Engagement bei den Karl-May-Spielen dauerte es etwa 42 Jahre. „Als junger Mann in Bad Segeberg wirst Du kein Tiertrainer, sondern Verkäufer bei Möbel Kraft“, erinnert sich Bodo Hölscher und erzählt, von seiner Arbeit in der Küchenabteilung und bei den Kleinmöbeln – und seinem Wunsch, zum Zirkus zu gehen.
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Es gibt Menschen, die haben ihr Leben lang einen Traum – wollen oder können ihn aber nie verwirklichen. Bodo Hölscher wollte nicht zu diesen Menschen gehören. Er wollte nicht sein Leben lang Verkäufer sein und von einem anderen Leben träumen. Also übte er zuhause vor dem Spiegel eine Programm-Ansage und fuhr ohne Voranmeldung zu dem ersten Zirkus, der in der Nähe gastierte. „Zuerst haben die mich ein bisschen belächelt. Aber dann habe ich meinen Koffer geöffnet, einen Zylinder rausgeholt und losgelegt“, sagt Hölscher. Danach habe ihn der Zirkus sofort engagiert.
Vom Verkäufer bei Möbel Kraft zum Zirkus-Direktor
Irgendwann als Kind hat Hölscher mal einen Zirkus nachgebaut, im Maßstab 1:20. Dass er aber später mal einen eigenen Zirkus besitzen wird, davon hat selbst er sich nicht getraut. Vom Verkäufer bei Möbel Kraft zum Zirkus-Direktor war es jedoch ein langer Weg. Denn bevor Bodo Hölscher Chef eines der größten Zirkusse Deutschlands wurde, tingelte er zunächst mit verschiedenen großen und kleinen Zirkussen durch die Lande. Mal übernahm er die Rolle des Ansagers, mal die des Pressesprechers.
Dann veränderte ausgerechnet der abgerissene Knopf an einer Jacke sein ganzes Leben: Um diesen annähen zu lassen, ging er zum Kostümwagen des Zirkus – und verliebte sich Herz über Kopf in die Schneiderin, die genauso zirkusverrückt war wie er und ebenfalls voller Ideen steckte. Noch während der Tournee entschlossen sich Beatrix Stockmann und Bodo Hölscher, ihren eigenen Zirkus aufzumachen.
Er gründete den Circus Fliegenpilz und das Konzept „Circus unter Wasser“
Bei einem Hamburger Zeltmacher kauften sie ihr erstes Zelt, rot mit weißen Punkten. Es sollte etwas Besonderes sein, Außergewöhnliches. Ein Blickfang. So wie ihr „Circus Fliegenpilz“. Als sie mit einem Startkapital von 50.000 Mark fünf ausrangierte Zirkuswagen sowie ein paar Bergziegen und Ponys kauften, hat niemand, nicht einmal sie selbst, geglaubt, dass Fliegenpilz einer der größten Zirkusse Deutschlands wird – und dass sie mit ihrem Konzept „Circus unter Wasser“ berühmt werden.
„Wir haben damals 300.000 Liter Wasser in die Manege laufen lassen und den ganzen Zirkus unter Wasser gesetzt“, sagt Bodo Hölscher. Eine großartige Zeit sei das gewesen, aber auch anstrengend. Manchmal haben sie morgens das Zelt auf- und abends nach der Vorstellung wieder abgebaut. Einmal haben sie innerhalb eines Jahres an 160 Standorten gastiert. Von 1981 bis 2008 zogen sie durch die Schweiz, Deutschland, die Niederlanden, Belgien, Luxemburg und Frankreich. Mit 80 Mitarbeitern – und 80 Tieren.
„Die Arbeit mit Tieren hat mir immer viel bedeutet“, sagt Hölscher und berichtet von Giraffen, Nashörnern, Elefanten, Kamelen und Zebras. Ein paar davon leben heute noch bei ihm auf dem riesigen Areal, das er und seine Frau sich vor 15 Jahren in der Nähe von Braunschweig gekauft haben. 200.000 Quadratmeter nur für sich und ihre Tiere – und die alten Zirkuswagen, die sie noch haben, obwohl sie schon lange nicht mehr auf Tour gehen.
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Tiertrainer Bodo Hölscher dressierte schon einen Pelikan für Frank Elstner
Wenn Bodo Hölscher gefragt wird, seit wann er Tiertrainer ist, muss er lange überlegen. Denn irgendwie war er das ja schon immer, nicht erst, seit er sich niedergelassen wird, und als Tiertrainer gebucht wird. „Eigentlich war ich das ja schon beim Zirkus, wenn ich mit den Tieren neue Nummern einstudiert habe“, sagt Hölscher.
Er hat viele Geschichten zu erzählen, aber seine Lieblings-Story ist die von dem Pelikan Tony, den er für die ARD-Fernsehsendung „Das unglaubliche Quiz der Tiere“ mit Frank Elstner trainieren sollte. „Eigentlich war Tony nur für eine Sendung eingeplant, wurde dann aber zum Maskottchen der Show“, sagt Hölscher. Obwohl – oder gerade – weil der Pelikan Frank Elstner in einer Sendung leicht in den Kopf biss.
Karl May Spiele: Für die Arbeit ließ sich der Tiertrainer einen Bart wachsen
Auf die Gänse ist Hölscher bereits während seiner Zeit beim Zirkus gekommen, als er für eine Bauernhofnummer mit dem Federvieh trainierte. Bis er die schnatternden Entenvögel allerdings auch den Karl-May-Spielen als Nummer anbot, dauerte es noch ein paar Jahre.
Seit 2018 ist Bodo Hölscher mit seiner Gänseschar und anderen Tieren jetzt schon am Kalkberg im Einsatz. In diesem Jahr hat er sich für die Zeit in seiner alten Heimat sogar extra einen Bart wachsen lassen, weil er eine Komparsenrolle als Teil des Siedlertrupps übernimmt – an der Seite seiner Tiere.
Auf seine Gänseschar kann er sich meistens verlassen, auch wenn die Tiere frei laufen dürfen, tanzen sie nur selten aus der Reihe. Was die Esel allerdings in der Arena anstellen, das weiß Hölscher oft selbst nicht genau. „Im Gegensatz zu Pferden sind Esel keine Fluchttieren. Das bedeutet, dass auch gerne mal stehen bleiben – auch wenn sie eigentlich wieder gehen sollten“, sagt Hölscher und krault dem kleinen Esel August den Hals.
Wer ist der Vater von Esel-Baby August? Das weiß selbst der Tiertrainer nicht
Er ist der jüngste Nachwuchs in der Familie des Tiertrainers, gerade mal vier Monate alt, und der Liebling von allen am Kalkberg – nicht nur von den Zuschauern, sondern auch von einigen Schauspielern. Immer wieder kommen die Darsteller August und seine Mutter Kubusch besuchen, um sie mit Karotten oder Leckerli zu füttern. Zu der Esel-Familie am Kalkberg gehört auch Josef. Ob er allerdings der Vater von August ist, weiß selbst Bodo Hölscher nicht. „Wir haben zuhause inzwischen 20 Esel – da kommen noch ein paar andere in Frage.“
Wenn Vorstellungen sind – von Donnerstag bis Sonntag - stehen die Tiere am Kalkberg, an den spielfreien Tage auf einer großen Weide in Klein Rönnau, wo sie mehr Platz haben. Wenn die Saison in Bad Segeberg nächste Woche vorbei ist, macht sich Bodo Hölscher mit seinem Pferdeanhänger voller Tiere wieder auf den Weg nach Hause.
Karl-May-Spiele: Esel August und zehn Gänse stehlen Winnetou die Show
Er hofft, dass er nächstes Jahr wiederkommen wird. Mit Eseln, Ziegen und Gänsen im Gepäck. Ob das dann allerdings die gleichen tierischen Darsteller sind wie in diesem Jahr, das kann er nicht versprechen. Vor allem in der Gänseschar gab es in den letzten Jahren Veränderungen. Aber keine Sorge: Das liegt nicht daran, dass es zu Weihnachten Gänsebraten gab!
„Aber da aus der letzten Gänseschar zwei Tiere vom Fuchs geholt wurden, mussten wir uns dieses Jahr eine neue Truppe aufbauen – da die neue Tiere nicht in die bestehende Gruppe integriert werden konnten“, erklärt Hölscher. Er hat die Gänse als Küken bekommen, als sie nur wenige Tage alt waren. Gänsebraten hat er seit Jahren nicht mehr gegessen.