Bad Segeberg. Flora Lehel geht bei „Der Ölprinz“ durchs Feuer. Seit Jahren doubelt sie Stars in Bad Segeberg. Wie die Ungarin zur Stuntfrau wurde.
Diese Frau geht für ihren Job durchs Feuer! Als Stuntfrau bei den Karl-May-Spielen in Bad Segeberg liebt Flora Lehel (26) die Gefahr. Sie springt mit ihrem Pferd Sierra über brennende Hindernisse, hantiert mit lodernden Fackeln, sprang als Stuntdouble für Larissa Marolt von rotierenden Felsplateaus und baumelte für Fabian Monasterios an einem brennenden Seil kopfüber vor einer Felsenburg.
Karl-May-Spiele: Deutschland schönste Stuntfrau spielt an der Seite von Alexander Klaws
Dabei hatte die Ungarin ursprünglich gar nicht vor, Stuntfrau zu werden. Denn eigentlich hat sie Waldorf-Pädagogik studiert. Dass sie bogenschießend durch das Freilichttheater am Kalkberg reitet und auf den Spuren von Jackie Chan und Tom Cruise wandelt, die für ihre Stunts berühmt sind, verdankt die 26-Jährige dem Zufall.
Denn vor sechs Jahren folgte sie ihrem damaligen Freund von Ungarn nach Deutschland, weil dieser hier einen Einsatz als Stuntman hatte – bei den Karl-May-Spielen in Bad Segeberg. Um ihm bei den Vorbereitungen auf seine Rolle zu helfen, trainierte Flora Lehel mit ihm – und wurde dabei von Stunt-Koordinator Steve Szigeti entdeckt.
Vom Gerichtssaal an den Kalkberg: Stuntkoordinator war früher Anwalt
„Als ich gesehen habe, wie sie reiten kann und mit Pferden umgeht, hat es mich umgehauen. So etwas kann man nicht lernen. Das ist eine Gabe“, sagt Steve Szigeti. Er ist ebenfalls gebürtiger Ungar und hat sich mit seiner Firma „Stunt Operations“ international einen Namen als Stuntkoordinator gemacht. Sogar in Hollywood-Streifen wie „Die Mumie“, „Eragon“ und „Königreich der Himmel“ sowie Produktionen wie „Die Säulen der Erde“ hat der Stuntman schon mitgewirkt und mit Stars wie Orlando Bloom und Brad Pitt gearbeitet.
Die Vita des Stuntexperten ist genauso ungewöhnlich wie die Actionszenen, die er heute choreografiert. Denn Szigeti hat einst Jura studiert und über die Rehabilitationschancen von Straftätern promoviert. Irgendwann in den 70er-Jahren war das, heute ist Szigeti „über 60 Jahre alt“, wie er selbst sagt. Auch wenn er ungern über sein Alter spricht.
Steve Szigeti inszeniert Stunts für Hollywood – und für die Karl-May-Spiele
Wenn er von früher erzählt, kommt es ihm manchmal vor wie in einem anderen Leben. Einem Leben, in dem er Junioren-Weltmeister im Fünfkampf und Mitglied der ungarischen Olympiamannschaft wurde – und zwischen Hörsaal und Sportplatz hin- und herpendeln musste. In dem er immer das Gefühl hatte, weder genug Zeit für das Studium noch für den Sport zu haben.
Bis ihn schließlich einige Teamkameraden mit zum Film nahmen – und sich sein Leben für immer veränderte. „Da wir als moderne Fünfkämpfer sowohl Reiten als auch Fechten, Schießen, Laufen und Schwimmen konnten, erhielten wir viele Anfragen von Produzenten, die uns als Stuntman einsetzen wollten“, erinnert sich Szigeti an die Anfänge seiner Laufbahn.
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Am Kalkberg gibt es eine Pferdeflüsterin: Stuntfrau Flora Lehel
Die Entscheidung, den Gerichtssaal gegen die Filmkulisse zu tauschen, hat er nie bereut. Im Gegenteil: Heute gehört der Doktor Jur. zu den besten Stuntmen Deutschlands, ist einer von knapp 50 Stunt-Pferdeexperten auf der Welt – und hat mit „Stunt Operations“ seine eigene Film- und Stuntproduktion mit zahlreichen Stuntleuten.
Eine von ihnen ist Flora Lehel, so etwas wie „Die Pferdeflüsterin“ im Team, wenn es nach Steve Szigeti geht. Sie war gerade mal drei Jahre alt, als sie mit dem Reiten angefangen hat – „und alles ausprobiert hat, was geht“, sagt sie und zählt auf, was sie meint: auf dem galoppierenden Pferd aufstehen, sich seitwärts runterhängen lassen, auf- und abspringen.
Im Sommer arbeitet sie bei den Karl-May-Spielen, im Winter bildet sie Pferde aus
„Stunts machen hat mir immer Spaß gemacht – auch wenn mir früher gar nicht klar war, dass es Stunts sind“, sagt die Ungarin, die mit 19 das erste Mal nach Deutschland gekommen ist und seitdem zwischen ihrer alten und ihrer neuen Heimat pendelt. Während ihres Engagements bei den Karl-May-Spielen lebt sie von Juni bis September in Bad Segeberg, den Rest des Jahres ist sie zu Hause in Ungarn und bildet Pferde für Stunteinsätze aus.
In diesem Jahr hat sie zum ersten Mal eins ihrer eigenen Pferde von Ungarn mit nach Bad Segeberg gebracht: Sierra, eine Pinto Appaloosa Stute. „Ich bin sehr stolz auf sie, wie gut sie sich macht“, sagt Flora Lehel. Sie bekommt viele Briefe von Fans. „Doch viele schreiben mir nur wegen Sierra“, sagt die „Pferdeflüsterin“, die sich vor dem Kauf eines Pferdes lange mit dem Tier beschäftigt. „Ich fühle mich in das Pferd hinein. Zwischen uns muss es stimmen, sonst klappt es nicht.“
Wenn sie sich für ein Pferd interessiert, nimmt sie zu dem ersten Termin einen Regenschirm, eine Trommel und Knisterfolie mit, um zu klären, wie das Tier auf diese ungewöhnlichen Dinge reagiert. „Das Pferd muss mir vertrauen – und ich muss dem Pferd vertrauen können. Das ist lebenswichtig für die Arbeit.“
Mindestens genauso wichtig ist volle Konzentration – auch wenn es banal klingt. Routine darf es in dem Job nicht geben. „Wenn etwas zur Routine wird, konzentriert man sich nicht mehr richtig – und das kann lebensgefährlich werden“, sagt Steve Szigeti.
Das größte Risiko für die Stuntleute: Routine. Sie ist lebensgefährlich
Er sorgt persönlich dafür, dass sich bei den Karl-May-Spielen in Bad Segeberg keine Routine einschleicht und schwört sein Team vor jeder Vorstellung ein. „Wenn ich merke, dass jemand nicht bei der Sache ist, werde ich richtig böse.“ Flora weiß das. Daher kommt sie vor jeder Show bewusst zur Ruhe und fokussiert sich auf den Einsatz. Nur in einem Punkt hat sich inzwischen Routine eingeschlichen – und ist erlaubt: beim Schminken in der Maske.
Die Anforderungen an die Stuntpferde sind groß, daher gibt es spezielle Tiere, die extra für diese Arbeit ausgebildet wurden. Winnetou und Old Shatterhand sowie die anderen Schauspieler hingegen haben eigene Pferde aus der Herde der 21 Tiere, die der Kalkberg GmbH gehören.
Die Waldorf-Pädagogik ist für sie übrigens nur ein Plan B für die Zeit, „wenn ich zu alt für Stunts bin“, sagt Flora, die in der Arbeit mit Pferden und in der Waldorf-Pädagogik eine große Gemeinsamkeit sieht: Beides hat für sie mit der Seele zu tun.
Karl-May-Spiele: Deutschland schönste Stuntfrau will wiederkommen
Bevor Flora Anfang September mit Sierra im Anhänger wieder nach Hause fährt, fliegt ihr Vater aus Ungarn nach Deutschland, um mit ihr gemeinsam zurückzufahren. Der Abschied fällt ihr schwer, sie hofft, dass sie nächstes Jahr wieder ein Engagement bekommt.
Steve Szigeti lächelt. Er wird immer wieder gebeten, Reitkurse für Schauspieler oder Stuntleute zu geben. Er hofft, dass Flora ihn dabei unterstützen wird. „Vielleicht“, sagt er, „sehen wir uns auch schon früher wieder.“