Norderstedt. Über 30 Jahre Diskussionen, zehn Jahre Arbeit am Konzept für Parkgebühren – und dann streikt am ersten Tag die Technik.
Seit weit über einem Jahrzehnt diskutiert die Norderstedter Politik darüber, das Gratis-Parken in den Tiefgaragen und auf den P+R-Parkplätzen der Stadt zu beenden und künftig gebührenpflichtig zu machen. Am 1. September sollten die Parkscheinautomaten rund um das Rathaus und an der P+R-Anlage in Friedrichsgabe endlich scharf gestellt werden – doch ausgerechnet am ersten Tag versagt die Technik.
Eine Frau wirft am Donnerstagmorgen in der Tiefgarage unter dem Rathaus zwei Euro in den Automaten – so viel kostet das Parken pro Tag. Einen Parkschein spuckt das Gerät allerdings nicht aus. Stattdessen zeigt es an, dass die Dame noch 1,97 Euro zu zahlen hat. Sie bricht den Vorgang ab. Ihr Geld bleibt verschwunden. Sie versucht es erneut – wieder verliert sie zwei Euro an den Automaten.
Parken Norderstedt: Bezahl-Parken startet mit Panne
„Na toll! Das gibt es doch nicht!“, schimpft sie und legt einen Zettel in die Windschutzscheibe ihres Autos: „Automat funktioniert nicht, hat mein Geld gefressen“, schreibt sie auf das Blatt Papier und läuft ins Rathaus, um sich zu beschweren. Einer Frau nach ihr passiert das gleiche.
Martina Ludwig und ihrer Mutter Helga Kuptz ergeht es um die Mittagszeit nicht besser. Sie wollen in dem Parkhaus unter der Post ihr Auto abstellen. Und bezahlen würden sie auch. In ihrem Fall lässt sich aber gar kein Geld in den Automaten einwerfen, die Münze wird nicht angenommen. Die beiden nehmen es mit Humor, verzichten schließlich einfach auf den Parkzettel.
Weniger entspannt ist Rolf Puls, der auch gerade in dem Parkhaus seinen Wagen abgestellt hat. Aber er hatte auch mehr Pech als die beiden. In seinem Fall hat der Automat nämlich die zwei Euro gerne genommen, aber dann kein Parkticket ausgespuckt. "Die Sache ist wohl noch nicht ausgereift", meint Puls, der eigentlich nur kurz zur Post will.
Bei Silke Konarski funktioniert der Parkautomat. Allerdings war sie sich unsicher, ob sie ihn überhaupt benutzen sollte. Denn: Auf dem Gerät am Tiefgarageneingang klebt ein Schild, auf dem „Außer Betrieb“ steht. An den anderen Automaten wurde es abgerissen, liegt aber gut leserlich am Boden neben den Parkscheinapparaten. „Soll ich nun zahlen oder nicht?“, fragt sich Silke Konarski und entscheidet am Ende doch, Geld in den Schlitz zu stecken – schließlich weisen Plakate schon seit einiger Zeit darauf hin, dass das Parken kostenpflichtig wird.
Wegen technischer Störung sind Parkautomaten wieder außer Betrieb
In den Autos, die in der Rathaus-Tiefgarage geparkt haben, liegen in vielen Windschutzscheiben Parkscheine. Auf dem Parkplatz hinter dem Rathaus an der Straße Alter Heidberg ist hingegen in keinem Wagen ein Parkticket zu erkennen. Die Automaten sind abgeklebt. Außer Betrieb. So ist es auch an der P+R-Anlage an der AKN-Station Quickborner Straße in Friedrichsgabe. "Außer Betrieb" steht auf einem Zettel, der an den neuen Automaten geklebt wurde.
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Viele Norderstedter Autofahrerinnen und -fahrer fragen sich nun: Was ist passiert? Warum funktionieren die lang angekündigten Parkautomaten nicht? „Zum Start der heutigen Parkraumbewirtschaftung hat es bedauerlicherweise eine technische Störung gegeben“, schreibt die Stadt in den sozialen Medien, um weitere Menschen davor zu bewahren, umsonst Geld an die Automaten zu zahlen.
Norderstedt: Unklar ab wann Automaten wieder funktionieren
Auch Rathaus-Sprecher Bernd-Olaf Struppek spricht von einer „EDV-Panne“. „Die Automaten haben nicht flächendeckend funktioniert, deswegen haben wir sie wieder außer Betrieb gesetzt“, sagt er. „Das ist sehr ärgerlich und wir können uns als Stadt nur entschuldigen.“ Die Verwaltung stehe im engen Austausch mit dem Hersteller der Geräte. Ab wann sie wieder einwandfrei funktionieren, kann Struppek zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen.
Und als wäre die Software-Panne am ersten Tag der Parkraumbewirtschaftung nicht schon genug, wird in der Politik nun nach Jahrzehnten der Diskussion auch wieder das Thema gebührenpflichtiges Parken erneut aufgerissen: In Form eines Antrages der AfD-Fraktion in der Stadtvertretung, die eine sofortige Abschaffung der Gebühren fordert. „Eine Stadt wie Norderstedt, die jährlich mehr als 100 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen erzielt, ist auf Einnahmen aus Parkgebühren nicht angewiesen“, sagt Fraktionschef Sven Wendorf.
Parken Norderstedt: FDP möchte verbilligtes Jahresticket einführen
„In Zeiten explodierender Energiepreise und hoher Inflation ist dies ein völlig falsches Signal. Um die Bürger unserer Stadt nicht unnötig zusätzlich finanziell zu belasten, ist eine Abschaffung der Parkgebühren geboten.“ Und auch bei der FDP ist man mit dem Thema längst nicht durch. Wie Fraktionschef Tobias Mährlein sagt: „Wir sind nach wie vor für die Einführung eines verbilligten Jahrestickets.“
Zum Vergleich: In Norderstedt kosten zwölf Monatskarten 480 Euro, auf Hamburger P+R-Parkplätzen kostet das Jahresticket (in Verbindung mit einer HVV-Zeitkarte) 100 Euro. Was die allermeisten Bürgerinnen und Bürger vermissen, ist eine „Brötchentaste“ am Automaten. 2 Euro Tagesticket lösen, wenn man nur mal schnell zur Post in Norderstedt-Mitte will – das ist vielen zu teuer.
Indes gibt es durchaus Bürger, die generell Verständnis dafür haben, dass das Parken nun kostenpflichtig ist. „2 Euro sind noch in Ordnung, solange es nicht mehr wird“, sagt etwa Silke Konarski, die donnerstags als Verkäuferin auf dem Wochenmarkt am Rathaus arbeitet.
Norderstedt: "Dann parke ich eben in Zukunft in den Seitenstraßen", sagt ein Anwohner
"Regeln sind Regeln. Das muss man akzeptieren", sagt auch ein Mann im Anzug, der seinen Mercedes am Donnerstagmorgen auf dem P+R-Parkplatz in Friedrichsgabe abstellt - vorerst noch kostenlos. Ähnlich sieht das Sami Rustani, der in der Gegend wohnt und gerade seinen BMW auf dem Parkplatz abstellt. "Ich kann das verstehen", sagt er über die neue Kostenpflicht. Er sagt aber auch: "Ich werde dann in Zukunft in den Seitenstraßen parken, wo es nichts kostet."
Kein Verständnis für den Schritt hat hingegen Marion Rynio, die gerade unterwegs zum Einkaufen ist. "Mein Mann und ich stellen oft unser Auto in der Garage in Norderstedt-Mitte ab und fahren dann mit der Bahn nach Hamburg. Dass das jetzt Geld kosten soll, finde ich unmöglich. Das ärgert mich sehr", sagt die Rentnerin.