Henstedt-Ulzburg. Die Rechtspartei wird am Wochenende erneut im Bürgerhaus tagen. Lokalpolitik ist unglücklich – kann das Treffen aber nicht verhindern.

Wann immer die AfD nach Henstedt-Ulzburg kommt, sind sie schon zu Hunderten da: Aktivisten des Bündnisses für Demokratie und Vielfalt, das sich zum Ziel gesetzt hat, den Rechtspopulisten deutlich zu machen, wie unwillkommen sie sind. Das wird auch am nächsten Wochenende nicht anders sein: Die schleswig-holsteinische AfD hält am Sonnabend und Sonntag (27./28. August), knapp viereinhalb Monate nach ihrer Wahlniederlage, einen Landesparteitag im Bürgerhaus ab.

Für beide Tage hat das Bündnis Protestkundgebungen vor Ort angemeldet – jeweils ab 8.30 Uhr, da nicht genau bekannt ist, wann das Treffen beginnen wird.

Doch auch wenn es in der Großgemeinde grundsätzlich einen Konsens gibt, dass kaum jemand die AfD zu Gast haben will, gärt es. Denn das Bündnis, bekanntlich meinungsstark und für die Sache auch manchmal unangenehm direkt, kritisiert die Rathaus und die Politik. Die Botschaft: Es wird weiterhin nicht genug getan, es werden nicht alle Optionen ausgelotet, damit die AfD das Bürgerhaus, also ein Gebäude im Eigentum der Gemeinde, nicht mehr nutzen kann. Und es gibt weitere Forderungen.

Henstedt-Ulzburg und der schwierige Umgang mit der AfD

„Es steht ja in der Satzung: Wenn die öffentliche Sicherheit gefährdet ist, könnte man eine Veranstaltung ablehnen“, sagt Bündnis-Mitglied Britta de Camp-Zang. Und das sei vor dem Hintergrund der Ereignisse vom Oktober 2020 der Fall. „Wir fühlen uns jedes Mal gefährdet.“

Zur Erinnerung: Nach einer Veranstaltung der AfD mit dem damaligen Vorsitzenden Jörg Meuthen war ein junger Mann (damals 19 Jahre alt) aus dem Kreis Segeberg an der Beckersbergstraße mit einem VW-Pick-up in eine Gruppe Gegendemonstranten gefahren, hatte diese zum Teil schwer verletzt. Die Staatsanwaltschaft Kiel klagte den Fahrer unter anderem wegen versuchten Totschlags an, der Prozess wird vor dem Landgericht Kiel stattfinden – allerdings steht noch kein Termin fest.

Henstedt-Ulzburg: Der Angriff von Oktober 2020 hat den Ort verändert

Dieser Angriff hat den Umgang mit der AfD maßgeblich geprägt, auch die Rhetorik ist schärfer geworden. Antifa-Gruppierungen unter anderem aus Hamburg waren seitdem auf Demonstrationen in Henstedt-Ulzburg präsent. Für den Ort eine ungewohnte Kulisse. Es blieb zwar immer friedlich, alle eint die Ablehnung von Rechtsextremismus, aber manche Redebeiträge richteten sich unter anderem gegen die Polizei, was einigen missfiel.

Das Bündnis musste sich immer wieder rechtfertigen. Beim Aktionstag gegen rechte Gewalt im April wurde das deutlich. Zivilcourage und Engagement finden alle politschen Lager gut. Aber die damalige Aussage von Stephan Holowaty (FDP) ist in ähnlicher Form öfter zu hören: „Dort, wo die schwarze Fahne der Antifa weht, gehe ich nicht zur Demo.“

Vier kämpferische Frauen (v. l.) – Ina Krause, Ilona Schlömann und Britta de Camp-Zang vom Bündnis für Demokratie und Vielfalt bekommen Unterstützung von Bettina Jürgensen (Aufstehen gegen Rassismus).
Vier kämpferische Frauen (v. l.) – Ina Krause, Ilona Schlömann und Britta de Camp-Zang vom Bündnis für Demokratie und Vielfalt bekommen Unterstützung von Bettina Jürgensen (Aufstehen gegen Rassismus). © Christopher Herbst

De Camp-Zang entgegnet dem: „Man hat den Eindruck, dass man uns als Radikale, als die ,ganz Linken’ abtut.“ Das stimme nicht, versichert das Bündnis. Man sei „vielfältig demokratisch aufgestellt“, auch Konservative seien dabei. „Bei uns darf jeder demonstrieren, egal ob CDU, WHU oder links.“ Sichtbar auf den Kundgebungen ist aber nur die SPD dabei.

Bündnis fordert eine Anti-AfD-Klausel in der Satzung für das Bürgerhaus

Britta de Camp-Zang stellt eine Gegenfrage: Die AfD sei doch vom Bundesamt für Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft worden (ein Berufungsverfahren läuft allerdings; d. Red.). Das könnte doch ein Anlass für eine entsprechende Klausel in der Bürgerhaus-Satzung sein, meint sie. In zwei Mails an das Rathaus und die Politik hat das Bündnis diesen Vorschlag gemacht – eine Rückmeldung habe man nicht erhalten.

Konkreter ist der Wunsch nach Gleichberechtigung. „Bisher dürfen nur Vereine und Parteien das Bürgerhaus kostenlos nutzen.“ Das reicht aus Sicht des Bündnisses nicht, es sollte für alle Gruppen aus Henstedt-Ulzburg sein. Ein eingetragener Verein wolle man nicht werden, unter anderem wegen der Belastung für Vorstände. „Damit hemmt man das Engagement von Initiativen und überhaupt von Bürgern.“

Henstedt-Ulzburg: Belegungsplan für das Bürgerhaus soll öffentlich sein

Die nächste Forderung: Der Belegungsplan für das Bürgerhaus soll öffentlich sein. Hier steht der Datenschutz als Argument dagegen. Aber, so die Anregung, es könnte doch wenigstens von einer Partei-, einer Privat- oder Vereinsveranstaltung die Rede sein. Ebenso vermisst man ein Onlineformular, das den formalen Weg über den Hausmeister oder das Rathaus ersetzt.

„Es ist unverständlich, warum wir keine Auskunft darüber bekommen, wer von wann bis wann die Räume angemietet hat“, sagt Bündnis-Mitglied Ina Krause. Aus diesem Grund müsse man selbst die Aktionen ganztägig durchführen – die Polizei hat dann einen hohen Personalaufwand. „Der Bürger muss sich doch wundern, warum es nicht öffentlich ist, dass eine Partei tagt.“

Henstedt-Ulzburg: Nutzer veröffentlichen? Gemeinde verweist auf Datenschutz

Deswegen wurde bei der Gemeinde sogar eine Auskunft nach dem Informationszugangsgesetz beantragt. Eine offizielle Antwort steht noch aus, auf Abendblatt-Nachfrage sagt Rathaussprecher Malte Pohlmann aber: „Den Belegungsplan zu veröffentlichen, wird ohne Zustimmung der Antragstellenden aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich sein.“

2023 stehe allerdings eine Neugestaltung der Gemeinde-Homepage an. „Hier soll dann ein anonymisierter Belegungsplan des Bürgerhauses (frei oder geblockt) integriert werden.“ Möglicherweise könne man den Antrag für eine Buchung auch digital stellen, aus organisatorischen Gründen dürften direkte Gespräche aber meist weiterhin notwendig sein.

Henstedt-Ulzburg gilt als Sonderfall in Schleswig-Holstein

Das grundsätzliche Problem bleibt bestehen. Henstedt-Ulzburg gilt als Sonderfall, sagt auch Bettina Jürgensen von „Aufstehen gegen Rassismus“, die mit dem Bündnis zusammenarbeitet. „Mir ist in Schleswig-Holstein nicht bekannt, dass andere Kommunen Räume vermieten.“ Die AfD nutze in der Regel private Objekte.

Rein hypothetisch: Die Gemeinde könnte eine AfD-Anfrage natürlich ablehnen. Sie riskiert dann aber, dass die Partei dagegen klagt. „Man sollte das einfach mal riskieren, dass die AfD vor Gericht geht“, findet Ilona Schlömann, die sich ebenso im Bündnis engagiert. Doch im Rathaus sieht man die Gefahr, dass sich die AfD dann in einer Opferrolle inszeniert, was vermieden werden soll.

Henstedt-Ulzburg: Verwaltung sieht keine Möglichkeit, AfD auszuschließen

Politisch deutet sich keine neue Initiative an, um doch eine Satzungsänderung herbeizuführen. Ein Gutachten hatte 2019 ergeben: Es könnten nur pauschal alle politischen Veranstaltungen untersagt werden – das beträfe auch die hiesigen Parteien und Wählergemeinschaften, weswegen hierfür keine Mehrheit in Sicht ist.

Auch dazu nimmt Malte Pohlmann für die Gemeinde Stellung. „Weder Bürgermeisterin Ulrike Schmidt noch irgendeine Fraktion in Henstedt-Ulzburg ist glücklich über die Tatsache, dass die AfD das Bürgerhaus nutzen darf.“ Die rechtlichen Möglichkeiten seien aber „hinreichend geprüft“. Und solange die AfD nicht vom Bundesverfassungsgericht verboten worden sei, darf Henstedt-Ulzburg die Partei eben nicht ausschließen. „Hieran ändert auch die Einstufung als extremistischer Verdachtsfall (leider) nichts.“

Henstedt-Ulzburg: Bürgermeisterin Schmidt verteidigt Position des Rathauses

Den Vorwurf unzureichender Kommunikation will die Verwaltung nicht stehen lassen. Die Bürgermeisterin habe persönliche Gespräche mit Vertreterinnen des Bündnisses geführt. „Bei aller Anerkennung für das Engagement wünscht sich Frau Schmidt Verständnis für die Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung, die – unabhängig ihrer persönlichen Ansichten – zur Gleichbehandlung aller Antragstellenden verpflichtet sind.“

Das Bündnis hofft, einen gemeinsamen Weg zur Kooperation zu finden. „Eine Einwohnerversammlung einmal jährlich wäre wünschenswert“, sagt Britta de Camp-Zang. Der AfD will man keine Ruhe geben. Ohne öffentlichen Druck wäre diese noch stärker. „Überall dort, wo sich mehr als zwei AfD-Leute treffen, wäre Protest. Wir engagieren uns gegen Rechts, damit die AfD verboten wird.“