Norderstedt. Vor den hohen Gaspreisen fliehen nach Mallorca, Tunesien oder in die Türkei: Wir haben die Idee einmal durchgerechnet.
Einfach die kalten Monate in einer warmen Region verbringen, zum Beispiel am Mittelmeer – und warten, bis zu Hause der Spuk vorbei ist: Angesichts horrender Gas- und Strompreise klingt das für viele Leute immer verlockender. Schließlich haben gerade erst die Stadtwerke Norderstedt ihre Gastarife angehoben. Das viele Geld ließe sich ja vielleicht besser in eine temporäre Unterkunft in Strandnähe investieren. Man dürfte eben nur keine regelmäßigen Termine in der Heimat haben.
Für die meisten Erwerbstätigen sowie für Eltern schulpflichtiger Kinder dürfte damit der Traum schon ausgeträumt sein. Für Rentner allerdings nicht. Ein Plan, zu schön, um wahr zu sein? Wir haben die Sache einmal, gemeinsam mit der Verbraucherzentrale und einem Norderstedter Reisebüro, durchgespielt.
Gaspreise Norderstedt: Im Beispiel hat das Paar ein Haus mit 120 Quadratmetern
In unserem Rechenexempel ist es ein Rentnerehepaar, das sein 120 Quadratmeter großes Einfamilienhaus in Norderstedt, Baujahr 1977 mit Gasheizung, gerne für die Monate Dezember und Januar verlassen möchte. Was verbrauchen die beiden an Energie, was würden sie einsparen?
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Dazu haben wir Carina Vogel befragt, Referentin für Energie bei der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein. Sie legt beim Gasverbrauch Durchschnittswerte zugrunde und geht vom aktuellen Grundversorgungstarif der Stadtwerke Norderstedt aus. Und sie sagt: „Die Heizung über den Winter komplett auszuschalten, ist keine gute Idee. Das Eigenheim sollte mit einer Temperatur von mindestens 16 Grad beheizt werden, damit keine Leitungen einfrieren und kein Schimmelschaden durch die ausgekühlte Bausubstanz entsteht.“
Heizkosten: Laut Expertin kann auf 16 Grad heruntergegangen werden – weiter nicht
Carina Vogel geht davon aus, dass das Haus der beiden Rentner normalerweise 22 Grad warm ist. Gehen sie auf 16 Grad runter, könnten sie nach Vogels Berechnung monatlich etwa 1000 Euro Heizkosten sparen – die jetzt beschlossenen Preiserhöhungen der Stadtwerke Norderstedt, die neue Gasumlage und auch die jetzt in Berlin angekündigte Senkung der Mehrwertsteuer eingerechnet.
Beim Strom legt Carina Vogel ebenfalls den Grundtarif der Stadtwerke Norderstedt zugrunde. In ihrer Modellrechnung müssten alle Geräte abgeschaltet werden, inklusive Kühlschrank, Router und Beleuchtung. Die Heizungspumpe müsste, aus den genannten Gründen, weiterlaufen. Unter den Bedingungen kommt Claudia Vogt auf eine Ersparnis von rund 70 Euro monatlich.
Energiekosten sparen: 2140 Euro in zwei Wintermonaten
Bleibt unser Rentnerpaar vom 1. Dezember bis 31. Januar weg, spart es also etwa 2140 Euro. Genug zum Überwintern im Süden? Wir gehen mit der Summe zum Reisebüro Herrmann Touristic in Norderstedt-Mitte. Der Eigentümer Andreas Herrmann hat sich für uns Zeit genommen, rechnet drei günstige Pauschalreisen für zwei Personen für uns aus, die etwa im genannten Zeitraum liegen. Die Flüge sind jeweils im Preis inbegriffen. Anbieter ist jeweils der Veranstalter „Schauinsland Reisen“, der solche langen Aufenthalte derzeit im Programm hat.
Überwintern im Süden - zum Beispiel im türkischen Badeort Alanya
Im ersten Beispiel geht es in den Badeort Alanya, gelegen an der türkischen Mittelmeerküste. Der buchbare Zeitraum: 1. Dezember bis 21. Januar. Wir bekommen ein „Super-Spar-Zimmer“ im Vier-Sterne-Hotel „Kleopatra Royal Palm“. 233 Zimmer hat die Anlage, die direkt am Strand liegt. Pro Person kostet die Sache 941 Euro ohne Frühstück, Halbpension für zwei Personen kostet 2690 Euro. Weil das Zimmer ja keine Küche hat, ist Letzteres vielleicht die beste Option.
Bei der berechneten Energiekostenersparnis würden wir 550 Euro drauflegen. Klingt erst mal wenig, aber der Betrag dürfte noch deutlich steigen. Da ist etwa das Mittagessen, wir müssten uns ja wochenlang Restaurants ansteuern. Außerdem, das lehrt die Erfahrung, kommen in dem Hotel vermutlich weitere Kosten auf uns zu, gerade bei so einer Aufenthaltsdauer. Aber gut – dafür hat unsere Unterkunft drei Pools, außerdem zweimal in der Woche einen „türkischen Abend“. Eine Sauna gibt es auch, die Benutzung kostet aber schon mal extra.
„Feinsandiger Strand“ im tunesischen Sousse
Was gibt’s noch? Andreas Herrmann hätte da auch eine Pauschalreise nach Tunesien, 9. Dezember bis 3. Februar. Es geht in den Badeort Sousse. Direkt am Strand liegt unsere Unterkunft, das Vier-Sterne-Hotel „Riadh Palms“. Unser Zimmer ohne Meerblick kostet für zwei Personen 2160 Euro, mit Halbpension. Wunderbar, das ist ja ziemlich genau die Summe, die wir laut Berechnung zu Hause einsparen könnten!
Aber: Auch hier kämen Restaurants hinzu sowie wohl weitere, noch nicht berechnete Kosten im Alltag – ein Nullsummenspiel wird auch der Aufenthalt in Tunesien vermutlich nicht. Auf der anderen Seite: Da gibt es einen „feinsandigen Strand“, wie Andreas Herrmann sagt. Außerdem bietet die Hotelanlage, die mit neun Etagen und 650 Zimmern eher zu den größeren zählt, ein Hallenbad, eine Disco und ein „Barcenter.“ Einzelzimmer gebe es übrigens auch, sagt Andreas Herrmann.
Cala Millor auf Mallorca – bei acht Grad im Winter?
Gut, Tunesien. Ganz schön weit weg, natürlich. Einen Ort, der vielen vertrauter sein dürfte, hat Andreas Herrmann auch im Angebot: Mallorca! Vom 1. Dezember bis 26. Januar wäre was frei im „Hipotels Dunas Cala Millor“, einer Hotelanlage mit 100 Zimmern. 2970 Euro ist die günstigste Möglichkeit für zwei Personen, aber dafür bekommen wir auch ein Apartment, das sogar eine kleine Küche hat.
Laut Berechnung müssten wir 830 Euro drauflegen, in der Realität wären es wohl mehr als 1000 Euro. Immerhin: In dem Apartment können wir selbst kochen, das spart ein bisschen Geld. Gelegentlich müssten wir wohl einen heißen Tee aufsetzen: „Die Temperaturen auf Mallorca gehen zur der Jahreszeit schon mal auf acht Grad runter“, sagt Andreas Herrmann.
Was „richtig Gutes“ hätte er übrigens auch auf Mallorca für den Zeitraum. Zum Beispiel das Hotel „Iberostar Selection Llaut Palma“, fünf Sterne hat’s, ein Zimmer mit Meerblick und Frühstück kostet, für zwei Personen, 5800 Euro. Aber gut, da ist die Idee, den Urlaub zumindest teilweise durch Energiekostenersparnis zu decken, natürlich endgültig obsolet.
Flucht vor den Gaspreisen: Was bieten Booking.com und Airbnb?
Wir danken Andreas Herrmann erst einmal und schauen zu Hause nach, welche Möglichkeiten es für die möglichen Exil-Orte Alanya, Sousse und Cala Millor noch so gibt. Auf dem Portal Booking.com finden wir im Zeitraum 1. Dezember bis 31. Januar in Alanya kleine Apartments mit Küche, ab etwa 1000 Euro. Der Bewertungsdurchschnitt ist immerhin noch „gut“, allerdings kosten die meisten Unterkünfte wesentlich mehr, ab 2000 Euro aufwärts. Ähnlich ist es bei Airbnb: Apartments gibt es ab 900 Euro, die meisten sind aber deutlich teurer. Und die Flüge müsste man noch drauf rechnen, beziehungsweise die Anreise mit Auto und Schiff.
Im tunesischen Sousse bietet Airbnb nichts an, bei Booking.com lässt sich eine 150 Quadratmeter große „Villa“ mieten, die aber gleich 2500 Euro kostet. Mallorca wird noch teurer, Apartments an der Cala Millor schlagen mit 3500 Euro aufwärts zu Buche. Ganz ähnlich bei Airbnb. Auch hier: Die An- und Abreise käme noch dazu. Weiterhin zu klären bliebe die Frage, ob bei den genannten Preisen der Privatanbieter eigentlich schon die Heiz- und Stromkosten mit drin sind, die ja nicht nur in Deutschland steigen.
Gaspreise: Wer wirklich sparen muss, sollte zu Hause bleiben
Also vielleicht doch lieber bei Andreas Herrmann buchen? Er würde uns die Reise natürlich verkaufen, stellt aber auch klar: „Überwintern im Süden, um Heizkosten zu sparen, das rechnet sich nicht.“ Wer schon lange von einem Winter-Aufenthalt im Süden träumt, mag die hohen Gaspreise als einen willkommenen Anlass nehmen. Aber wer wirklich sparen will oder muss, sollte aus Sicht von Andreas Herrmann lieber zu Hause bleiben.
Er selbst mache das auch so, in diesem Winter: „Ich bleibe hier, füge mich“, sagt der Reisebüro-Inhaber. Privat und beruflich versuche er schon jetzt, Energiekosten zu sparen: „Wir haben zu Hause unnütze Energieverbraucher reduziert und in der Familie ein Auto abgeschafft.“ Im Reisebüro werde jetzt die Klimaanlage zwischendurch abgeschaltet, außerdem wurde die Nachtbeleuchtung reduziert.
Gaspreise Norderstedt: Jedes Grad weniger spart sechs Prozent Energie ein
All jenen, für die sich nun der Traum vom Überwintern im Süden zerschlägt, gibt Carina Vogel noch einen Energiespartipp mit. Am effektivsten, das betont die Expertin von der Verbraucherzentrale, sei immer noch das Herunterdrehen der Heizung: „Jedes Grad weniger beheizte Raumtemperatur spart sechs Prozent Energie ein.“
Na dann... Es spricht einiges dafür, diesen Sommer noch voll auszukosten.