Henstedt-Ulzburg. Stephan Holowaty über die Zeit im Landtag, Probleme der Metropolregion und wo Henstedt-Ulzburg strategisch falsch liegt.
Fünf Jahre saß Stephan Holowaty (59) aus Henstedt-Ulzburg für die FDP im Schleswig-Holsteinischen Landtag. Im vergangenen Mai, als die Partei bei der Landtagswahl große Verluste erlitt, verpasste er den Wiedereinzug. Im Interview spricht Holowaty, der in seinem Wohnort den wichtigen Planungs- und Bauausschuss leitet und zudem FDP-Kreischef ist, über Erfolge der „Jamaika“-Koalition, wie Probleme im Land mit denen in der Metropolregion zusammenhängen und was er von der neuen Regierung sowie der Verwaltung erwartet.
Stephan Holowaty: „Wir haben in Kiel zum Teil gegen Windmühlen angekämpft“
Herr Holowaty, Sie mussten den Landtag nach fünf Jahren wieder verlassen. Wie muss man sich einen solchen Abschied vorstellen?
Holowaty: Da hängen Emotionen mit drin. Es war nicht nur ein Job, es war eine Aufgabe, ich hätte sehr gerne die nächsten fünf Jahre etwas für das Land, für die Region bewirkt. Gerade bei der Verkehrspolitik und der Digitalisierung, da hätte ich die Ansätze gerne weiter begleitet.
Persönlich ist das eine Zäsur?
Holowaty: Das war es auch vor fünf Jahren, als ich für den Landtag kandidiert und nicht damit gerechnet hatte, reinzukommen. Aber auch da kandidierte ich in dem Wissen, dass es ein Mandat auf Zeit ist, dass es in der Demokratie so ist und sein soll, dass es mal klappen kann und mal nicht. Daher war es für mich nicht so schwer, wie es vielleicht für jemanden war, der seine gesamte berufliche Laufbahn darauf gesetzt hat, der vielleicht gar keine berufliche Ausbildung hat, wie es in einigen Parteien ab und an vorkommt.
Sie waren parallel auch noch Gemeinde- und Kreispolitiker. Inwieweit hat sich das ergänzt?
Holowaty: Hervorragend. Das Wissen aus dem Land, sei es über Förderprogramme, über Diskussionen wie zu Verkehrspolitik, ist wertvoll für die kommunale Ebene. Und der Verkehrsminister war ein Parteifreund, viele Informationen waren nur einen Telefonanruf weit weg. Man kann das beliebig intensiv betreiben. Und es reicht nicht, eine Vorlage zu lesen und sich eine Meinung zu bilden. Man muss juristisch intensiv recherchieren, sich Situationen vor Ort angucken, im Bereich Bautechnik Gedanken machen.
Welche Landesthemen waren für Henstedt-Ulzburg am wichtigsten? Sie haben den Verkehr angesprochen.
Holowaty: Auch die Landesplanung – sie gibt uns die Antwort auf die Frage, welche Aufgaben Henstedt-Ulzburg bekommt, wie die Rolle von Henstedt-Ulzburg als Ort direkt an der Hauptentwicklungsachse ist. Das Thema Verkehr, der Wohnungsbau, die S21, das hängt alles miteinander zusammen. Auch die Wirtschaft – die siedelt sich dort an, wo ich Verkehrswege schaffe.
Ist man bei der Verkehrsinfrastruktur in der letzten Legislaturperiode vorangekommen?
Holowaty: Bei der S21 auf jeden Fall, dazu kommt der Schienenverkehr mit dem Nahverkehrsplan, die Stabilisierung der AKN und die Frage, wie wir deren Leistungsqualität behalten. Wir verfolgen seit Wochen, seit Monaten die Ausfälle auf den Linien der AKN, das ist ein Drama. Ich kann es schwerlich nachvollziehen. Die Wartungsprobleme treten auch dadurch auf, dass sie in der Werkstatt Personalprobleme haben.
Sie haben – zusammen mit Ole-Christopher Plambeck – für den Ausbau der Schleswig-Holstein-Straße geworben. Schließlich kam es zu einer Machbarkeitsstudie.
Holowaty: Wir haben versucht, über Bande zu spielen. Gerade dieses Thema hatte Potenzial, ein Erfolg zu werden. Ich hatte mir gewünscht, dass es schneller geht, dass hier schon die Bagger rollen, aber da kam Corona dazwischen. Wie es jetzt weitergeht, wie sich die neue Landesregierung dazu aufstellt, ist noch schwer vorher zu sagen.
Sprechen wir über die Ostküstenleitung, das mutmaßlich komplizierteste Thema in Henstedt-Ulzburg. Ist es überhaupt noch möglich, den Bau der Stromtrasse durch den Ort zu verhindern?
Holowaty: Staatsräson ist, die Leitung zu bauen – von einem Anfangs- zu einem Endpunkt. Aber nicht, quer durch Henstedt-Ulzburg zu bauen, die 90 Millionen Euro teurere Düker-Lösung zu nehmen, als sie weiter nach Norden zu legen. Aber ich habe den Eindruck, dass hier die Parteizugehörigkeiten eher gehindert haben – das Ministerium war immer weniger kooperationsfreudig, je mehr die Zeit vorangeschritten war.
Der neue Minister für die Energiewende, Tobias Goldschmidt, hatte als Staatssekretär im Frühjahr einen recht kompromisslosen Auftritt in Ihrem Ausschuss.
Holowaty: Ja, das war zu erwarten. Aber es war wichtig, dass er erscheint, damit auch die Kollegen in der Kommunalpolitik sehen, woher der Wind weht und gegen welche Windmühlen wir in Kiel zum Teil angekämpft haben.
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Geht es nur noch über den Klageweg am Bundesverwaltungsgericht?
Holowaty: Ja, so deutlich muss man es formulieren. Da kann die Gemeinde an Einwendungen bringen, was sie will. Der Minister hat sich so klar positioniert, dass es nicht beachtet wird. Ich erwarte zum Jahresende einen Planfeststellungsbeschluss, dann müssen wir uns als Gemeinde überlegen, ob wir dagegen vorgehen. Aber es muss eine politische Mehrheit geben. Diese steht.
Eine Trasse, die weiter nördlich verlaufen würde, ist direkt mit der Autobahn 20 verknüpft. Aber diese gibt es ja bisher gar nicht.
Holowaty: Ja, die ist noch nicht da. Aber ich habe mit großer Freude den Koalitionsvertrag von CDU und Grünen gelesen, in dem sich das Land zur A20 bekennt. Und das auf der geplanten Trasse. Das gibt mir die Sicherheit, sagen zu können: Es ist eine echte Option. Und es kommt ja noch mehr dazu: Neben der A-20-Trasse werden heute schon Gebiete zur Erzeugung von Windenergie ausgewiesen. Und die brauchen ja eine Stromtrasse zur Ableitung.
Was fordern Sie von der Gemeindeverwaltung?
Holowaty: Ich war überrascht, als kürzlich Herr Duda (der neue Bauamtsleiter; d. Red.) geschrieben hat, dass er die Chancen schwinden sieht. Das war eine Positionierung, die mich alarmiert. Da hat ihm sogar unsere Anwältin in einem Schreiben an alle Fraktionen öffentlich widersprochen. Wir brauchen das Engagement der Verwaltung zu fundamental wichtigen Themen.
Die FDP regiert nicht mehr mit in Kiel. Was ist denn jetzt noch von der liberalen Handschrift übrig?
Holowaty: Im ÖPNV hat Bernd Buchholz als Minister vieles angeschoben, das auch Konsens war. Die S21 wird Bestand haben. Aber ich sehe in der Verkehrs- und Wirtschaftspolitik eine gewisse Umorientierung. Der neue Minister Claus Ruhe Madsen kommt aus Mecklenburg-Vorpommern, hat enge Verbindungen nach Dänemark. Beide Staatssekretäre kommen aus dem CDU-Kreisverband Kiel. Da muss die Landesregierung beweisen, dass sie auch die Metropolregion Hamburg im Fokus hat.
Das heißt, sie müssen als Gemeinde wieder von vorne anfangen?
Holowaty: Die eingeschlagenen Pflöcke, der Begriff Henstedt-Ulzburg, sind jetzt im Ministerium nicht mehr bekannt. Wir müssen eine neue Offensive starten, um die Metropolregion bekannt zu machen. Aber das kann schlecht die Aufgabe eines kleinen Ausschusses sein, sondern der Bürgermeister, speziell Nordgate, um die Kontakte zügigst herzustellen. Meines Erachtens passiert da nicht genug.
Wo sehen Sie für Henstedt-Ulzburg das größte Potenzial?
Holowaty: Wir brauchen Anker-Investoren. So etwas ist Rewe für mich. Aber aus dem Entwurf des Integrierten Gemeinde-Entwicklungskonzeptes spricht ein Fehlen von Bewusstsein, welche Branchen sich hier ansiedeln können. Es geht um Unternehmen mit technologisch guten Arbeitsplätzen, auch Produktionsbetriebe, denn dort werden deutlich höhere Löhne gezahlt als in der Logistik. Wir haben aber in Henstedt-Ulzburg kein gemeinsames Verständnis dafür, was Logistik ist und was nicht.
Was fehlt Ihnen konkret?
Holowaty: Das strategische Verständnis. Aber es gibt auch in der Politik keine Einigkeit. Man muss realistisch sein: 80 Prozent der Gewerbebetriebe hier zahlen keine Gewerbesteuer, weil sie nicht genug verdienen. Die Strategie, auf Kleinunternehmen zu setzen, wird sich nicht auszahlen.
Wie lockt man Firmen nach Henstedt-Ulzburg?
Holowaty: Wenn ich Unternehmen ansiedeln möchte, muss ich auch Wohnraum für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zur Verfügung stellen. Menschen müssen die Chance haben, hier zu wohnen. Kurze Arbeitswege heißt wenig Pendler. Bei der Entwicklung von Wohnraum dürfen wir nicht nur Rentner, sozial Schwache, Arbeitslose in den Fokus nehmen – was alles wichtig ist –, sondern auch die Bedürfnisse derjenigen Menschen, die hier im Ort arbeiten.
Gibt es überhaupt noch Flächen für neue Quartiere?
Holowaty: Wir sind am Rande unserer Möglichkeiten. Die Wagenhuber-Fläche haben wir noch. Wir haben Potenzial zur Nachverdichtung, gerade in Ulzburg. Und da komme ich zum alten Thema Beckershof – damit wären alle Probleme gelöst. Und ich bin mir sicher, dass das Thema im Kommunalwahlkampf wird.
Eine persönliche Frage noch: Was werden Sie in Zukunft beruflich machen? Der Ausschussvorsitz ist ja „nur“ ein Ehrenamt.
Holowaty: Ich habe mich lange Jahre als selbstständiger Berater um Digitalisierungsprojekte gekümmert, war im Kommunikationsbereich tätig. Ich habe viele internationale Projekte gemacht, aber ich gönne mir jetzt die Zeit, um mich zu fragen, wo ich die nächsten Jahre hinmöchte. Die Kommunalpolitik ist ein Hobby – aber ein sehr intensives.