Norderstedt. Krieg, Inflation, Energiekosten: Trotz alldem kann genau jetzt der richtige Zeitpunkt zum Investieren sein. Was dabei zu beachten ist.
Die Hypothekenzinsen günstig, die Preise hoch und weiter steigend: Das waren jahrelang unumstößliche Wahrheiten für all jene, die ein Haus kaufen wollten – ob nun in Hamburg oder in Norderstedt und Umgebung. Doch der Ukraine-Krieg, steigende Zinsen, hohe Inflation und Energiepreise krempeln gerade den Immobilienmarkt um. Während in Hamburger Stadtteilen die Auswirkungen noch moderat bleiben, sind sie in Norderstedt, Henstedt-Ulzburg und Kaltenkirchen schon voll spürbar, sagen Makler.
Während einige Hausverkäufer Grund zur Sorge haben, können bestimmte Käufergruppen von der Situation profitieren. Ein Beispiel: Familien, die ihre Eigentumswohnung in Eimsbüttel, Lokstedt oder Winterhude gerne gegen ein Haus in Norderstedt tauschen würden, haben jetzt gute Karten. Auch Käufer, die handwerklich geschickt sind und viel an einer Immobilie selbst machen können und wollen, sind in einer guten Situation.
Haus kaufen in Norderstedt: Nachfragerückgang von bis zu 90 Prozent
Was sich gerade am Immobilienmarkt tut, beschreibt Thorsten Hausmann so: „Seit Ende 2021 hat sich alles drastisch verändert. Wir haben einen Nachfragerückgang von bis zu 90 Prozent.“ Hausmann ist Geschäftsführer des Norderstedter Unternehmens Hausmann Immobilien, der Makler ist seit Jahrzehnten im Geschäft. „Früher hatten wir etwa 20 Nachfragen zu einer Immobilie. Heute sind wir froh, wenn es zwei sind“, sagt er. Die Nachfrage werde immer geringer, je weiter man von Hamburg aus heraus aufs Land gehe.
Von sinkender Nachfrage berichten auch andere Makler in der Region. Auf der anderen Seite steige das Angebot an Häusern, wie etwa Nico Rauchbach sagt, Leiter der Engel & Völkers-Filiale für Norderstedt und Kaltenkirchen: „Wir haben so viele Angebote wie lange nicht mehr. Derzeit ist fast alles zu finden, von der Zweizimmerwohnung bis zum großen Einzelhaus.“
Makler: „Zinsen haben sich seit Januar nahezu verdreifacht“
Nicole Reise fasst das so zusammen: „Früher hatten wir einen Verkäufermarkt, jetzt sind wir in einen Käufermarkt hineingelaufen.“ Reise ist Geschäftsführende Gesellschafterin der Frank Hoffmann Immobilien GmbH & Co. KG, die sechs Standorte im Norden hat, einen davon in Kaltenkirchen. Der Grund für die Entwicklung: Weite Teile der Bevölkerung sind verunsichert. „Wer ein Haus hat, geht lieber jetzt an den Markt, bevor eine Abwärtsspirale richtig einsetzt“, sagt Nicole Reise.
Doch Käufer finden sich längst nicht mehr so schnell wie noch vor einem Jahr. Dazu Thorsten Hausmann: „Seit Januar haben sich die Zinsen zur Immobilienfinanzierung nahezu verdreifacht.“ Viele könnten es sich deshalb gar nicht mehr leisten, Geld aufzunehmen – oder sie bekämen gar nicht erst einen Kredit von der Bank. Und dann seien da natürlich der Ukraine-Krieg, die hohe Inflation und die Energiekosten: „Die Leute wissen einfach nicht, was kommt.“
Norderstedt: Gute Situation für Hauskäufer mit Eigenkapital
Dass da das Geld nicht mehr so locker sitzt, ist mehr als nachvollziehbar. Dennoch kann genau jetzt der richtige Moment zum Kauf sein, meint Nico Rauchbach. Die Marktsituation könne man nutzen – sofern man nicht allzu viel Geld von der Bank benötige. „Wer eine Immobilie kaufen möchte und eine gewisse Menge Eigenkapital hat, für den ist es jetzt absolut empfehlenswert, zu kaufen“, sagt der Makler.
Was genau sind die Vorteile? „Käufer können jetzt in Ruhe suchen und vergleichen, haben wieder mehr Kontrolle, müssen nicht sofort zuschlagen“, sagt Nicole Reise. Und dann hat die Marktsituation natürlich gewisse Auswirkungen auf die Preise.
Haus kaufen Norderstedt: „Tagtäglich fallen die Preise“
Nico Rauchbach drückt das so aus: „Da wir momentan ein höheres Angebot haben als noch im Dezember, erreichen wir momentan auch nicht die Preise wie Ende 2021.“ Thorsten Hausmann sagt: „Der Höhepunkt bei den durchsetzbaren Preisen ist überschritten.“ Nicole Reise wird etwas deutlicher: „Tagtäglich fallen die Preise.“ Neuwertige Objekte betreffe das noch nicht, aber „bei solchen, die modernisiert werden müssen, haben wir Preisreduzierungen von zehn bis 15 Prozent.“ Die Maklerin ergänzt: „Ich rechne auch bei normalen Objekten mit einer Preisregulierung.“ Käufern rät sie, „noch ein- bis zwei Monate zu warten.“
Natürlich, das betonen Nicole Reise und ihre Kollegen, komme es immer sehr auf das einzelne Objekt an. Nach bestimmten Häusern gebe es nämlich zurzeit eine riesige und weiter steigende Nachfrage: Die Rede ist von neuen oder gut sanierten, energieeffizienten Häusern. Wer ein gut gedämmtes Haus oder sogar eines mit Wärmepumpe oder Solaranlage hat, wird jetzt viele Interessenten finden.
Handwerklich begabte Käufer können ein Schnäppchen machen
Umgekehrt sinken besonders die Preise für unsanierte Häuser aus den 60er oder 70er-Jahren, die noch eine Ölheizung haben. Da gehe die Nachfrage gerade „ab in den Keller“, sagt Olaf Korf. Er ist Immobilienkaufmann bei der Norderstedter Firma Holger Hagemann Immobilien. Doch genau das könnten natürlich bestimmte Käufer nutzen: „Wer viel selbst an einem Haus machen kann, kann jetzt ein Schnäppchen machen.“ Darauf weist auch Nicole Reise hin: „Die Handwerkerfamilie bekommt wieder eine Chance.“
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Sie betont auch, dass die Entwicklungen regional unterschiedlich seinen. „Im Moment fallen die Preise in Hamburg noch nicht so wie in Schleswig-Holstein“, besonders in „starken Lagen“ wie Eppendorf, Eimsbüttel, Lokstedt, Winterhude und Uhlenhorst seinen die Preise noch stabil. Wer in einem dieser Viertel in einer Eigentumswohnung lebe, aber an einen Umzug in ein Haus nördlich von Hamburg denke, könne jetzt von der Marktlage profitieren, indem er seine Wohnung verkaufe und dort investiere, „wo die Preise zu bröckeln beginnen.“
Haus kaufen Norderstedt: Bis zu 500.000 Euro für eine Immobilie
Was muss man überhaupt anlegen, auf welchem Niveau befinden sich die Preise in Norderstedt und Umgebung? Olaf Korf möchte zunächst mit dem Bild aufräumen, dass Norderstedt ein besonders günstiges Pflaster sei. „Vor 30 Jahren war es unglaublich billig, hier zu kaufen. Aber jetzt hat es teilweise Hamburg-Niveau.“ Das bestätigt auch Nicole Reise: „Norderstedt ist nicht pauschal günstiger als Hamburg.“ Die Preise seien mit denen im Stadtviertel Bramfeld vergleichbar. Andere Orte im Hamburger Umfeld, wie etwa Ahrensburg, Großhansdorf oder Reinbek, seien allerdings noch einmal etwa 15 bis 20 Prozent teurer als Norderstedt.
Olaf Korf sagt: „Für ein 100 Quadratmeter großes Reihenhaus in Norderstedt-Glashütte mit Garten muss man zwischen 400.000 und 500.000 Euro anlegen.“ Auch er betont allerdings: Es wird immer wichtiger, in welchem energetischen Zustand das Haus ist. Für einen Neubau in Garstedt, der in Sachen Energieeffizienz auf dem neuesten Stand ist, werden auch schon mal 700.000 bis 800.000 Euro aufgerufen.“
Wer günstigere Immobilien sucht, sollte sich weiter nördlich orientieren, so der Rat der Makler. „Hinter Bad Bramstedt hat man bessere Chancen“, sagt Nicole Reise. Olaf Korf sagt: „In Orten nördlich von Kaltenkirchen steigen die Chancen, für etwas weniger Geld fündig zu werden.“