Bad Segeberg. 22-Jähriger fuhr betrunken Auto und tötete bei einem Unfall eine 16-Jährige: Was er nun vor dem Gericht in Bad Segeberg erklärte.
Prozessauftakt im Amtsgericht Bad Segeberg. Vor dem Jugendschöffengericht muss sich dort seit Donnerstag der heute 22 Jahre alte F. aus einer kleinen Gemeinde in der Nähe von Bad Segeberg wegen fahrlässiger Tötung, Trunkenheit am Steuer und Fahrerflucht verantworten.
F. war am Abend des 24. Oktober 2020, einem Sonnabend, auf der Bundesstraße 432 alkoholisiert und mit hoher Geschwindigkeit zwischen Leezen und Mözen von der Fahrbahn abgekommen, gegen einen Baum geprallt und dann gegen einen entgegenkommenden Linienbus geschleudert.
Prozessauftakt: 16-Jähriges Mädchen wurde bei Unfall getötet
Dabei traf sein Fahrzeug mit dem Heck in etwa 1,20 Meter Höhe die Seitenscheibe des Busses, hinter der ein 16 Jahre altes Mädchen saß. Sie erlitt ein polytraumatisches Hirnschädeltrauma und verstarb. Auch mehrere andere Insassen erlitten Schnittverletzungen und schwere Schocks. Der Unfallfahrer flüchtete zunächst und meldete sich dann einen Tag später bei der Polizei.
Um kurz vor 9 Uhr am Donnerstag betrat der Angeklagte mit seinen Hamburger Verteidigern Hont Hetényi und Richard Rudolph das Gerichtsgebäude am Kalkberg. Er trug eine Kapuzenjacke und eine Mund-Nase-Maske. Er nahm das Käppi auf dem Kopf herunter, die kurz geschnittenen Haare des sportlich und kräftig wirkenden jungen Mannes kamen zum Vorschein.
Richter bezeichnet Prozess als „einen sehr speziellen Fall“
Im Gerichtssaal warteten bereits zahlreiche Medienvertreter und einige Zuschauer, darunter Angehörige des Angeklagten. Der Vorsitzende Richter Tobias Kleimann eröffnete pünktlich das Verfahren, das er als „einen sehr speziellen Fall“ und einen „merkwürdigen und besonderen Ausnahmefall“ bezeichnete.
Denn weder einer der anderen Geschädigten aus dem Bus noch die Eltern des 16-jährigen Todesopfers hätten um Akteneinsicht gebeten oder würden als Nebenkläger auftreten. Ihm sei klar, dass dieser Prozess ein großes öffentliches Interesse habe, betonte der Vorsitzende Richter. Darum sei ihm wichtig, dass seine Kammer ein „faires Verfahren“ ermögliche.
Angeklagter feierte im Fußballverein, ehe er den Unfall baute
Gleichwohl möchte er es auch nicht in die Länge ziehen und etwa alle 30 Businsassen als Zeugen vorladen, sagte Richter Kleimann. So einigten sich Staatsanwaltschaft und Verteidigung darauf, nur die Fußballmannschaft des Angeklagten sowie den Wirt des Vereinsheimes vom Leezener SC anzuhören. Dort spielte F. in der zweiten Herren und soll mit seinem Team gefeiert haben, bis er dann gegen 20.15 Uhr in den VW Passat Kombi seiner Mutter stieg und den verhängnisvollen Unfall verursachte.
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Staatsanwältin Geldschläger verlas die Anklageschrift. Mit einer Geschwindigkeit von mindestens 102 km/h sei F. etwa zwei Kilometer von Leezen entfernt in Mözen auf gerader Fahrbahn rechts in die Böschung geraten. Statt anzuhalten, sei er etwa 60 Meter weiter auf dem Grünstreifen gefahren, bis er gegen einen Baum prallte und kopfüber mit dem Heck des Fahrzeugs den Linienbus traf, in dem das Mädchen saß und tödlich verletzt wurde.
Nach dem Unfall machte sich der Angeklagte aus dem Staub
Nach dem Unfall habe sich F. sofort aus dem Staub gemacht und vom Unfallort entfernt, führte die Staatsanwältin aus. „Er hätte erkennen müssen, welche schwere Folgen und erhebliche Verletzungen sein Unfall verursachte.“ Zudem war F. wegen seines alkoholisierten Zustandes „nicht in der Lage, ein Fahrzeug zu führen“ und habe sich als ungeeignet erwiesen, am Straßenverkehr teilzunehmen, so die Staatsanwältin.
Während sie dies ausführte, rieb sich der Angeklagte nervös die Hände. Kurz darauf musste er seine Tränen unterdrücken, als sein Verteidiger Hetényi eine Erklärung in seinem Namen verlas. Wegen seines aufgewühlten Gemütszustandes sei F. nicht selbst in der Lage zu sprechen, sagte sein Anwalt.
Vor Gericht unterdrückt der 22-Jährige nur mit Mühe die Tränen
Der Angeklagte möchte dem Gericht sein „tiefstes Bedauern über das tragische Geschehen“ bekunden. Es wäre „sein größter Wunsch, den verhängnisvollen Unfall ungeschehen zu machen“, so der Verteidiger. Den Familienangehörigen des Todesopfers könne er nur „sein aufrichtiges Beileid und Mitgefühl aussprechen“.
Der Abend des 24. Oktobers sei der „schlimmste Tag“ in seinem Leben gewesen, sagte Verteidiger Hetényi weiter über den Angeklagten. Dass er als junger Mann für den Tod eines anderen Menschen verantwortlich sei, habe ihm jede Lebensfreude genommen. Wie auch immer das Strafverfahren gegen ihn ausgehe, müsse er mit der schweren Last dieser Tragödie weiterleben, „die tiefe Spuren und Wunden bei den Hinterbliebenen und der Familie“ des Opfers verursache.
Bad Segeberg: Prozess wird am 11. August fortgeführt
Dies sei nicht der erste tragische Verkehrsunfall in seiner Familie gewesen, berichtete der Verteidiger weiter. So sei der Vater des Angeklagten selbst einmal in einen schweren Unfall verwickelt gewesen, bei dem vier Menschen starben, darunter eine Schwester und eine Cousine des Vaters. Insofern sei dem Angeklagten bewusst, wie schmerzvoll der Verlust eines Menschenlebens sei.
Der Prozess wird mit der Beweisaufnahme und Zeugenanhörung am 11. August um 9 Uhr im Amtsgericht Bad Segeberg fortgesetzt. Der Vorsitzende Richter Kleimann möchte an dem Tag auch möglichst das Urteil verkünden.