Kreis Segeberg. Keine kostenlose Abfuhr für Sperrmüll und Gartenabfälle mehr. Warum sich der Kreis, Bürgermeister und Politiker hintergangen fühlen.
Hat der Wege-Zweckverband den Bogen überspannt und die Bürger mit einem Gebührenmodell konfrontiert, das noch gar nicht beschlossen ist? Diesen Vorwurf erheben zumindest einige Politiker und Verwaltungschefs im Kreis Segeberg, die sich von dem Verband, der im Kreisgebiet (ohne Norderstedt) unter anderem für die Müllabfuhr zuständig ist, überfahren fühlen.
Das ist passiert: Vor gut zwei Wochen hat sich der WZV (Schlagwort: „Profis in Orange“) mit einem Schreiben an die Haushalte im Kreis Segeberg gewandt, in dem auf ein „modernes und nachhaltiges“ Gebührenmodell hingewiesen wird. Ab dem 1. Januar 2023, „passend zu ihren individuellen Bedürfnissen“.
WZV: Neue Müllgebühren für den Kreis Segeberg festgelegt
Dabei geht es um nichts weniger als eine grundlegende Änderung der Müllentsorgung. Lange diskutiert, in Teilen auch veröffentlicht – aber auch wirklich beschlossen?
Nein, meint zum Beispiel Henstedt-Ulzburgs Bürgermeisterin Ulrike Schmidt: „Das neue Gebührenmodell des WZV ist noch nicht von der Verbandsversammlung beschlossen, dennoch erreichen die Bürgerinnen und Bürger im Kreisgebiet bereits Schreiben mit dem Betreff ‘Unser neues Gebührenmodell kommt 2023’“.
Henstedt-Ulzburg: Bürgermeisterin Ulrike Schmidt ist empört
Die Verwaltungschefin ist empört und fühlt sich als Mitglied der Verbandsversammlung falsch behandelt: „Ich habe mittlerweile das Gefühl, dass die WZV-Führung die von uns vorgebrachte Kritik im Sinne unserer Bürgerinnen und Bürger nicht sonderlich ernst nimmt.“
Wer das Rundschreiben des WZV aufmerksam liest, kann zu dem Ergebnis kommen, dass es vom kommenden Jahr an tatsächlich alles besser wird. So jedenfalls wird es von Ceyda Oguz, der Bereichsleiterin Abfallwirtschaft und Abfallanlagen, dargestellt. Eine kostenlose Sperrmüllabfuhr wird es beispielsweise nicht mehr geben. Das ist, laut WZV. sehr gut für die Bürger - denn: „Kein Warten mehr auf Abholtermine - bringen Sie ihre Gartenabfälle und Sperrmüll jederzeit kostenfrei bei einem unserer vier Recyclinghöfe vorbei.“
Kreis Segeberg: Wilde Müllablagerungen befürchtet
Könnte es, wie viele Politiker und Bürgermeister befürchten, zu wilden Sperrmüllablagerungen in der Natur kommen? Nein, meint der WZV. Denn der Verband setzt auf Wiederverwendung statt Schredder: „Wir schenken ihren alten Möbeln aus dem Sperrmüll ggf. ein zweites Leben. Dadurch kommt es auch zu weniger wilden Ablagerungen in der Natur.“
Weitere Neuerungen: Es soll eine Bedarfsabholung geben. Wenn die Restabfalltonne nicht geleert werden muss, wird der Leerungstermin auch nicht berechnet. Eine Grundgebühr wird es weiter geben, eine festgelegte Zahl von Mindestleerungen ebenfalls. Jeder Haushalt kann sich eine individuelle Tonnenkombination zusammenstellen.
Keine kostenlose Sperrmüllabfuhr mehr im Kreis
Vor allem die Abschaffung der kostenlosen Sperrmüllabfuhr hat in den vergangenen Monaten für Diskussionen gesorgt. Jetzt schafft der WZV Tatsachen - darf er das? Nach Ansicht von Ulrike Schmidt darf er es nicht.
Aber abgesehen davon kann sich jeder Internetnutzer ein eigenes Bild machen: Auf der Website des WZV (www.wzv.de) kann unter dem Menüpunkt „WZV/Bürgerinformationssystem“ Einsicht in die Protokolle der Verbandsversammlungen genommen werden.
Danach hat die Versammlung am 30. August 2021 beschlossen, der Verbandsvorsteher solle das Abfallgebührenmodell weiterentwickeln und eine Gebührenkalkulation vorlegen. Das hat er bisher nicht gemacht, und ein Beschluss darüber steht noch aus. Doch darüber werden die Bürger nicht informiert.
Ein Beschluss zu den Müllgebühren wurde vertagt
Die Verbandsversammlung vertagte im Dezember 2021 einen entsprechenden Beschluss. Seitdem hat es keine Verbandsversammlung mehr gegeben. Die nächste findet am heutigen Donnerstag in Henstedt-Ulzburg statt - ohne Beschluss über ein Gebührenmodell. Denn dieser Punkt steht nicht auf der Tagesordnung.
Warum ist das so? Das wollte das Hamburger Abendblatt von Bereichsleiterin Ceyda Oguz wissen. Es sei zwingend notwendig, die für die abschließende Kalkulation der Abfallgebühren notwendigen Daten bereits jetzt zu erheben, damit diese in das System eingepflegt werden können, teilt die Bereichsleiterin mit. Im Dezember soll die Verbandsversammlung das Modell nachträglich genehmigen.
Die Sperrmüllabfuhr bleibe im Prinzip kostenlos - nur der bestellte Transport müsse künftig mit 10 bis 20 Euro bezahlt bezahlt werden. „Welche Motivation sollte dahinter stehen, sich die Mühe zu machen, ausrangierte Stücke extra ins Auto zu laden, sie dann aber nicht zum Recyclinghof sondern in die Feldmark zu fahren“, fragt Ceyda Oguz. „Ob Veränderungen als positiv oder negativ empfunden werden, ist stets eine Frage der Betrachtungsweise.“
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Kreis Segeberg will weiterhin eine kostenlose Sperrmüllabfuhr
Zufrieden mit dem Vorgehen des WZV ist auch der Kreis Segeberg nicht. Der Kreistag hat in seiner Sitzung am 24. März zum Thema Sperrmüll diesen Beschluss gefasst: „Das bewährte Abrufverfahren sollte bestehen bleiben. Alternativ sollte eine jährliche Freimenge Sperrmüll auch zu einem der Recyclinghöfe angeliefert werden können.“ Ganz so also, wie es auch im Abfallwirtschaftskonzept des Kreises Segeberg für die Jahre 2022 bis 2026 formuliert ist. Darauf weist Sabrina Müller, Sprecherin der Kreisverwaltung, hin.
Das allerdings ist eine Aussage ohne Konsequenzen: Zwar ist der Kreis nach dem Landesabfallwirtschaftsgesetz grundsätzlich als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger zuständig. Er hat diese Aufgabe jedoch für das Kreisgebiet - mit Ausnahme der Stadt Norderstedt - auf den WZV übertragen. Mit anderen Worten: Der Kreis Segeberg kann zwar kritisieren so viel er will, zu sagen hat er aber nichts.
WZV: Kritik zu neuen Müllgebühren von politischer Seite
Kritik gibt es auch von politischer Seite. „Wir haben dem WZV auf der Verbandsversammlung am 30. August 2021 einen Prüfauftrag erteilt, der Verband aber sah es als Bestätigung seiner Vorstellungen“, sagt Henstedt-Ulzburgs Gemeindevertreterin Karin Honerlah, die Mitglied der Verbandsversammlung ist. „Das ist eine Irreführung der Bevölkerung.“