Norderstedt/Horst. Der Krieg gegen die Ukraine lässt die Preise für Futter stark steigen. Das bringt vor allem tierhaltende Betriebe in arge Bedrängnis.
Ein Bauernhaus, Ställe, Felder, eine Katze, die über den sonnenbeschienenen Hof läuft – der Hof am Rantzauer Forstweg in Norderstedt ist ein ruhiger, idyllisch wirkender Ort. Dass der Krieg in der Ukraine indirekt auch Auswirkungen auf den Betrieb von Jens-Walter Bohnenkamp hat, ist nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Bohnenkamp holt einen Sack Tierfutter aus dem Lager. „Ein Sack wie dieser kostet mich fast das Doppelte wie vor einem Jahr“, sagt der Landwirt, der Ackerbau und Schweinezucht betreibt. Sein Betrieb mache derzeit Verluste. „Das ist eine existenzbedrohende Situation“, sagt der 63-Jährige, der auch Vorsitzender des Kreisbauernverbandes ist.
Landwirtschaft: Steigende Kosten bringen Viehzüchter in Bedrängnis
So wie Bohnenkamp geht es derzeit vielen Landwirten. Der Krieg in der Ukraine lässt die Produktionskosten steigen – das bringt insbesondere die Viehzüchter in Bedrängnis. Claus-Peter Boyens, Experte für Tierhaltung der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein, erklärt: „Alle tierhaltenden Betriebe haben gerade massive Probleme, die Kosten im Griff zu halten.“ Denn wegen des Krieges in der Ukraine „explodieren gerade die Betriebsmittelkosten“, also die Kosten für Futter und Energie. Heizöl, insbesondere Diesel, sei teurer geworden, und eben auch Tiernahrung.
Boyens nennt die Gründe: „Die Ukraine ist einer der größten Weizenexporteure. Aber da niemand weiß, ob eine Ernte möglich sein wird, gibt es viele Spekulationen am Markt. Zudem ist die Logistikkette eingebrochen, weil Häfen vermint und bombardiert werden.“ All das führe zu starken Preissteigerungen bei Mais und Weizen, die Grundstoffe für Futtermittel sind. Im Futter für Rinder und Schweine seien zudem verschiedene Öle verarbeitet, besonders Sonnenblumen- und Rapsöl.
Speziell bei Sonnenblumenöl ist die Ukraine einer der Hauptexporteure.“ Die Knappheit, die auch im Einzelhandel spürbar ist, merken auch die Viehbetriebe. Ein weiteres Problem komme hinzu, so Boyens: „Russland und Weißrussland zählen zu den größten Produzenten für Düngemittel.“ Der Krieg führe auch in diesem Bereich zu Kostensteigerungen, die dann wieder auf die Preise für Tierfutter durchschlagen.
Landwirtschaft: Preise für Futtermittel und Dieselkraftstoff steigen
Jens-Walter Bohnenkamp hat 80 Zuchtschweine auf seinem Hof, pro Jahr werden 2500 Tiere an Schlachtbetriebe verkauft. Das Futter für die Schweine kauft er in einem Futtermischwerk im Hamburger Hafen ein. Wie sich die Preissteigerungen im Detail zeigen, veranschaulicht er mit einem Beispiel. Dem Reporter zeigt er eine Preisliste für Schweinefutter aus dem April 2021. Für eine Tonne einer bestimmten Mischung hat er damals 235 Euro bezahlt – laut einer Preisliste aus dem März 2022 werden für eine Tonne des selben Produkts nun 412 Euro fällig.
Das Problem: „Die Preise für Schweinefleisch steigen nicht im selben Maß. Deshalb mache ich im Moment mit jedem verkauften Tier ein Minus.“ Die Preissteigerungen beim für Landwirte so wichtigen Dieselkraftstoff machen die Lage noch schlimmer: „Vor einem Jahr habe ich 1,25 Euro pro Liter bezahlt. Im Moment sind es 1,90 Euro.“ Sein Betrieb lebe derzeit weitgehend von Rücklagen aus besseren Jahren.
Landwirtschaft: Kraftfutter ist besonders teuer geworden
Die Preissteigerungen machen auch Stefan Wendtland im 35 Kilometer entfernten Horst, einer kleinen Gemeinde bei Elmshorn, zu schaffen. Wendtland ist Milchviehhalter, 120 Kühe leben auf seinem Hof, der 120 Hektar Fläche hat. „Eine Kuh bekommt bei mir am Tag 30 Kilo Grassilage, 15 Kilo Maissilage und sieben Kilo Kraftfutter“, sagt der 40 Jahre alte Landwirt.
Besonders groß seien die Preissprünge beim Kraftfutter: „Eine Tonne konventioneller Körnermais kostet im Moment 422 Euro. Letztes Jahr im Sommer habe ich eine Tonne für 242 Euro eingekauft.“ Wendtland stellt gerade auf Bio-Futter um – das genannte Futter wird dann in seinem Betrieb nicht mehr verwendet. Aber die Probleme werden dadurch nicht kleiner, im Gegenteil. Wendtland: „Das Biofutter ist noch einmal teurer. Und in dem Bereich ist die Verfügbarkeit ein noch größeres Problem als der Preis.“ Es könne sogar sein, dass er im Juni oder Juli gar kein Kraftfutter mehr für seine Tiere bekomme. Und dann?
Landwirtschaft: Milchpreise steigen nicht so wie die Preise für Tierfutter
„Die Kühe würden das überstehen. Die stehen jetzt auf der Weide und können sich auch von dem Gras ernähren. Außerdem bekommen die im Stall noch etwas zugefüttert“, erklärt der Landwirt. Allerdings werde dann „die Milchleistung zurückgehen“, so Stefan Wendtland weiter. Einfach mehr Geld für den Liter Milch verlangen kann er nicht. Die Lage ist ähnlich wie beim Schweinefleisch. Wendtland: „Die Milchpreise steigen nicht im selben Maße wie die Futterpreise. Sie bilden allgemein nicht die gestiegenen Kosten ab.“
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Wie der Hof von Jens-Walter Bohnenkamp, lebt auch Wendtlands Betrieb derzeit von Rücklagen, zudem würden Investitionen zurückgestellt. Eine Situation, die auch Wendtland als „existenzbedrohend“ bezeichnet. Er glaubt, dass viele Landwirte in nächster Zeit aufgeben werden. Das deckt sich mit den Einschätzungen der Experten der Landwirtschaftskammer.
„Viele Möglichkeiten, zu reagieren, bleiben den Betrieben nicht“, sagt Referentin Ronja Mau. Teilweise könnten Betriebe noch etwas ihre Produktivität steigern und dadurch Kosten sparen, aber letztlich blieben die Probleme groß, „Ende ungewiss.“ In Schleswig-Holstein gibt es, so Claus-Peter Boyens, etwa 3500 rinderhaltende und 1000 schweinehaltende Betriebe. Boyens sagt: „Es wird definitiv Betriebe geben, die das nicht durchhalten werden.“
Landwirtschaft hat mit steigenden Preisen zu kämpfen
Ans Ende denken wollen Stefan Wendtland und Jens-Walter Bohnenkamp noch nicht. „Ich warte auf bessere Zeiten“, sagt Bohnenkamp. Allerdings seien die Rücklagen bald aufgebraucht. Den einzigen wirklichen Ausweg sieht er darin, dass die Preise für Schweinefleisch so steigen wie die Kosten. Das sei allerdings im Moment nicht in Sicht – ein Bewusstseinswandel sei nötig, auch mit Blick auf Ökologie und Tierwohl. Bohnenkamp: „Die Menschen sollten bereit sein, wieder mehr für ihre Lebensmittel zu bezahlen.“ Denn „mit den derzeit in der Landwirtschaft zu erlösenden Erträgen lassen sich die gesellschaftlichen Anforderungen an bessere Produktionsstandards nicht realisieren.“
Stefan Wendtland pflichtet dem bei. Und er hat noch eine weitere Anregung: „Aus meiner Sicht könnten auch die großen Lebensmitteleinzelhändler mal etwas von ihren Margen abgeben.