Hannover. Der Krieg in der Ukraine macht Agrarprodukte teurer. Auch das Futter in der Nutztierhaltung kostet immer mehr.
Der Krieg in der Ukraine macht viele Agrarprodukte knapper und teurer. Das gilt nicht nur für fertige Nahrungsmittel - auch das Futter in der Nutztierhaltung kostet immer mehr. Für Landwirte wie Jürgen Laue hat das bittere Konsequenzen.
Die Versorgung von Jürgen Laues Schweinen ist voll automatisiert. Aus den drei großen trichterförmigen Silos läuft das Futter über Rohre ins Innere des Stalls, kommt durch einen Mischer und einen Vorratsbehälter, bevor es über ein weiteres Rohr direkt in der Fressschale landet. Zweimal am Tag ist es so weit.
Insgesamt 900 Schweine hält der konventionelle Mäster in dem langen flachen Stall in Ummern, einer kleinen Gemeinde nördlich von Gifhorn. Um ein Tier bis zur Schlachtreife zu füttern, habe er vor dem Beginn des Ukraine-Kriegs insgesamt 70 Euro an Futterkosten gezahlt, erzählt Laue. Seit Mitte März sind es nun rund 110 Euro.
Schon seit 1416 betreiben die Laues auf dem Hof Landwirtschaft
„Man muss den Beruf lieben und leben“, sagt der 50-Jährige und lacht. Sonst hätte er wohl schon längst aufgegeben. Vor zwanzig Jahren hat Laue den Familienbetrieb, den er mit seiner Frau Sonja führt, in der 23. Generation übernommen. Er umfasst 160 Hektar Wiesen- und Ackerfläche sowie 50 Hektar Wald. Schon seit 1416 betreiben die Laues auf dem Hof Landwirtschaft. Krisen seien sie gewohnt.
In der Corona-Zeit hätten sie wenigstens noch kostendeckend arbeiten können. Doch seitdem die Getreide- und dadurch auch die Futterpreise durch den Krieg in die Höhe geschossen seien, machten sie ein Minusgeschäft. „Jetzt kommt die Fahrt ins Ungewisse“, sagt Laue.
Russland und die Ukraine zählen seit vielen Jahren zu den wichtigsten Getreideexporteuren der Welt. Nach Angaben des Branchenverbands Der Agrarhandel kommen 29 Prozent der weltweiten Weizenausfuhren aus den beiden Ländern. Die Ukraine gilt als „Kornkammer Europas“. Anfang Januar habe die Tonne Futterweizen im deutschen Großhandel 284 Euro gekostet. In der vergangenen Woche seien es 402 Euro gewesen. Eine Verbandssprecherin betont jedoch, dass es bereits 2021 regelmäßige Preisschwankungen gegeben habe.
Ferkel kosten nicht mehr 40 Euro wie zuvor, sondern 90 Euro
Laue zahlt für sein Schweinefutter, das zu großen Teilen aus geschrotetem Weizen, Roggen und Gerste besteht, seit dem 15. März nach eigenen Angaben rund 60 Prozent mehr. Auch die Ferkel kosten nicht mehr 40 Euro wie zuvor, sondern 90 Euro. Insgesamt koste ihn die Mast eines Schweines somit 205 Euro – für das fertige Schlachtschwein bekomme er derzeit aber nur 190 bis 195 Euro. „Wir arbeiten dafür, dass wir Geld mitbringen müssen“, sagt er.
Hinzu kommt: Der Vertrag mit dem Futterlieferanten gilt seit März nicht wie gewöhnlich für ein halbes Jahr, sondern nur für vier Wochen. Für Laue ist das höchst problematisch: „Ich will ja auch kalkulieren und planen können. Das kann ich im Moment gar nicht. Das ist ein bisschen wie Lotterie. Ich weiß nicht, was die nächsten vier Wochen passiert.“ Normalerweise wird versucht, auch über Terminhandel Preise und Mengen längerfristig festzulegen oder einzuschätzen – derzeit unmöglich.
Dem niedersächsischen Bauernverband zufolge sind viele Landwirte betroffen. „Aufgrund der stark gestiegenen Preise für Futtermittel haben etliche Schweine- oder Geflügelhalter die Produktion eingeschränkt oder sogar eingestellt. Der Anstieg der Schweinepreise im letzten Monat gleicht das bisher nicht aus, deshalb erwarten wir einen weiteren Rückgang“, sagt Niedersachsens Landvolk-Präsident Holger Hennies.
Preise für Wurst- und Fleischwaren in den Supermärkten steigen
Der Bezirksvorsitzende für Hannover, Volker Hahn, wünscht sich, dass die Bedürfnisse der konventionellen Landwirte allgemein mehr in den Blick genommen werden. Die Verbraucher forderten niedrige Preise – gleichzeitig müssten die Bauern immer mehr Geld in die Hand nehmen, um die Vielzahl an Auflagen und Standards zu erfüllen.
Für Laue ist klar, dass die Preise für Wurst- und Fleischwaren in den Supermärkten jetzt steigen müssen. „Ich sage ja nicht, dass man jeden Tag eine Wurst essen muss.“ Aber die Verbraucher sollten bereit sein, 30, 40 Cent mehr für ihr Steak oder Schnitzel zu zahlen, findet er. Wie viele andere fordert Laue außerdem, stillgelegte Flächen wieder bewirtschaften zu können. Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) möchte den Landwirten nun zeitweise ermöglichen, die Flächen immerhin für die Futtergewinnung zu nutzen. Am Freitag stimmte der Bundesrat für eine entsprechende Verordnung, die vorsieht, dass ab Juli bestimmte ökologische Vorrangflächen sowie Brachflächen, die als ökologische Vorrangflächen ausgewiesen wurden, für die Futternutzung freigegeben werden.
Auch wenn die wirtschaftliche Lage für die Laues schwierig ist, ist an Aufhören nicht zu denken. „Wir ziehen das durch“, sagt der Landwirt. Er und seine Frau sind überzeugt: Irgendwann müsse es auch mal wieder besser werden. Die nächste Generation stehe schon in den Startlöchern. Sohn Jürn, 20 Jahre alt, das jüngste von drei Kindern, möchte den Betrieb später übernehmen.