Norderstedt. Die Stadt hat genug von tonnenweise illegal abgelegtem Müll – und lässt sich die Jagd auf Müllsünder einiges kosten.
Wenn man, umwelt- und klimabewusst, seinen Müll trennt und sich mit Pappe, Altglas und aussortierten Textilien zu einer der 17 Wertstoffinseln des Norderstedter Betriebsamtes aufmacht, dann packt einen dort nicht selten die Wut.
Über Berge von Sperrmüll, Schrott und unzerlegten Kartonagen, die von Unbekannten an den Sammelplätzen für Recyclingmaterialien einfach vor den Container abgelegt wurden. Man wünscht sich dann, dass Leute, die sowas tun, erwischt und zur Rechenschaft gezogen werden.
Norderstedt jagt Müllsünder mit Privatdetektiven
Und genau das passiert jetzt an den besonders neuralgischen, sprich laufend zugemüllten Wertstoffinseln: Das Norderstedter Betriebsamt macht dort mit Privatdetektiven Jagd auf Müllsünder. Und zeitigt Erfolge: An nur einem Wochenende im November erwischten zwei Mitarbeiter einer Detektei mehr als 20 Müllsünder in flagranti und zeigten sie an. Außerdem dokumentierten sie an die 40 Fälle illegaler Müllablagerung, und sie stellten in einigen Fällen Adressaufkleber an abgestellten Pappkartonagen sicher.
Martin Sandhof, Leiter des Norderstedter Betriebsamtes, will, dass möglichst viele „Müllsünder“ im Stadtgebiet entlarvt werden. Es müsse ein Exempel statuiert werden. Nur das konsequente Durchgreifen gegen die wilde Müllentsorgung könne langfristig den Erfolg bringen – davon ist Sandhof überzeugt.
Zwei bis drei Tonnen wild abgelegter Müll – pro Woche
Das illegale Müllabladen auf den Wertstoffinseln ist längst ein teures Dauerärgernis für die Stadt geworden. Zwei bis drei Tonnen Müll pro Woche klauben die Mitarbeiter des Betriebsamtes vor den Containern zusammen. Allein für das Abholen und Entsorgen der um und bei 130 Tonnen Müll pro Jahr gibt das Betriebsamt knapp 25.000 Euro jährlich aus. Ganz abgesehen davon, dass die zugemüllten Wertstoffinseln ein erbärmliches Straßenbild abgeben.
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Die Idee mit der Detektei kam von Sandhof. Er hatte sich bei anderen Kommunen und Kreisen umgehört, die mit diesem Vorgehen gute Erfahrungen gemacht hatten. Zuvor hatte es das Betriebsamt mit einem privaten Sicherheitsdienst versucht. Mit diesem hatte man einen Vertrag in Höhe von 2880 Euro netto monatlich über einen regelmäßigen „Revierdienst“ an neun Wertstoffinseln abgeschlossen – Laufzeit bis Ende Januar 2022. Doch in den ersten Monaten kamen die Sicherheitsleute mit nicht einem einzigen angezeigten Fall von ihren Streifen zurück – aber das Müllablagern ging munter weiter.
Die Detektive agieren in verdeckten Operationen
„Man kann in solchen Einsätze keine Wachmänner in Uniformen schicken – am besten noch in einem Auto mit einem großen Aufkleber der Sicherheitsfirma oder Detektei“, sagt Jürgen Eichmann. Er betreibt seit mehr als 30 Jahren eine der laut Eigenauskunft führenden Privatdetekteien und Wirtschaftsdetekteien Norddeutschlands. „Wir ermitteln viel im Bereich der illegalen Müllbeseitigung. Unsere Mitarbeiter sind speziell darauf geschult“, sagt Eichmann. „Die legen sich in verdeckten Operationen auf die Lauer an den Containern und gehen – wenn es sein muss – auch volles Programm in den Müll und holen die Adressaufkleber heraus.“
Am Anfang stünde immer die ausführliche Vorermittlung vor Ort. „Unterwegs sind die Ermittler dann immer zu verschiedenen Zeiten, verteilt auf 24 Stunden. Stoßzeiten an den Containern sind immer die Sonnabende oder die Tage nach Feiertagen“, sagt Eichmann.
Privatdetektive haben Hausrecht an Norderstedts Wertstoffinseln
Das Betriebsamt hat den Detektiven das Hausrecht auf der Wertstoffinseln übertragen. Wenn die Ermittler Bürgerinnen und Bürger erwischen, seien sie befugt, die Personalien der „Müllsünder“ aufzunehmen und gegebenenfalls die Polizei wegen einer Anzeige einzuschalten. Über den ersten Einsatz der Detektive am Wochenende zwischen dem 4. und dem 7. November wurde dem Betriebsamt ein Einsatzbericht vorgelegt.
Kontrolliert wurde an den Tagen auf den drei Wertstoffinseln Harckesheyde, Am Böhmerwald – und an der Falkenbergstraße, Ecke Langenharmer Weg. Denn hier, auf dem Parkplatz neben dem Festsaal am Falkenberg, fühlen sich die Müllsünder anscheinend pudelwohl. Über 20 Müllsünder zeigten die Detektive hier an, etliche Adressaufkleber wurden sichergestellt.
Ein Auszug aus dem Ermittlungsbericht der Müll-Detektive
Ein Auszug aus dem Ermittlungsbericht: Eine Frau aus Hamburg stellt einen alten Koffer neben den Papiercontainer. Ein Mann aus Henstedt-Ulzburg lehnt Sperrmüll an den Textilcontainer, eine Frau aus Norderstedt wirft einen Koffer und ein Sitzkissen daneben. Ein Henstedt-Ulzburger wirft Hausmüll und Plastik in den Papiercontainer.
In etlichen Fällen entsorgten Mitarbeiter von Unternehmen ihren gewerblichen Papiermüll in den Containern. Und: Jede Menge Pappmüll der von Leuten aus Henstedt-Ulzburg, Tangstedt und Norderstedt einfach unzerlegt neben die Container gepackt wird. In allen Fällen konnten die Detektive die Personalien feststellen und Anzeigen aufnehmen.
Viele Müllsünder haben kein Unrechtsbewusstsein
Quasi als Beifang der Aktion kam es zu etlichen Anzeigen wegen Diebstahls – denn rein rechtlich ist es ein Diebstahl, wenn ein Obdachloser versucht, sich Kleidung aus dem Textilcontainer zu fischen. Oder ein Flüchtling ein vor dem Kleinelektrocontainer abgestelltes Fernsehgerät mitnehmen will.
Jürgen Eichmann: „Die Textilien in den Kleidercontainer gehören dem Deutschen Roten Kreuz. Dort könnten die Obdachlosen sich ja auch jederzeit in der Kleiderkammer bedienen. Außerdem ist es nicht ungefährlich, in den Containern zu wühlen. Meine Männer haben schon oft Menschen rausgezogen, die kopfüber im Container hingen.“
Betriebsamt: Alle Müllsünder müssen angezeigt werden
Martin Sandhof vom Betriebsamt sieht das kategorisch. Man könne nicht unterscheiden zwischen den Müllsündern und unterschiedliche Kriterien ansetzen. Um Ordnung auf den Wertstoffinseln zu schaffen, müsse alles angezeigt werden, sonst setze kein Lerneffekt ein.
Und wie reagieren die Leute, die in flagranti erwischt werden? „Die fallen aus allen Wolken“, sagt Jürgen Eichmann. „Keiner rechnete damit, dass da plötzlich einer steht und sie auf das Fehlverhalten anspricht.“ Viele hätten gar kein Unrechtsbewusstsein. Dass man etwa gewerblichen Müll nicht hier entsorgen dürfe. Manche reagieren aggressiv. In einem Fall sei jemand sogar einfach weggelaufen, berichtet Eichmann. „Meine Leute sind auf alles gefasst.“
Was der Einsatz der Privatdetektive Norderstedt kostet
Für etliche Menschen in der Region steht das Fallen aus allen Wolken noch bevor – weil sie nicht daran gedacht haben, dass ihre Adressen auf den abgestellten Pappkartons stehen und sie demnächst Briefe vom Ordnungsamt bekommen.
Und der nächste Einsatz der Detektive steht bevor. Den dreitägigen Wochenendeinsatz lässt sich das Betriebsamt übrigens 2500 Euro kosten, plus Anfahrtskosten.