Norderstedt. Mehrere Tausend Wohneinheiten sollen in diesem Jahrzehnt realisiert werden. Doch dann werden die Flächen knapp.

Die Stadt wächst, wenn auch langsam. Zwar prognostiziert das Statistikamt für Norderstedt 90.000 Einwohner im Jahr 2035. Und große Baugebiete sind ausgewiesen, nur: Es dauert Jahre, bis aus ersten Plänen die erste bezugsfertige Wohnung geworden ist. Bebauungspläne müssen aufgestellt, modifiziert und beschlossen, Anlieger angehört, Architekten beauftragt, schließlich Handwerker gefunden werden. Einen entscheidenden Schritt nach vorn hat jetzt eins der großen Norderstedter Wohnungsbauprojekte gemacht. Der Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr hat den Bebauungsplan (B-Plan) 341 beschlossen, die Bebauung nördlich und südlich des Kösliner Wegs – Anlass für das Abendblatt zu fragen: Wie weit sind die Pläne für die großen Neubauvorhaben in Norderstedt?

Mehrere Tausend Wohneinheiten in Norderstedt geplant

Auf einem Großteil der Fläche am Kösliner Weg produzierte früher Stielow Etiketten, ehe das Traditionsunternehmen schließen musste, die Produktionshallen leer standen, sich die Fläche zur Industriebrache entwickelte. Nun sollen hier 170 Eigentums- und 80 Sozialwohnungen sowie 175 Stellplätze entstehen. Weiter geplant ist eine Kindertagesstätte mit rund 60 Plätzen. „Wir werden voraussichtlich im Herbst 2022 mit den Erdarbeiten und Anfang 2023 mit dem Rohbau beginnen“, sagt Albrecht Sonnenschein, Hamburger Niederlassungsleiter des Projektentwicklers Instone.

Gleich dreimal wird Plambeck in den nächsten Jahren im Wohnungsbau aktiv. Vorzeigeprojekt des Norderstedter Wohnungsunternehmens ist der Plambeck-Campus (B-Plan 342). Der vierstöckige Riegelbau mit Staffelgeschoss im Rücken des Kreisels Berliner Allee/Ochsenzoller Straße soll nicht nur die neue Firmenzentrale werden, sondern auch ein zukunftsweisendes Zentrum für junge Kreative, ein „Forschungsraum für nachhaltige Lebens- und Arbeitswelten“, vorrangig für innovative Unternehmen aus der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft sowie den Bereichen Architektur, Ingenieurwesen und Design. Geplant ist zudem ein Gründerzentrum für sogenannte PropTechs und andere Start-ups (digitale Immobilienwirtschaft).

Baubeginn oftmals nicht vor Ende 2022

„Wir sind gerade bei der Architektenauswahl und werden Mitte November wissen, wie der Campus aussehen wird“, sagt Steffen Becker, Geschäftsführer von Plambeck. Dann müsse der B-Plan beschlossen werden, Ende 2022/Anfang 2023 könne Baubeginn sein. Einen ähnlichen Zeithorizont nennt Becker auch für das „Garstedter Tor“ (B-Plan 337) – an der Ecke Stettiner Straße/Kohfurth sollen rund 230 Wohnungen entstehen. „Zeitlich noch weiter zurück sind wir mit dem Wohnquartier Kohfurth“, sagt Becker.

Neben dem Herold-Center, wo die Berliner Allee in die Kohfurth übergeht, plant das Unternehmen 200 Wohnungen mit vier- bis fünf Stockwerken, dazu einen achtstöckigen Solitär zur Straße hin. Beschlossen ist auch der Entwurf zum B-Plan 334 – Kabs wird sein Möbelhaus an der Berliner Allee abreißen und durch einen Neubau ersetzen. Geplant ist ein siebenstöckiger Neubau mit kleinteiligen Läden im Erdgeschoss und darüber 198 Wohnungen, die sich auf sechs Geschosse rund um einen Innenhof verteilen.

270 Neubauwohnungen mitten in Norderstedt

Schon im nächsten Jahr sollen die Arbeiten für das Neubaugebiet auf einer der attraktivsten Flächen in der Stadt beginnen. Mitten in Norderstedt sollen 270 Wohnungen zwischen Rüsternweg im Süden, Ulzburger Straße und der Vitalia-Klinik im Norden hochgezogen werden, mit kurzen Wegen zu Bus und Bahn und zum Einkaufen. Der B-Plan 314 sieht eine Mischung aus frei und öffentlich finanzierten Wohnungen vor.

Mindestens 30 Prozent der rund zwei Hektar großen Baufläche sollen mit öffentlich geförderten Wohnungen bebaut werden. Zusätzlich sind Service-Wohnungen für Senioren und eine Kita vorgesehen. „Wir gehen davon aus, dass das erste Wohnhaus Mitte 2024 fertig sein wird“, sagt Heike Perez vom Immobilienunternehmen Behrendt, das die Wohnungen in einem Joint Venture mit der Struck Wohnungsunternehmen GmbH baut.

Bundesweites Modellprojekt für nachhaltiges Bauen

Deutlich später werden die ersten Bewohner die drei letzten großen neuen Siedlungsgebiete beziehen. „Grüne Heyde“ heißt das Gebiet zwischen Schulweg im Westen, Mühlenweg im Norden, Harckesheyde im Süden und Gewerbegebiet Harkshörn im Osten, das auf 47 Hektar bis zu 1300 Menschen in 600 Wohneinheiten Platz bieten soll. Wahrscheinlich werden dort noch mehr Menschen ein neues Zuhause finden, im südlichen Bereich sind statt der ursprünglich geplanten drei nun vier Geschosse vorgesehen.

Das Projekt ist nicht nur das größte, sondern auch das anspruchsvollste in Norderstedt: Die „Grüne Heyde“ soll ein bundesweites Musterprojekt für nachhaltiges Bauen werden. Autofrei, mit autonom fahrenden Bussen und innovativem Energiekonzept – die Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen hat den Planern die Zukunftsfähigkeit vor knapp einem halben Jahr offiziell bestätigt und sie mit dem Vorzertifikat in Platin ausgezeichnet. Im Februar hat der Fachausschuss den Rahmenplan beschlossen. Er dient als Richtschnur für die Entwicklung der B-Pläne und für die Gespräche mit den Grundeigentümern. Es wird noch Jahre dauern, bis die Bagger anrücken.

Rahmenpläne als Vorstufe für B-Pläne werden auch für weitere Baugebiete erarbeitet: Nördlich des Harkshörner Wegs, westlich der Ulzburger Straße sind 500 bis 800 Wohneinheiten geplant, die Planer avisieren einen Baubeginn für 2026. Rund 300 Einzel-, Doppel- und Reihenhäuser sowie Geschosswohnungen sollen zwischen Glashütter Damm, Jägerlauf und Kreuzweg im Baugebiet „Sieben Eichen“ entstehen. Neubauvorhaben von dieser Größe wird es laut Baudezernent Christoph Magazowski dann nicht mehr geben,

Fachkräfte nur schwer auf Baustellen zu bekommen

Doch nicht nur der lange Planungsvorlauf macht den Bauunternehmen zu schaffen. „Die Baukosten sind ein großes Problem, sie lassen sich kaum kalkulieren“, sagt Plambeck-Geschäftsführer Steffen Becker. Das Material sei knapp, der Mangel treibe die Preise: Eine Dachlatte koste sechsmal so viel wie vor der Pandemie. Materialverzicht und einfacher Bauen seien nicht möglich. Energetische Standards seien vorgeschrieben, die Förderbanken hätten hohe Anforderungen. „Hinzu kommt der Fachkräftemangel“, sagt Becker.

Er ist froh, dass für die Bauvorhaben in Garstedt noch die 30-Prozent-Klausel gilt – die Norderstedter Politik hatte vor zwei Jahren beschlossen, dass bei Neubauten 50 Prozent geförderte Wohnungen sein müssen. „Dann“, so resümiert Becker, „wären unsere Projekte tot.“