Norderstedt. Die Stadt kommuniziert nun geschlechtsneutral mit Gendersternchen. Oberbürgermeisterin Roeder vertritt die Maßnahme entschieden.
Milchmädchenrechnung, Not am Mann, das starke Geschlecht, sich wie ein Mädchen benehmen – Sprachbilder, die Situationen und Zusammenhänge auf den Punkt bringen, aber aus der Zeit fallen. Sie diskriminieren, transportieren Rollenklischees, genau das, was gendergerechte Sprache verhindern will. Die Diskussion um Genderstern, Großbuchstaben im Wort, Doppelpunkt und Sprechpausen tobt seit Monaten und entzweit die Gesellschaft.
Im Sinn von Gleichberechtigung und gesellschaftlicher Vielfalt nur konsequent und nötig, sagen die einen, überflüssig, ein Randproblem und eine Verschandelung der deutschen Sprache die anderen.
Gendern: Norderstedt folgt Leitmotiven
Sprache wandelt sich, wie sich auch Gesellschaft verändert. Und: Sprache bestimmt das Denken. Nach diesen Leitmotiven hat sich die Norderstedter Verwaltung entschieden, Gleichberechtigung und Vielfalt auch sprachlich zum Ausdruck zu bringen. Gesetzliche Vorgaben dafür gebe es zwar nicht, aber: „Ein sensibler Sprachgebrauch kann Menschen dabei unterstützen, in der Gesellschaft entsprechend gleichwertig und gleichberechtigt wahrgenommen zu werden“, sagt Norderstedts Gleichstellungsbeauftragte Claudia Meyer.
Was das für das alltägliche Sprechen und Schreiben bedeutet, hat die Stadt im Leitfaden für eine genderbewusste Sprache formuliert, den Claudia Meyer, Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder und Danny Clausen-Holm (SPD), Stadtvertreter und Landesvorstand des Lesben- und Schwulenverbands in Schleswig-Holstein, herausgebracht haben. Dabei handelt es sich, wie das Trio betont, um Empfehlungen, für alle, die sich geschlechtssensibel ausdrücken wollen.
Gendern mit Sternchen in Schreiben der Stadt
Für die rathausinterne Kommunikation empfiehlt Roeder das Gendersternchen mit Nachdruck. Denn: In der IT sei das Sternchen ein Platzhalter, der jeden Buchstaben und jedes Zeichen bedeuten könne. Vielfältig eben. Auch für Schreiben an andere Behörden oder die Bürgerinnen und Bürger gilt die dringende Empfehlung, das Gendersternchen oder geschlechtsneutrale Begriffe zu verwenden.
„Jede Verwaltung, die demokratische Grundsätze beachtet, ist durch den gesetzlichen Handlungsauftrag nun aufgefordert, der geschlechtlichen Vielfalt auch sprachlich Ausdruck zu verschaffen“, teilt die Stadt in der Broschüre mit. „Die Stadt Norderstedt hat sich daher entschieden, sowohl in der internen als auch der externen Kommunikation, das Gendersternchen zu verwenden oder auf genderneutrale Bezeichnungen zurückzugreifen. Durch diesen bewussten Sprachgebrauch tragen wir aktiv zur Gleichberechtigung der Geschlechter bei, agieren respektvoll unserer Kundschaft gegenüber und sorgen vor allem dafür, dass sich alle wahrgenommen und angesprochen fühlen.“
Stadtverwaltung Bad Segeberg will Gendern
Roeder ermuntert alle Menschen ausdrücklich dazu, unterschiedliche Bezeichnungen und Formulierungen auszuprobieren. Denn „Zusammen. Zukunft. Leben“, das Leitmotiv Norderstedts, bedeute für die Stadtverwaltung in Norderstedt nicht, lediglich auf gesetzliche Vorgaben zu reagieren. „Lieber sind wir vorher kreativ und agieren“, betont die Oberbürgermeisterin.
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Mit ihrem Antidiskriminierungs-Vorstoß ist sie nicht allein. Die Stadtverwaltung in Bad Segeberg macht es, aber auch große Städte wie Hannover, Institutionen wie das Theater Lübeck, die Universität Greifswald oder die Berliner Charité. Auch die Kreisverwaltung Segeberg ist auf den Zug der geschlechtsneutralen Sprache aufgesprungen.
Die Mitarbeiter*innen verwenden das Gendersternchen – als Folge des „dritten Geschlechts“, das durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Oktober 2017 seit 2018 in Deutschland offiziell anerkannt ist. Norderstedts Gleichstellungsbeauftragte geht davon aus, dass sich bundesweit rund 2,7 Millionen Menschen nicht eindeutig einem Geschlecht zuordnen lassen. „Dies zeigt die Tragweite und unterstreicht die Bedeutung von guten und vor allem diskriminierungsfreien Rahmenbedingungen in unserer Gesellschaft“, sagt Meyer.
Gendern: Broschüre aus Norderstedt gibt Beispiele
Die Norderstedter Broschüre für eine gendergerechte Sprache nennt viele Beispiele, natürlich zuallererst den geschlechstübergreifenden Stern, der beim Sprechen durch eine kurze Pause im Wort ersetzt wird.
Das Symbol lässt sich auch durch Begriffe ersetzen, die ohne grammatikalisches Geschlecht auskommen. Student*innnen werden zu Studierenden, Arbeitnehmer*innen zu Beschäftigten, Lehrer*innen zu Lehrenden. Auf sieben Seiten finden Interessierte unterschiedliche Möglichkeiten, die männliche Form zu umgehen – das sogenannte generische Maskulinum schließe die weibliche Form ein und müsse nicht ersetzt werden, argumentieren übrigens die Gegner der neuen Sprachformen.
Das sehen die Befürworter*innen naturgemäß anders.
Die Broschüre für eine genderbewusste Sprache kann von der Website der Stadt Norderstedt hier heruntergeladen oder über die Gleichstellungsstelle der Stadt Norderstedt bezogen werden.