Kreis Pinneberg. Debatte war verschoben worde, der Ton wird schärfer. So positionieren sich die Parteien im Kreis Pinneberg zum Thema Gendern.
Offizielle Schreiben der Kreisverwaltung sollen künftig so formuliert sein, dass die Bürgerinnen und Bürger sie besser verstehen können. Darin sind sich die Kreistagsfraktionen weitgehend einig. Wie die Behörde allerdings eine geschlechtergerechte Sprache in ihren Mitteilungen, Dokumenten und amtlichen Formularen umsetzen soll, ist höchst umstritten.
SPD und Grüne wollen zunächst einen Leitfaden dazu erarbeiten lassen. Die CDU möchte darin künftig nur weibliche und männliche Formulierungen zulassen und Gendersternchen, Doppelpunkte oder große „I“ mitten in einem Wort verbieten.
Kreistag diskutiert über gendergerechte Sprache
Der Hauptausschuss des Kreistages diskutiert über dieses Thema heute Abend. In der Sitzung im Juni, in der schon heftig und kontrovers darüber gestritten wurde, verschoben die Politikerinnen und Politiker eine Entscheidung.
Die CDU stellt ihren Antrag, den der Kreistagsabgeordnete und Deutschlehrer Martin Balasus eingebracht hat, nun erneut. Demnach sollen die Menschen in amtlichen Schreiben ausschließlich in der weiblichen und männlichen Form angesprochen werden, erklärt Balasus. Es müsse also Bürgerinnen und Bürger heißen, Ärztinnen und Ärzte. Aber keinesfalls dürften Formulierungen wie BürgerInnen oder Ärzt*innen verwendet werden, fordert Balasus.
Umfragen belegten, „dass die Mehrheit der Menschen Gendersternchen ablehnt“, argumentiert er. „Das Gendersternchen spaltet die Gesellschaft“, und es trage dazu bei, dass die deutsche Sprache schwerer verständlich werde, gerade für Migranten, und sich die Kluft zwischen dem Durchschnittsbürger und „denen da oben“ vergrößere, so der CDU-Abgeordnete. „Es ist nicht Aufgabe der Verwaltung, Bürgerinnen und Bürgern vorzuschreiben, wie sie zu sprechen und zu schreiben haben.“
SPD unterstützt geschlechtergerechte Sprache
Burghard Schalhorn (KWGP) lehnt ebenfalls den „Genderwahn“, wie er es nennt, kategorisch ab.
SPD-Fraktionschef Hans-Peter Stahl vertritt die Gegenposition. „Wir sollten der Kreisverwaltung einen Handlungsspielraum lassen, eine geschlechtergerechte Sprache umzusetzen, den die Sprache auch ohne besondere Schreibweise jetzt schon lässt.“ Darüber hinaus sollte sie eine Handlungsempfehlung erarbeiten, wie die verschiedenen Zielgruppen dabei berücksichtigt und angesprochen werden können, „um alle in der Sprache sichtbar und hörbar zu machen – ob Frauen, Männer und Personen des dritten Geschlechts, das divers genannt wird.“
Diese Handlungsempfehlung sollte dreierlei sicherstellen, so Stahl: „Es muss klar sein, wer gemeint ist. Alle müssen sich wiederfinden, und keiner darf diskriminiert werden.“ Im Übrigen habe es bisher noch keine einzige Beschwerde aus der Bevölkerung wegen genderspezifischer Formulierungen in Amtsschreiben gegenüber der Kreisverwaltung gegeben, so Stahl, das habe er auf Nachfrage erfahren.
Die Linken halten andere Themen für wichtiger
Die Grünen schließen sich weitgehend dieser Sichtweise an und fordern ebenfalls die Verwaltung auf, eine „Handlungsempfehlung für eine geschlechtergerechte und verständliche Formulierung ihrer Schreiben“ auszuarbeiten und diese dem Hauptausschuss „zur Beschlussfassung vorzulegen“.
Für die Linken wird hier „das Gespenst des Gender*Sternchens“ an die politische Wand gemalt. „Was wir brauchen, ist eine ruhige Debatte, die davon geprägt ist, niemanden auszugrenzen und Möglichkeiten auszuloten, wie dieses darstellbar ist“, sagt René König von der Linksfraktion. „Lautes Getöse und populistisches Wahlkampfgeschrei, wie die CDU es aktuell versucht, sind dabei wenig hilfreich.“ Sprache sei gleichzusetzen „mit sozialem Handeln, und das Ziel ist, niemanden zu diskriminieren“.
Alle Identitäten und Gruppen müssten auch in der Behördenanrede „gleichermaßen anerkannt werden, ohne jemanden besonders hervorzuheben, wie wir es mit der ausschließlichen Nutzung der männlichen Anrede tun“. Viel wichtiger, als die Gendersternchen aufs Korn zu nehmen, sei es, endlich Kinderarmut, Wohnungsnot und überteuerte Mieten zu bekämpfen, meint König.
„Vom generischen Maskulinum sollte abgesehen werden“
Die Gleichstellungsbeauftragte Tinka Frahm appelliert an die Abgeordneten, zu erkennen, dass eine gendergerechte Sprache zu mehr Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern führe. „Studien haben gezeigt, dass sich Frauen von Texten oder Stellenanzeigen, die in generischem Maskulinum verfasst sind, sehr viel weniger angesprochen fühlen als von Texten, die eine geschlechtergerechte Sprache verwenden“, sagt Tinka Frahm. „Eine geschlechtergerechte Sprache macht Frauen, Männer und Diverse in der Sprache sichtbar und erlaubt so ein gleichwertiges Mitdenken aller Menschen.“
Die Kreisverwaltung verwende seit zwei Jahren bei Stellenausschreibungen, internen Schriftstücken wie Dienstanweisungen, Pressemitteilungen und der Kommunikation mit der Kreispolitik überwiegend den Genderstern, so Frahm. „Die Kommunikation mit dem Genderstern wurde eingeführt, um nicht nur Frauen und Männer, sondern auch Diverse in die Kommunikation mit einzubeziehen und dem Grundgesetz damit Rechnung zu tragen.“ Es seien aber auch andere Formulierungen möglich, „lediglich vom generischen Maskulinum sollte abgesehen werden“.
Leichte Sprache nicht mit einfacher Sprache verwechseln
Dass die Behördensprache grundsätzlich leichter verständlich sein sollte, darin sind sich alle Fraktionen einig. Die Fraktion Bürgerliche Mitte hat dazu bereits einige konkrete Vorschläge und unterscheidet dabei zwischen leichter und einfacher Sprache. Leichte Sprache solle gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention „Menschen mit Leseschwierigkeiten die Teilhabe an Gesellschaft und Politik ermöglichen“, erklärt Fraktionsvizechefin Heike Maser-Festersen. Dieser Klientel sollte ebenso wie zugewanderten Menschen das Lesen und Verstehen erleichtert werden, indem die Behördentexte möglichst aus einfachen Wörtern und kurzen Sätzen mit einfachem Satzaufbau bestehen sollten. Auf Fremdwörter sollte verzichtet werden.
Bei der einfachen Sprache dagegen seien auch längere Sätze mit Nebensätzen erlaubt, so Heike Maser-Festersen. Allerdings sollten auch hier Fremdwörter vermieden werden, um älteren, hörbehinderten Menschen und denjenigen mit geringen Sprachkenntnissen das Lesen und Verstehen leichter zu machen.
Der Hauptausschuss des Kreistages berät am heutigen Mittwoch von 16.30 Uhr an im Kreishaus an der Kurt-Wagener-Straße in Elmshorn, Konferenzraum Arboretum.