Henstedt-Ulzburg. AfD-Fraktionschef musste Termin kurzfristig absagen. Warum die Gemeinde den Auftritt im Bürgerhaus dort nicht verhindern konnte.

Der Auftritt eines AfD-Spitzenpolitikers im Bürgerhaus in Henstedt-Ulzburg sorgte bereits im Vorfeld  für Diskussionen. Am heutigen Mittwoch wollte der Bundestags-Fraktionsvorsitzende der AfD, Alexander Gauland, von 20 Uhr an auf einer internen Veranstaltung sprechen. Doch daraus wird nichts.

AfD-Veranstaltung mit Beatrix von Storch in Henstedt-Ulzburg

"Aufgrund einer sehr kurzfristigen Terminkollision kann Alexander Gauland nicht an der Veranstaltung im Bürgerhaus Henstedt-Ulzburg teilnehmen", teilte die AfD am Mitwwochmittag mit. In der sehr kurzen Zeit sei es jedoch gelungen, die AfD-Bundesvizechefin und stellvertretende Bundestagsfraktionsvorsitzende Beatrix von Storch zu gewinnen.

Anmelder der Veranstaltung ist der Hamburger Landesverband. Und wieder kündigen sich Gegenwehr und Demonstrationen an: Das Henstedt-Ulzburger Bündnis für Toleranz und Vielfalt ruft ab 19 Uhr vor Ort zu einer Gegenversammlung auf, vermutlich zusammen mit weiteren Gruppierungen aus der Region.

Untersagenvon AfD-Veranstaltungen rechtlich nicht möglich

Viele Henstedt-Ulzburger sind die immer wiederkehrenden AfD-Veranstaltungen im Ort und die damit verbundenen Demonstrationen leid. Den Ruf, besonders AfD-freundlich zu sein, würde man gerne loswerden. Aber wie?

Private Betreiber oder Pächter können unliebsamen Veranstaltern eine Absage erteilen. Bei einem gemeindeeigenen Veranstaltungsort wie dem Bürgerhaus ist das komplizierter. Der AfD die Nutzung zu untersagen, sei „rechtlich nicht möglich“, sagt Rathaus-Sprecher Malte Pohlmann. „Der Grundsatz der Gleichbehandlung ist entscheidend.“ Denn das Bürgerhaus hat eine Benutzungssatzung. Und die besagt, dass die gemeindeeigenen Räumlichkeiten auch von politischen Parteien genutzt werden können.

Und dazu müssen diese noch nicht einmal einen Ortsverband in Henstedt-Ulzburg haben. Da die AfD sich überall sonst im Kreis Segeberg mit Räumlichkeiten für ihre Veranstaltungen schwer tut, sind die Rechtspopulisten über diese Satzung verständlicherweise sehr glücklich – und nutzen sie seit Jahren für ihre Parteiauftritte.

Kommunalpolitiker: „Es ist ein Dilemma, es nervt.“

Die Gemeinde hatte vor zwei Jahren ein Rechtsgutachten zur Satzung des Bürgerhauses in Auftrag gegeben. Ergebnis: Entweder es dürfen alle Parteien und Wählergemeinschaften in die Räume – oder niemand. Heißt also: Alle anderen Parteien in Henstedt-Ulzburg könnten geschlossen auf Parteiveranstaltungen im Bürgerhaus verzichten. Dann müsste auch die AfD draußen bleiben Doch neben dem Bürgerhaus gibt es kaum größere Veranstaltungsräume in der Gemeinde. Deswegen will man nicht ohne weiteres auf diese Option verzichten – trotz der AfD-Problematik.

„Es ist ein Dilemma, es nervt“, sagt Dietmar Kahle, Vorsitzender der CDU-Fraktion. Im Ältestenrat der Gemeindevertretung wollen die Fraktionsvorsitzenden aller Parteien und die Verwaltung ihre Optionen beratschlagen. Und Bürgermeisterin Ulrike Schmidt will sich mit Bürgermeister Hanno Krause kurzschließen. Denn die Nachbarn aus Kaltenkirchen haben auch ein Bürgerhaus, das der Stadt gehört – und dort lässt man nur politische Parteien mit Ortsvereinen in der Stadt zu.

Polizei bereitet sich auf Einsatz in Henstedt-Ulzburg vor

Der Unterschied: Das Kaltenkirchener Bürgerhaus ist verpachtet an eine Gastronomin, die Nutzung ist an diese Satzung gekoppelt. Könnte das also die Lösung für das AfD-Problem in Henstedt-Ulzburg sein: Man verpachtet das Bürgerhaus mit veränderter Satzung? „Es gebe die Möglichkeit, es über einen Verein laufen zu lassen. Aber wir haben ja nicht einmal die Gastronomie vermietet“, sagt Dietmar Kahle von der CDU. Die Gastronomie ist schon lange vakant. Einen Pächter für die vergleichsweise nüchternen Bürgerhaus-Räume zu finden – zu denen auch noch eine Kita gehört – ist unrealistisch. In Kaltenkirchen ist das Bürgerhaus ein attraktives, reetgedecktes Haus, beliebt für gesellschaftliche Anlässe und Hochzeiten.

Die Polizei bereitet sich auf einen Einsatz am Bürgerhaus vor, will aber keine Einzelheiten nennen. „Wir begleiten die Veranstaltung und gehen von einem friedlichen Verlauf aus“, sagt Polizeisprecher Lars Brockmann. Komme es zu Problemen, sei man darauf vorbereitet.

Anklage nach Vorfall bei AfD-Veranstaltung im Jahr 2020

Gauland, aber auch von Storch sind Reizfiguren. Sie dürften zu den Personen im Führungszirkel der Partei gehören, die als gefährdet gelten und deshalb stets mit eigenem Personenschutz in der Öffentlichkeit auftreten. Da der Politiker dem Bundestag angehört, wird das Bundeskriminalamt in den Schutz eingebunden. Derzeit beobachtet die Polizei, wo und wie weitreichend die AfD-Gegner für die Gegenveranstaltung ihre Anhänger mobilisieren.

Bei der Bewertung der Lage in Henstedt-Ulzburg wird es besonders darauf ankommen, inwieweit die linke Szene aus Hamburg an den Protesten teilnehmen wird. Nach Abendblatt-Informationen will die Polizei unbedingt verhindern, noch einmal zu wenige Beamte aufzubieten, wie es im Oktober 2020 beim Besuch des AfD-Vorsitzenden Jörg Meuthen geschehen war. Eine anreisende Gruppe von 50 Demonstranten aus Hamburg, die zum gewaltbereiten Spektrum gehörte, hatte die Einsatzkräfte überrascht und überfordert.

Nach der Veranstaltung war ein damals 19-Jähriger aus der rechtsextremen Szene mit einem Pick-Up in eine Gruppe Antifa-Aktivisten gefahren, hatte diese zum Teil schwer verletzt. Nach monatelangen Ermittlungen erhob die Staatsanwaltschaft Kiel Anklage wegen versuchten Totschlags – der brisante Prozess am Landgericht Kiel findet wohl erst 2022 statt.