Norderstedt. Mit einem Kraftwerk wird seit Januar die Firmenzentrale in Norderstedt versorgt. Der Klebstoffproduzent will klimaneutral werden.

1,5 Prozent. Klingt nach nicht viel. Doch im weltweiten Maßstab verändert sich die Verhältnismäßigkeit dramatisch. Das Pariser Klimaschutzabkommen, unterzeichnet 2015 von 187 oder knapp 97 Prozent aller Staaten der Welt, setzt diese 1,5 Prozent als wünschenswerte Grenze für das Maß der Erderwärmung in den kommenden Jahrzehnten.

Spätestens seit Millionen von jungen Menschen in der Fridays-for- Future-Bewegung auf die Straße gingen, wissen wir alle, welche Mammutaufgabe vor uns liegt – und wie alternativlos sie ist, um Artenvielfalt und die Lebensgrundlage für uns Menschen auf diesem Planeten zu sichern.

Eine der entscheidenden Rollen bei der Vermeidung von Treibhausgasen spielt die Industrie. Wird es ihr gelingen, fossile Energiequellen wie Kohle oder Öl im Produktionsprozess durch erneuerbare Energien abzulösen?

Tesa will klimaneutral wirtschaften

Beispiel Tesa, der Hersteller unzähliger Klebelösungen für die Industrie und den Verbraucher, seit 2015 mit seiner Firmenzentrale im Norderstedter Gewerbegebiet Nordport ansässig. Tesa hat das 1,5-Prozent-Ziel in der Unternehmensphilosophie verankert. „Wir haben uns ein ambitioniertes Klimaziel gesetzt: Unsere energiebedingten CO2-Emissionen wollen wir bis zum Jahr 2025 absolut um 30 Prozent gegenüber 2018 reduzieren.

Bis 2050 wollen wir sogar vollständig klimaneutral wirtschaften“, sagt Michael Lang, Leiter Corporate Sustainability und Quality Management bei Tesa. Klimaschutz wird bei dem Norderstedter Unternehmen auf drei Ebenen verfolgt: Energiebedarf senken, Energieeffizienz erhöhen und erneuerbare Energien nutzen. In letzterer Kategorie erreichte Tesa bis Ende 2020 einen Meilenstein: Seitdem beziehen sämtliche Büro- und Produktionsstandorte auf fünf Kontinenten zu 100 Prozent Strom aus regenerativen Energiequellen wie Sonne, Wind und Wasser.

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Wie das im Konzern mit seinen etwa 5000 Mitarbeitern in 55 Ländern funktioniert, erklärt Michael Lang: „Während wir mancherorts den Strom bereits aus erneuerbaren Energiequellen beziehen, erwerben wir zukünftig für alle übrigen Standorte sogenannte Grünstrom-Herkunftsnachweise. Damit können wir gewährleisten, dass 100 Prozent des eingekauften Stroms aus regenerativen Quellen stammen.“

Tesa setzt auch verstärkt auf die Eigenproduktion von Strom

48 Gigawattstunden Strom aus regenerativen Energiequellen hat Tesa 2020 bezogen. Das entspricht dem Jahresverbrauch von etwa 12.000 Vier-Personen-Haushalten in Deutschland.

Zudem achtet Tesa beim Bezug auf das international anerkannte Qualitätszeichen „EKOenergy“. Das Label berücksichtigt zum Beispiel nur Windkraftanlagen außerhalb von Naturschutzgebieten und wichtiger Vogelschutzgebiete. Doch um die Treibhausgase zu reduzieren, kauft Tesa nicht nur saubere Energie ein, es setzt auch verstärkt auf die Eigenproduktion von Strom. In der Norderstedter Firmenzentrale zum Beispiel.

Dort setzt das Unternehmen auf die energieeffiziente Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Die Unternehmenszentrale an der Hugo-Kirchberg-Straße 1 war bis zu ihrer Fertigstellung 2015 die größte Baustelle in Schleswig-Holstein. 160 Millionen Euro investierte Tesa in das neue Global Headquarter auf dem 86.000 Quadratmeter großen Grundstück. Über 700 Mitarbeiter aus diversen Standorten wurden hier zusammengezogen.

64 Prozent des Strombedarfs in Norderstedt werden gedeckt

Nun hat die Zentrale sein eigenes Kraftwerk, das gleichzeitig elektrische und thermische Energie erzeugt. Dass die Anlage nicht gleich in den Neubau integriert wurde, hat einen Grund: „Voraussetzung für die optimale Auslastung der Anlage war es, zunächst das Lastprofil des Standortes genau zu verstehen. Auf dieser Basis konnten wir dann die benötigte Leistung der KWK-Anlage bestimmen und die Installation beauftragen“, sagt Stefan Moritz, Prozessingenieur bei Tesa, der für den Einbau der Kraftwärmekopplungsanlage in Norderstedt zuständig war.

„Ab 2021 wird die neue KWK-Anlage voraussichtlich jährlich 5300 Megawattstunden Strom produzieren. Damit können wir rund 64 Prozent des Strombedarfs vor Ort decken“, sagt Moritz. Den Rest des erforderlichen Strombedarfes decke Tesa in Norderstedt über zugekauften Grünstrom. „Durch die Kopplung der Strom- und Wärmeerzeugung können wir zudem die Abwärme für die Gebäudeheizung am Standort nutzen. Darüber hinaus erzeugen wir mit Hilfe einer Absorbtionskälteanlage auch Kälte, die wir für Produktionsprozesse nutzen.“

Es gibt noch Optimierungsbedarf

Was den klimafreundlichen Betrieb der Anlage angehe, so bleibe Optimierungsbedarf. Denn momentan wird das Kraftwerk noch mit herkömmlichem Erdgas betrieben. „Perspektivisch sind Biogas, beziehungsweise entsprechende Zertifikate, oder die Power-to-Gas Technologie hier vielversprechende Technologien, um die CO2-Emissionen weiter senken zu können“, sagt Stefan Moritz. Beider Power-to-Gas-Methode wird mittels Wasserelektrolyse und unter Einsatz elektrischen Stroms ein Brenngas hergestellt, mit dem man wiederum das Kraftwerk betreiben könnte.

Eine weitere KWK hat Tesa bereits in seinem Produktionswerk in Italien eingebaut. „Damit können wir nun mehr als die Hälfte unseres gesamten Strombedarfs über energieeffiziente KWK-Anlagen selbst produzieren“, sagt Michael Lang.