Norderstedt. Erkenntnisse erwartet die Stadt von einer Umfrage, an der bis 14. Oktober nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Bürger teilnehmen können.
Es wird viel gebaut. In Norderstedt werden in den nächsten Jahren mehrere Tausend Wohnungen entstehen. Aber entsprechen die Wohnkonzepte der Architekten dem Bedarf? Oder planen sie an den Wünschen der Bürger vorbei? Und wie wollen die Menschen in der Zukunft überhaupt wohnen? Erkenntnisse erwartet die Stadt von einer Umfrage zum Wohnen, die sie Anfang September gestartet hat.
10.000 Norderstedter wurden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt und angeschrieben. „Mit dem Zwischenstand sind wir sehr zufrieden und danken denen, die mitgemacht haben. Aber damit die Umfrage als repräsentativ gilt und damit auch bundesweit über entscheidende Aussagekraft verfügt, ist eine hohe Beteiligung der Norderstedter Haushalte erforderlich“, sagt Nina Wrage, Sprecherin der Stadtverwaltung. Die Stadt Norderstedt ruft daher alle, die für die Umfrage ausgesucht worden sind und noch nicht teilgenommen haben, dazu auf, sich noch bis zum 14. Oktober an der Umfrage zu beteiligen. Die Auflagen des Datenschutzes würden eingehalten, die Antworten anonymisiert ausgewertet.
Am Ende des Projektes sollen konkrete Modelle stehen
Die Umfrage ist ein wichtiger Baustein im Finale des Wettbewerbs „Zukunftsstadt“. Norderstedt hat es unter die letzen acht Städte und Gemeinden in Deutschland geschafft, die sich am Forschungsprogramm „Fona – Forschung für nachhaltige Entwicklung“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) beteiligt haben (siehe Info-Kasten). 600.000 Euro bekommt Norderstedt vom Bund für das Forschungsprojekt. Dabei geht es nicht um das Forschen im Elfenbeinturm, um bloß wissenschaftliche Erkenntnisse.
Am Ende des Projektes sollen konkrete Modelle stehen, die die Wohnungswirtschaft realisieren kann und will – und zwar bundesweit. „Wir können und wollen damit zum Vorreiter werden und erneut demonstrieren, wie innovativ Norderstedt ist“, hatte Herbert Brüning, Leiter der für das Projekt verantwortlichen Stabsstelle Nachhaltigkeit im Rathaus, gesagt, als er das Forschungsvorhaben vorgestellt hat.
Mangelware sind vor allem Wohnungen für Singles und Rentner
Im Fokus stehen Kleinstwohnungen, vor allem bezahlbare. „Wohnen ist gerade in Norderstedt ein wichtiges Thema“, sagte Brüning. Die Mieten steigen, die Zahl derer, die Wohnraum bezahlen können, sinke: Die geburtenstarken Jahrgänge gehen in den Ruhestand, und viele könnten sich Mieten von 1000 Euro als Rentner nicht mehr leisten. Es fehle vor allem kleiner und günstiger Wohnraum. Viele Sozialwohngen fallen aus der Mietpreisbindung. Auf der anderen Seite zählen die Mieten in der Stadt zu den höchsten im Land. Mangelware sind vor allem Wohnungen für Singles und Rentner -- so lautet das Fazit von ALP, das Institut für Wohnen und Stadtentwicklung (ALP) hatte für die Stadt den Wohnungsmarkt in Norderstedt untersucht.
Auch der Zwang, den Flächenverbrauch einzuschränken und nicht immer neue Naturflächen zu versiegeln, erfordere neue Wohnformen. Und es geht um Nachhaltigkeit, nicht nur beim Flächenverbrauch, sondern auch bei den Baumaterialien. Nur so viele Ressourcen verbrauchen wie vorhanden sind oder wieder neu entstehen – das ist das Leitmotiv für das Bauen der Zukunft.
Im Fokus des Forschungsprojekts nicht nur Menschen mit wenig Geld
Also auf wenig Fläche wohnen. Jahrelang ging der Trend zu immer mehr Platz, jetzt scheint Verzicht ein wachsendes Lebensmotto zu werden. Also Bad und Küche mit anderen teilen? Wie viel Wohnfläche ist wirklich nötig? Auch auf diese Fragen erwarten Brüning und sein Team Antworten. Wobei weder die japanischen Mikrowohnungen noch die trendigen Tiny Houses als Vorbild taugen. Die Tiny Houses verbrauchen zu viel Platz, eignen sich eher für ländliche Regionen. Die Waben in Tokio, wo die Menschen wie in Bienenstöcken auf engstem Raum übereinander schlafen, sind, so Brüning, einfach zu winzig und erinnerten eher an Hundehütten oder Hühnerställe.
Abgespecktes Wohnen solle von denen, die sich für reduzierten Wohnraum entscheiden oder wegen zu geringem Haushaltsbudget entscheiden müssen, nicht als Strafe angesehen werden. Im Fokus des Forschungsprojekts stünden nicht nur Menschen mit wenig Geld. „Wir wollen auch erfahren, wie finanzstarke Singles und Familien künftig in ihren eigenen vier Wänden leben wollen“, sagte Brüning.
Wohnen bezahlbar und auf wenig Raum gestalten
Das Ziel sei nicht nur, Wohnen bezahlbar und auf wenig Raum zu gestalten, sondern dabei auch Qualität anzubieten. Die Art des Wohnens werde auch von der Mobilität beeinflusst, beispielsweise dem Verzicht aufs Auto, weil die Wohnung gut an Bus und Bahn angebunden ist oder ein komfortabler Radweg vor der Tür liegt. Auch soziale Aspekte wie Nachbarschaft spielten eine wichtige Rolle.
Teil des Projektes seien auch die Baustoffe. Da ist, so Brüning, ein Umdenken nötig: weg von den Energiefressern Beton, Stahl und Aluminium hin zu ökologisch unbedenklichem Holz. Ziel sei, Architekten und die Wohnwünsche der Menschen zusammenzubringen, denn, so Brüning: „Was nützen die tollsten Mikro-Appartements, wenn niemand darin wohnen will?“