Norderstedt. Das Willkommen-Team organisiert ein Werte-Seminar und hofft auf Unterstützer der Norderstedter Bürger und Vereine.

Angekommen und gut betreut seien die etwa 1500 hierher geflüchteten Menschen jetzt in Norderstedt. Sie hätten Deutsch gelernt, gingen zur Schule, machten eine Berufsausbildung, hätten zum Teil Wohnung und Arbeit gefunden, erklärt Maike Thomssen. „Jetzt kommt es darauf an, den nächsten Schritt zu gehen“, sagt die einzige hauptamtlich Beschäftigte im Willkommen-Team mit seinen 150 ehrenamtlichen Helfern.

Dabei gehe es um die Integration in unsere Gesellschaft, die über Arbeit und Wohnen hinausgeht. „Die Geflüchteten möchten und suchen Kontakt zur einheimischen Bevölkerung.“ So wichtig es sei, Unterkünfte, Arbeit, Wohnen und Sprachkurse sichergestellt zu haben. „Jetzt muss das Angebot in die Breite gehen. Wir wollen mit ihnen gut zusammenleben“, nennt sie das Motto dieses neuen Projektes.

Das soll jetzt mit Hilfe von Vereinen, Partnern und Bürgern gelingen, die zusammen mit den Kriegsflüchtlingen aus Syrien, Irak, Eritrea und Afghanistan Sport treiben, kochen, lesen, musizieren, Spiele spielen oder Ausflüge machen. An diesem Wochenende wird interessierten Teilnehmern in einer Art Werteseminar das Programm vorgestellt. „Wir wollen damit vor allem Vorurteile abbauen und versuchen, stereotype Ansichten über diese Menschen und ihre Kulturen zu hinterfragen“, kündigt Ilka Bandelow, Vorsitzende des Willkommen-Teams, an.

Thomssen: Die Migranten sehen das Leben viel lockerer

Denn die vielen Migranten kämen nicht nur aus völlig anderen Kulturkreisen, sie seien auch anders aufgewachsen, erzogen und sozialisiert als wir Deutschen. Ein Beispiel: die Pünktlichkeit. Dies sei für viele Einheimische ein ganz wichtiger Punkt bei Verabredungen, den es unbedingt einzuhalten gelte. Doch diese formelle Bedeutung kennen viele Migranten gar nicht, erläutert Maike Thomssen. Wenn sie sich mit anderen verabredeten, spiele es meist keine große Rolle, ob man sich heute oder morgen treffe. „Wir kommen schon noch zusammen“, laute oft die verdutzte Antwort, wenn ein Betreuer dachte, er hätte einen festen Termin abgemacht.

Das führte zu Missverständnissen auch in der Flüchtlingsbetreuung. „Diese Menschen denken nicht in linearen Strukturen wie wir, sondern in zirkulären“, erläutert Thomssen. Während viele Deutschen ihr Leben als klar strukturierte Reihenfolge von Schule, Ausbildung, Studium und Beruf begriffen, die es einzuhalten gelte, da man sonst möglicherweise etwas verpasse, würden die Migranten das Leben viel lockerer und weniger eingefahren sehen. „Morgen ist auch wieder ein Tag, an dem alles von Neuem beginnt“, sei ihr Credo. „Das Kennenlernen dieser verschiedenen Lebensweisen ist für uns alle eine große Bereicherung“, ist Ilka Bandelow überzeugt. „Auch wir Deutsche werden es genießen, einmal mehr das Laissez-fair zu leben.“

Sport und Spiel sind für die Integration sehr wichtig

Auch das Vereinswesen, das hierzulande so groß und vielfältig sei, ist den meisten Menschen, die aus anderen Länder stammen, selbst aus den USA, völlig unbekannt. Darum sollen nun Partner, Ansprechpartner und Integrationslotsen in den Vereinen gefunden werden, die sich den hierher geflüchteten Menschen annehmen und ihnen dabei helfen wollen, dass sie sich bald richtig heimisch und anerkannt fühlen, sagt Maike Thomssen, die auf große Unterstützung der vielfältigen Vereinskultur in Norderstedt hofft. Dazu habe sie zahlreiche Vereinsvertreter bereits angesprochen und angeschrieben.

Wie gut und gern die Migranten beispielsweise Fußball spielten, habe sich jüngst wieder beim internationalen Freundschaftsturnier gezeigt, zu dem das Willkommen-Team mit den hauptamtlichen Kräften von Caritas, Diakonie und Awo eingeladen hatte. „Die hatten so viel Freude an Sport und Spiel. Sport verbindet nun einmal die Völker“, sagt Ilka Bandelow.

Und wie schnell sich die unterschiedlichen Kulturen, Ansichten und Werte erst einmal vermischen können, wenn man sich und die andere Seite näher kennen- und schätzen gelernt hat, habe sie jüngst am eigenen Leib erfahren, erzählt die Willkommen-Team-Vorsitzende. Da sei sie von einem befreundeten Syrer, der jetzt fünf Jahre hier lebt, zum Essen eingeladen worden. Und als sie zehn Minuten zu spät war, rief er schon aufgeregt bei ihr an: „Wo bleibst du denn, Ilka?“